Kandidat privat 2013: Es wird wieder spannend...
Wahlkreis 113 / Wesel I. Im Wahlkreis Wesel I kämpfen Dinslakens Ex-Bürgermeisterin Weiss und Staatssekretär Krüger um das Berliner Mandat.
Schon eine besondere Ehre, wenn die Zeitschrift „Cicero“ (Hg. Jacob Augstein / Autor Stefan Laurin) unter allen Wahlkreis-Porträts eines Sonderhefts diesen als besonders spannend heraushebt: „Tief im Westen, im niederrheinischen Teil des Ruhrgebietes, eroberte Sabine Weiss von der CDU schon zwei SPD-Hochburgen: 1999 wurde sie in Dinslaken Bürgermeisterin. 2009, bei der Bundestagwahl (...) nach 44 sozialdemokratischen Jahren den Wahlkreis Wesel I., (...) seitdem ist das Rathaus in Dinslaken wieder rot.“. Mit nur 351 Stimmen Vorsprung Weiss wars damals denkbar knapp. Und es wird in diesem Jahr nicht weniger spannend.
Zehn Jahre war die aus dem Problemort Hamborn stammende Rechtsanwältin zuvor Bürgermeisterin in Dinslaken. Und ist noch immer so beliebt, dass viele Dinslakener sich mit ihren Sorgen und Problemen in Berlin an sie wenden. Wir treffen Sabine Weiss beim Brunch in Dinslaken, wo sie bei engen Freunden eine gemütliche Dachgeschoss-Wohnung gemietet hat. Selbstgemachte Marmelade, Leinöl-Quark mit frischen Kräutern und - warme Brötchen. Im Wintergarten. Bei herrlichem Wetter.
Es ist viel passiert - auch in Berlin
Viel ist passiert seit unserem letzten „Kandidat privat“-Porträt vor ihrer Wahl: Ihr Lebensweg (nicht nur für eine CDU-Frau außergewöhnlich) hebt sie aus der Menge typischer Provinzpolitiker heraus. Wahrscheinlich wissen viele gar nicht, dass sie CDU ist !
In die bundespolitischen Charts kam „die Weiss“ zuletzt 2012, als sie unter einem Dutzend CDU-MdBs die steuerliche Gleichstellung homosexueller Paare forderte. Und gehört damit eher zum „linken, zum progressiven Flügel“ der CDU. Für Minderheiten oder Schutzbedürftige hat sich Sabine Weiss schon immer engagiert. Vielleicht weil sie weiß, wie das ist, wenn man Hilfe braucht. Aber keiner mehr da ist, der hilft:
Mit 16 Jahren verlor das Mädchen den Vater. Und die Mutter leitete das Familienkaufhaus in Hamborn (übrigens bis ins hohe Alter) alleine weiter.
Sabine, ihr 14-jährige Bruder und ihre Zwillingsschwester mussten von heute auf morgen selbstständig werden. Alle sollten und alle haben Abitur gemacht, darauf bestand die Mutter. Ihre Kinder sollten auf eigenen Füssen stehen, egal was kommt. Sabine studierte Jura. Arbeitete in einer Essener Obdachlosen-Siedlung. Und verteidigte frisch von der Uni als junge Anwältin für die Kölner Caritas fünf philippinische Mädchen. Die von Menschenhändlern nach Deutschland in die Ausbeutung verschleppt werden sollten. Zurück zuhause wären die Mädchen sofort wieder in die Hände ihrer Peiniger gefallen. Daher blieb nicht viel als Bleiberecht für die Mädchen erstreiten. Bis Verwandten auf den Philippinen gefunden waren. Aus der von Sabine Weiss erwarteten Verfahrensdauer von 2 bis 3 Wochen wurden in der deutschen Justiz aber drei Jahre.
Und sie brachte es einfach nicht übers Herz, die Mädchen in ein Heim abzuschieben. Zwei konnten zurück zu ihren Familien. Für die anderen drei konnte Sabine eine Grundausbildung zu Krankenschwestern ermöglichen. Und ein Mädchen war so begabt, dass Sabine Weiss persönlich ihr die Ausbildung zur Zahnärztin finanzierte. Marylin behandelt heute in ihrer Praxis in Pangasian (Philippinen) die Armen umsonst. Sabine ist mindesten einmal im Jahr dort, um zu schauen, was aus den Spenden ihres 1992 gegründeten Vereins „Pangasinan e.V.“ geworden ist. Weit über 400.000 Euro konnten in zwei Jahrzehnten gesammelt werden, eine Schule, Wohnhäuser mit Strom und Wasser und ein Krankenhaus sind entstanden. Und manches Mädchen muß nicht mehr nach Europa, um sich für Geld zu verkaufen.
Es überrascht nicht, welche Ämter diese Sabine Weiss im Bundestag innehat: Sie ist Stv. Vorsitzende im Unterausschuss Gesundheit in Entwicklungsländern und Mitglied im Petitionsausschuss, im Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie im Unterausschuss des Auswärtigen „Zivile Krisenprävention und vernetzte Sicherheit“. Als Sabine Weiss in der letzten Legislatur sogar einmal auch „ihr zweites Heimatland“ auf den Philippinen als offizielle Vertreterin der Bundesrepublik mit anderen MdBs besuchte, war der Stolz dort riesengroß.
Keine 0815-Rede als Bundestag-Start
Karin und Siegfried Christophel erzählen mit „ihrer“ Kandidatin und Mieterin in der Mitte von deren erster Rede im Bundestag, sie saßen auf der Besucher-Tribüne: „Das war keine 0815-Ansprache (man kann sie auf der Homepage des Bundestages noch anklicken), da ging richtig ein Raunen durch den Saal.“ Solche Komplimente sind Sabine Weiss fast ein bisschen peinlich. Sie erdet die Situation lachend und beantwortet auch die privateste Frage: „Nein, es gibt immer noch keine heimliche Beziehung in Berlin - Politik ist oft ein einsames Geschäft. Gottseidank habe ich einige wirklich gute Freunde, so wie Karin und Siegfried, die mir den Rücken stärken.“
Kurz vor dem letzten Brötchen etwas scheinheilig „nebenbei“ von mir die Frage: Wie denn die Kanzlerin so im Alltag wäre, es heißt ja, sie wäre bei ausgeschalteten Scheinwerfern völlig anders?
Die Antwort: „Ich kenne wohl niemanden, der in seiner Zeitplanung so fremdbestimmt ist wie Angela Merkel. Das kann sich ein normaler Mensch gar nicht wirklich vorstellen. Auf Jahre hin optional verplant zu sein. Das funktioniert nur in engster Absprache mit allen Beteiligten. Wir sehen sie regelmäßig auf den Fraktionssitzungen und man kann das nur bewundern: Sie ist immer bestens vorbereitet. Wenn man dann ein Anliegen hat, muss man es mindestens ebenso gut sein. Das spornt an und man ist sich dadurch immer seiner Verantwortung bewußt.“. Sagt ausgerechnet Sabine Weiss und ihr folgender Satz dazu beschreibt jedenfalls sie selbst sehr genau: „Sie setzt durch ihren Politikstil unaufdringlich Maßstäbe, indem sie es persönlich vorlebt.“.
Autor:Caro Dai aus Essen-Werden |
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