Schülerinnen der Friedrich-Althoff-Schule in Dinslaken versorgen vier Tage lang Babysimulatoren
Schlaflose Nächte für 16-Jährige
Donnerstagvormittag, 11 Uhr, Friedrich-Althoff-Schule: Jennifer, Lisa und Sultana sitzen nebeneinander auf der Couch, halten "Jannik", "Angel" und "Ömer Faruk" auf den Armen und gähnen. Nahezu unentwegt. Harte Nacht gehabt?
"Dreimal musste ich aufstehen, weil die Kleine Hunger hatte", sagt Lisa (16). "Eigentlich lief es ganz gut. Wir hatten nur ein paar Probleme mit dem Akku, das war ein bisschen doof." Währenddessen schaukelt sie ihre "Angel" hin und her. Vier Tage und drei Nächte hat sie als Teilnehmerin eines Projektes der Stadt Dinslaken auf einen Babysimulator aufgepasst, musste wickeln, füttern, beruhigen. "Ich wollte einfach wissen, wie es ist, ein Baby zu haben." Und? "Kinder? Auf jeden Fall. Aber jetzt? Zu 100 Prozent: Nein!" Unterstützung gab es vor allem von ihrer Mutter, Lisas Freund dagegen war eher zurückhaltend.
Die Babysimulatoren werden vorprogrammiert
"Die Babys werden vorprogrammiert - von normal bis sehr aktiv - und müssen dementsprechend versorgt werden", erklärt Projektleiterin Swantje Ulrich. Sowohl Baby als auch Teilnehmerin tragen Chips, die alle Daten aufzeichnen, sodass diese später - in einem Abschlussgespräch - ausgewertet werden können. "Die Babysimulatoren - geschätzt vier, fünf Monate alt - verhalten sich dabei so realitätsnah wie möglich, damit die Teilnehmerinnen auch einen guten Eindruck bekommen." Es gibt sogar ein Baby, das Entzugserscheinungen nach Drogen- und Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft simuliert. Zudem ein Baby, an dem aufgezeigt werden kann, welche schlimmen bis tödlichen Folgen ein Schütteltrauma nach sich ziehen kann.
"Ich habe im letzten Jahr schon teilgenommen und fand es total schön, das kennenzulernen", sagt Jennifer. Diesmal wollte die 16-Jährige nicht nur sich, sondern auch ihren Freund auf die Probe stellen. "Er hat eigentlich gut reagiert, sich gekümmert und auch mal gewickelt und gefüttert." Trotzdem möchte sie noch warten, bis sie selber Nachwuchs bekommt. Erst einmal steht eine Ausbildung an, auch wenn sie noch nicht genau weiß, was sie machen möchte. "Vielleicht mit 25."
Erst einmal um die berufliche Zukunft kümmern
Auch bei Sultana lief es "eigentlich ganz gut". Nur die letzte Nacht war etwas unruhig, ihr Baby ließ sich nur schwer beruhigen - "obwohl ich ihn gefüttert und gewickelt habe". Zum Glück hat ihre Mama, selber gerade schwanger, geholfen. "Sie hat gesagt, dass ich das sehr gut mache." Aber auch, dass der Babysimulator zu viel geweint hätte. Nach ihrem Abschluss möchte sich Sultana erst einmal um ihre berufliche Zukunft kümmern. "Ich würde gern Ärztin werden."
So sehr sich die Mädchen auch darauf freuen, "endlich wieder ausschlafen" zu können, so schwer fällt es ihnen dann doch, "ihr" Baby nach vier Tagen wieder abgeben zu müssen. "Man hat sich halt daran gewöhnt", sagen Jennifer und Lisa unisono. Und: "Irgendwie ist es einem ja doch ans Herz gewachsen."
DAS PROJEKT
- Das Projekt "Babysimulator" der Stadt Dinslaken wird bereits zum dritten Mal an der Friedrich-Althoff-Schule durchgeführt. Angefragt wurden alle Schulen, aber nur die FAS hat das Angebot angenommen.
- Zielgruppen sind die Klassen 8 und 9. Angesprochen sind sowohl Mädchen als auch Jungen, wobei bisher nur Mädchen teilgenommen haben. Projektleiterin Swantje Ulrich spricht von der "klassischen Rollenverteilung".
- Ziel des Projektes ist es, aufzuklären und zu beraten und die Teilnehmerinnen dafür zu sensibilisieren, wie es wäre, tatsächlich ein Baby zu haben.
- Im Rahmen des Projektes werden außerdem Themen besprochen wie Sexualität, Verhütung, Lebensplanung oder anfallende Kosten für ein Baby.
- Ob das Projekt auch nach dem Auslaufen der FAS weiter besteht, bleibt abzuwarten.
Autor:Lisa Peltzer aus Oberhausen |
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