Beraten, begleiten, unterstützen: Die Arbeiterwohlfahrt in Dinslaken, Voerde, Hünxe bietet Startchancen vor Ort
Ein Problem kommt selten allein. Silke Liß von der hiesigen Arbeiterwohlfahrt (AWO) weiß, wovon sie spricht. Arbeitslosigkeit, Stress mit dem Partner, Überforderung, fehlende soziale Kontakte, drohende Wohnungslosigkeit – eine Liste ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Und Silke Liß hilft. Genau wie ihre Kolleginnen Barbara Schwanitz, Liz van Schyndel und Lucia von Harten.
Sie bilden das Team der „Startchancen“ an vier Standorten im Kreis. Seit 13 Jahren bietet der AWO Kreisverband Wesel die „Startchancen“ an. Dahinter verbergen sich unbürokratische und kostenlose Hilfen für schwangere Frauen sowie Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern, die nicht älter als drei Jahre sind.
„Beraten, begleiten, unterstützen“ bringen Silke Liß und Barbara Schwanitz ihre Aufgaben auf den Punkt. Und zwar in allen Lebenslagen und für alle, die Hilfe brauchen. Junge schwangere Frauen zum Beispiel, die sich fürs Kind entschieden haben, aber nicht wissen, wie es weitergeht mit Wohnung, finanzieller Unterstützung und mehr. Familien mit Kindern, die von Hartz IV leben und dringend Möbel oder Bekleidung brauchen. Das Paar, das kurz vor der Trennung steht und Infos zum Umgangsrecht braucht. Die allein erziehende Mutter, die mit zwei Kleinkindern und dem Haushalt komplett überfordert ist und weder ein familiäres Netzwerk noch andere Kontakte hat. Der junge Familienvater, der Elternzeit nehmen möchte, aber keine Ahnung hat, wie das abläuft und im Übrigen auch nicht weiß, wie er es seinem Chef sagen soll.
Es besteht Schweigepflicht
Wer das Startchancen-Team jetzt für Familienhelferinnen hält, liegt falsch. Es geht darum, Menschen die Wege aufzuzeigen, wie sie ihr Leben in die Hand nehmen können. Durch Aufklärung über Hilfsangebote aller Art oder Unterstützung bei Anträgen, die gestellt werden müssen, oder durch Begleitung bei den verschiedensten Terminen. „Oft gehen wir zum Beispiel mit zum Jobcenter oder zum Stromanbieter, wenn es Probleme gibt. Das ist eine große Hilfe für die Betroffenen“, sagt Barbara Schwanitz. Ein Alleinstellungsmerkmal sind die Hausbesuche. Oder überhaupt die Besuche. Denn jeder wird dort beraten, wo er es wünscht. „Wenn jemand nicht ins Büro kommen will, treffen wir uns auch bei ihm zuhause oder im Café.“ Und: „Je länger wir die Familien kennen, desto mehr öffnen sie sich, die Themenpalette wird breiter.“
Egal, was besprochen wird, es bleibt in dem Raum, in dem die Startchancen-Mitarbeiterinnen und die Betroffenen sitzen. „Wir haben Schweigepflicht.“ Zudem ist die AWO ein unabhängiger Träger und nicht das Jugendamt, was für viele Menschen ganz wichtig sei. „Da gibt es bei vielen Müttern und Vätern immer wieder Vorbehalte.“
Viele Wege führen in die Startchancen-Büros. Die AWO im Kreis Wesel verfügt über breit gefächerte Beratungsangebote, die kooperieren und sich unterstützen. Ein Beispiel: „Die Flüchtlingsberatung der AWO verfügt über einen Dolmetscherpool und das Knowhow bei Fragen des Aufenthaltsstatus, auf die wir in der Arbeit mit geflüchteten Familien zurückgreifen können“, sagt Barbara Schwanitz.
Eine gute Vernetzung
Aber auch außerhalb des Verbandes sind die „Startchancen“ nach 13 Jahren erfolgreicher Arbeit bekannt und gut vernetzt. Jobcenter, Hebammen, Spielgruppen, Flüchtlingsinitiativen, Ärzte, Kliniken und andere melden sich, wenn sie das Gefühl haben, das Startchancen-Team kann helfen. „Ein Anruf aus einer Klinik ist keine Seltenheit“, so Barbara Schwanitz. „Sie haben eine junge Frau, die entbunden hat, jetzt entlassen werden soll, aber den Eindruck macht, sie würde dringend Hilfe brauchen.“ Und natürlich kommen auch Menschen aus eigener Initiative. Im Jahr 2017 waren das die meisten Hilfesuchenden. Etwa in die Spielgruppen in Dinslaken und Wesel. Für die Stadt Voerde bietet das Team zudem die Unterstützung einer Familienhebamme an, die im gesamten ersten Lebensjahr eines Kindes die Familie bei sozialen und medizinischen Problemen beraten und begleiten kann.
Als die AWO im Jahr 2005 die „Startchancen“ auflegte, lief die Finanzierung über die Aktion Mensch. Auf jeder Rheinseite gab es eine halbe Stelle. Nach drei Jahren lief die Förderung aus, der Kreis übernahm sie im Rahmen der Gesundheitshilfe. Die AWO konnte auf vier halbe Stellen aufstocken, zwei auf jeder Rheinseite. Trotz zahlreicher Proteste war der Kreis nicht bereit, die vollen tariflichen Gehälter für die Mitarbeiterinnen zu refinanzieren, sodass die Bürger aus den Städten wie Neukirchen-Vluyn, Xanten, Sonsbeck, Hamminkeln, Alpen und Schermbeck das Angebot ab 2019 nicht mehr nutzen können. Aber was passiert ab 1. Januar 2019 in diesen Kommunen? Silke Liß und Barbara Schwanitz können bei ihren Terminen und Besuchen auch niemandem sagen, wie es weitergeht. Mit den Städten Dinslaken, Voerde, Wesel, Moers und Rheinberg hat die AWO separate Verträge abgeschlossen, sodass die Standorte gesichert sind.
Der Bedarf ist da. Im Jahr 2016 wurden 251 Familien betreut, im vergangenen Jahr 284. Die Zahlen steigen seit Jahren, die Wartezeiten allerdings auch. „Gerade in Dinslaken dauert es vier bis sechs Wochen bis ich einen Termin vergeben kann“, sagt Silke Liß. Natürlich achten sie und ihre Kolleginnen darauf, dass dringende Fälle sofort an die Reihe kommen. Sie wünscht sich, dass gerade in Dinslaken die Zahl der Stunden aufgestockt würde. „Wir leisten Präventionsarbeit. Leider lässt sich bei dieser Art von Arbeit nicht beziffern, wie hoch der Spareffekt für die Jugend- und Gesundheitshilfe ist.“
Die AWO-Startchancen vor Ort sind für Dinslaken, Voerde, Hünxe, Hamminkeln und Schermbeck zuständig.
Ansprechpartnerin ist Silke Liß, Hünxer Straße 37, Tel. 02064-6218-15, d.startchancen@awo-kv-wesel.de.
Autor:Lokalkompass Dinslaken-Voerde-Hünxe aus Dinslaken |
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