Koffer packen - Gegen Vergessen
Üblicherweise kommen Kinder erst in weiterführenden Schulen in Kontakt mit Deutschlands politischer Vergangenheit, die ganz Europa in einen verheerenden Krieg stürzte und besonders jüdischen Mitbürger in die Vernichtung trieb.
Die Moltkeschule in Barmingholten geht neue Wege im Umgang mit der Nazizeit. Es ist keine leichte Aufgabe, Grundschulkinder mit diesem ungeheuerlichen Zeitgeist in Berührung zu bringen. Und Beispiele zu finden, die verstanden werden, ohne zu verschrecken oder zu verharmlosen.
Neun Viertklässler erforschen jeden Montag für eine Stunde mit ihrer Lehrerin Dörthe Beckmann das Leben in Deutschland unter Hitler. Sie befragen ihre Urgroßeltern und ältere Bekannte, die diese Zeit noch erlebt haben, sammeln Fotos und Erinnerungsstücke. Und packen damit Koffer, die sie am Ende des Projektes im Dachstudio der Stadtbibliothek am 31. Mai 2014 präsentieren wollen.
Unter den Koffern ist auch ein echter Fluchtkoffer. Krieg, Flucht, Vertreibung und Tod für heutige Kinder schwer zu verstehen und jede Generation muss ihren Weg finden, um eine Wiederholung zu verhindern. Auch die Moltkeschule stand im letzten Krieg unter schwerem Bombardement. Der Schul-Bunker wurde getroffen und Menschen starben. Damals überlebende Kinder, die heute achtzig bis neunzig Jahre alt sind, könnten den Kindern aus dem Jahr 2014 noch aus eigenem Erleben davon berichten.
Fotos und Feldpostkarten von der Front
Dokumentiert werden soll das Projekt von Adnan Köse, der auch schon – wie berichtet lokalkompass.de/267212 das Leben eines überlebenden jüdischen Jungen aus Dinslaken filmdokumentarisch festgehalten hat: Der damals zehnjährige Fred Spiegel überlebte die Deportation ins Konzentrationslager nur, weil er, schon im Waggon, von der Roten Armee im letzten Moment befreit wurde.
Fotos und Feldpostkarten von der Front
Die Kinder haben schon Fotos und Feld-Postkarten aus dem 2. Weltkrieg von zuhause mit in die Schule gebracht. Ihre Oma- und Uroma-Generation hat als Kinder den Krieg an der „Heimatfront“ erlebt. Den Ur-Opa in Uniform kennen die Kinder oft nur aus Erzählungen. Die Eltern wissen selbst kaum etwas aus dieser Zeit. Weil darüber auch nicht oft gesprochen wurde. Die Schule sucht weitere Zeitzeugen. „Ich weiß nur, dass die Juden dachten, sie sollen duschen und dann kam Gas statt Wasser. Und sie starben.“, erklärt ein Zehnjähriger.
Es hatten sich übrigens mehr Kinder für das Projekt gemeldet als es Platz in der Gruppe gab. Viel mehr.
Geplant für alle: Besuch im Heimatmuseum Voswinckelshof zur ständigen Ausstellung über das jüdische Leben in Dinslaken. Und eine Führung mit Anne Prior zu den „Stolpersteinen“. Die im Straßenpflaster an jüdische Mitbürger erinnern, die einst hier lebten.
Die Stadt Dinslaken fördert im Rahmen eines von der Bundesregierung initiierten und bezahlten Projektes auch die Moltkeschul-Initiative.
Anträge können beim Städtischen Beauftragten Holger Mrosek (Tel. 02064-6611215, email: holger.mrosek@dinslaken.de) gestellt werden.
Patin für "Koffer packen - Gegen Vergessen“, das mit 2750 Euro gefördert wird, ist Grünen-Ratsfrau Lilo Wallerich.
Bei ihr können sich auch bitte Zeitzeugen unter Telefon: 02064-96911 melden. Oder direkt bei der Moltkeschule während der Schulstunden (Telefon: 02064-827679).
Weitere Infos und Berichte zu Jüdischem Leben oder dem jüdischen Waisenhaus in Dinslaken.
Autor:Caro Dai aus Essen-Werden |
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