Voerde: Almdudler mit & ohne Kandidat

Gehen jetzt doch ohne gemeinsamen Bürgermeister-Kandidaten in die Voerder Kommunalwahl: (l. v.l.) Udo Golz (Linke), Ulli Lütke (Grüne), Joachim Kinder (Linke) und Martin Kuster (WGV / Wählergemeinschaft Voerde).
  • Gehen jetzt doch ohne gemeinsamen Bürgermeister-Kandidaten in die Voerder Kommunalwahl: (l. v.l.) Udo Golz (Linke), Ulli Lütke (Grüne), Joachim Kinder (Linke) und Martin Kuster (WGV / Wählergemeinschaft Voerde).
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Freitagnachmittags sind Rathäuser in der Regel dunkel, kalt und leer.

Da ist auch das Rathaus in Voerde keine Ausnahme. Außer dem Hausmeister (der eigentlich schon längst Feierabend hatte) und vier leicht frustriert wirkenden Herren der kleinen Oppositionsparteien im Voerder Stadtrat fanden sich auch drei Pressevertreter im ersten Stock zur Verkündung des bundesweit ersten gemeinsamen Bürgermeister-Kandidaten von Grünen, Linken und WGV.

Frischluft ist ebenfalls ein seltenes Gut in einem Gemeinschaftsfraktionszimmer älterer Herren mit Klimaanlage (für das Zimmer). Auch das Getränkeangebot (Almdudler ohne und Almradler mit) hätte keinen wirklich vom Hocker gerissen. Kurz: Die Stimmung war gedeckt und man ahnte schon, dass - Überraschung! - kein Kandidat mehr aus dem Aktenschrank springen würde. Den gequält lächelnden Gesichtern konnte man die emotional sicherlich aufwühlend wilde Woche ansehen, die hinter den Grünen, den Linken und der WGV lag.

Fünf „ernstzunehmende Kandidaten, darunter auch eine Frau“, hatten sich schriftlich beworben und davon waren auch vier für gut befunden worden. Diese hatten dann auch noch einer 12-köpfigen Jury„vorgetanzt“. In die jede der drei Parteien jeweils vier Vertreter geschickt hatte. Bewertungsbögen, wie bei großen Unternehmen im Personalbereich üblich, sollten die einzelnen Qualifikationen der Bewerber vergleichbar machen. Und so einigte sich die Jury auf zwei Kandidaten, die sie ihren Mitgliedern vorstellen wollte. Jeder der beiden Finalisten hätte den Bürgermeister-Kandidaten der großen Parteien, SPD und CDU „Paroli bieten“ können, erläuterte Martin Kuster (WGV).

Ein Favorit kommt abhanden

Bis dahin war ja auch alles „super gelaufen“. Die Jury wollte ihren Mitgliedern auch einen Favoriten benennen: Denn einer der beiden Kandidaten, ein 59-jähriger Bundesbeamter aus einer Voerder Nachbargemeinde, gefiel allen besonders gut: Verwaltungserfahrung und Charisma.

Jetzt ging es nur noch darum, die beiden Kandidaten den eigenen Partei-Mitgliedern in einer gemeinsamen Mitgliederversammlung (allein das ist für sich gesehen ja schon historisch) vorzustellen. Damit diese sich für einen von beiden entscheiden konnten.

Warum letztendlich der 59-jährige Bundesbeamte nur Minuten vor der Mitgliederversammlung Panik bekommen hatte und abgesprungen ist, wußte Martin Kuster auch drei Tage später nicht so richtig einzuschätzen. Er hatte nach der plötzlichen E-Mail-Absage noch 20 Minuten auf den Bundesbeamten per Smartphone eingeredet. Konnte ihn aber nicht umstimmen. Irritiert war Kuster allerdings schon von dessen Frage, wieviel Zeit denn für die Kandidatur aufgewendet werden müsse? Wahrscheinlich war dem Beamten zuvor nicht klar, dass Wahlkampf in der Regel nach 17 Uhr und am Wochenende stattfindet.

Egal, schließlich gab es da ja auch noch einen zweiten Kandidaten. Und der stellte sich auch den Mitgliedern aller beteiligten Parteien. Ein kommunalpolitisch durchaus erfahrener Mann, der seine Erfahrungen allerdings nicht in einer der drei nun hier versammelten Parteien gemacht hatte.

Im Gegenteil, den meisten war er als jemand bekannt, der seinerzeit für die Verlegung der Sportstätten in Voerde gestimmt hatte. So wie es die GroKo (Große Koalition) aus CDU und SPD dann auch durchgezogen hatte. Da es ihm dann nicht überzeugend gelang, nun zu erklären, warum er jetzt für die Oppositionsparteien in den Wahlkampf ziehen wolle, lehnte die Mehrheit ihn als gemeinsamen Bürgermeister-Kandidaten ab.

Sofort Anrufe von SPD und CDU

Dass sowohl die CDU-Bürgermeister-Kandidatin Simone Kaspar als auch SPD-Kandidat Dirk Haarmann unmittelbar danach bei den kleinen Parteien angerufen haben sollen, ob sie denn nun, wo es keinen eigenen Bürgermeister-Kandidaten gäbe, mit ihrer Unterstützung rechnen könnten, ist zumindest ein schöner Schlussgag.
Natürlich konnten die Klein-Parteien das noch nicht beantworten. Denn sie müssen jetzt alle wieder alleine erstmal ausführlich beraten und alles aufarbeiten, bevor sie eventuell eine Wahlempfehlung geben.

Voerde sucht den Super-Kandidaten

Denn gefallen hat allen die „Voerde sucht den Super-Bürgermeister-Kandidaten“-Show schon sehr. In der Jury sitzen und jemanden für gut oder schlecht befinden, ohne dass man selbst in den Ring muss... „Das schweißt zusammen. Man hat doch einige Möglichkeiten der politischen Gestaltung, wenn man gemeinsam handelt.“
Das darf jetzt aber nicht gleich wieder vorbei sein, nur weil beim ersten Versuch kein gemeinsamer Bürgermeister-Kandidat gefunden wurde.

Was ja, wenn man sich an die Worte von Joachim Kinder (Linke) erinnert, auch von Anfang an durchaus eine Option des Experimentes „Gemeinsam gegen die GroKo aus CDU und SPD“ gewesen war. Und so ist auch das gemeinsame Fazit der vier Herren versöhnlich und wohl in etwa so zu verstehen: Oppositionsgruppendynamisch war es ein voller Erfolg. Auch ohne Kandidat!

Dass der Hausmeister inzwischen die gesamte Pressekonferenz eingeschlossen hatte und alle erst noch gemeinsam zu einem Notschlüssel den passenden Ausgang finden mussten, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt. (Solche Erfahrung schweißen ja auch irgendwie zusammen und man fühlt sich echt gut, wenn man dann endlich draußen ist. Und schön, dass wir mal drüber gesprochen haben). Leo, hilf!

Autor:

Caro Dai aus Essen-Werden

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