Heidinger vorm Kamin gegrillt: Blutrot - medium - durch?
Feurige Kaminflammen zaubern immer gute Stimmung. Und das golden flackernde Licht glich eventuelle Sorgenfalten des Dinslakener Stadtspitzen-Trios sanft aus. Bürgermeister Dr. Michael
Heidinger und seine beiden ungleichen Dezernenten, Erste Beigeordnete Christa Jahnke-Horstmann (Schule, Jugend, Soziales, Ordnung und Kultur/ wie der Chef SPD) und der Technische Dezernent sowie Kämmerer Dr. Thomas Palotz (Finanzen, Bauen, Stadtplanung /CDU) waren bereit, sich in holzig-rauchiger Atmosphäre auch ein bisschen von der geladenen Presse rösten zu lassen.
Doch die Blau-Weiß-Kneipe sah keinen US-Vorwahlkampf. Kämmerer Palotz nach einer halben Stunde vorm Kamin zu einem konservativen Journalisten gemütlich: „So, jetzt bin ich auf der einen Seite durch.“
Nicht barmherzig-loderndes Kaminfeuer heizt den Dreien von der Stadtspitze ordentlich ein: 2012 wird ein heißes Jahr für diese Stadt. Durch den bevorstehenden Hertie-Abriss und Bau der Neutor-Galerie werden bis Ende 2013 rund 500 Parkplätze wegfallen! Und die betroffene Geschäftswelt ist natürlich „not amused“.
Auch wenn die Neutor-Galerie von Investor Hellmich sehnlichst als neuer „Einkaufsmagnet in der Innenstadt“ vom Mitbewerb noch erwartet wird, ist der Weg dorthin erstmal steinig.
Gutes Baustellen-Management ist gefragt, das die Sorgen der Betroffenen ernst nimmt und auch konkrete Hilfen bietet. „Die Innenstadt darf während der Bauzeit nicht in ein Loch fallen“, so auch Heidinger. Und danach?
Man sei mit allen Werbegemeinschaften im Gespräch und erste Ideen wären schon eingebracht, so Palotz und der Bürgermeister. Aus der Not soll eine Tugend gemacht und die Chance genutzt werden, Dinslaken als ? (genau!) Fahrrad-Stadt aufzuwerten.
So sei z.B. ein Fahrrad-Verleih mit Anhängern oder E-Bikes denkbar, um die Menschen mit dem Rad zum Einkaufen in die Stadt zu locken. Auch bewachte Zelte zum Abstellen wurden „angedacht“.
Der Bürgermeister hat erste Gespräche mit Aldi geführt, um dort die Parkplätze für Kunden anderer Geschäfte zugänglich zu machen. Und auch Schul-Parkplätze der Schulen könnten geöffnet werden, samstags, wenn die Lehrer zuhause parken.
„Es wird ein ganzes Bündel an Maßnahmen nötig sein. Vielleicht auch ein Shuttle-Service in die Innenstadt von etwas weiter gelegenen Parkmöglicheiten.“, so Heidingers nahegelegene Idee. Was von Kämmerer Palotz – wie sich´s gehört aus Kostengründen - aber gern vermieden würde.
Thomas Palotz betonte hier auch die Aufgabe des neuen City-Managements (nicht zu verwechseln mit dem Stadtmarketing-Verein aus Geschäftsleuten), dessen Büro an der Saarstraße zur Ideen-Annahme gut genutzt würde:
„Die Beschäftigten dort haben schon über 600 Ideen und Anregungen aus der Bevölkerung zur Innenstadt-Erneuerung entgegengenommen.“ Und wollen „die Bürger“ auch künftig gar durch begleitende Veranstaltungen „einbinden“.
Das neue CityManagement solle sich positiv auswirken. Denn es gehe schließlich um die Aufwertung des gesamten Umfeldes in der Innenstadt. Auf den Einwand, dass vom teuren City-Management bisher noch nicht viel zu bemerken wäre, man auch hier am Kamin durch Abwesenheit glänze, versprach der Baudezernent bald „sichtbare Erfolge“. Zu denen u.a. auch, genau: Die Fassaden-Neugestaltung der Stadtbibliothek gehöre...
Private Aktivitäten
Man erhoffte sich vorm Kamin davon ebenso, dass dieser Funke des Neubeginns auch private Aktivitäten in Sachen Renovierung und Verschönerung auslösen wird. Beratung und auch einige Fördermittel dazu können über das City-Management angefragt werden. Auch werde weiter an der Barrierefreiheit in der Stadt gearbeitet. So wird, erneut laut Palotz, auch das leidige Problem mit der behinderten-ungerechten Altmarkt-Toilette bis zum Fantastival-Sommer gelöst sein.
Die neue behindertengerechte Toilette soll bei der Erneuerung der gesamten Toilettenanlage am Burgtheater miteingebaut werden. (Die „konkrete bauliche Lösung“ – es geht um ein Klo, aber eins mit zwei Eingängen - werde derzeit u.a. in Absprache mit Denkmalschutz und Burgtheater-Pächter Springer „erarbeitet“. Wahrscheinlich ein genialer, aber behutsamer Mauer-Durchbruch, der auch den schnellen Zugang von Außen zur Toilette ermöglicht. Im Sommer: Zwei Fliegen mit einer Klappe).
Eine gute Vorlage für Bürgermeister Heidinger, am Kamin aktuelle Ziele zu benennen: „2012 wird eine Phase der Umsetzung sein.“. Nachdem die Weichen in 2010 und 2011 gestellt worden seien: So könne u.a. durch die Neuordnung der Verwaltung in Fachbereiche (statt Ämter) mit klaren Aufgaben und Zielen und durch die seit März 2011 wieder komplett besetzte Stadtspitze mit den neuen Dezernenten auf dieser Basis losgelegt werden.
Dass bei der allgemeinen prekären Finanzlage nicht nach Schema F oder per Rasenmäher-Schnitt gespart, sondern gezielt und intelligent auch in die Zukunft investiert werden müsse, war für die Drei am Schornstein selbstverständlich. Die Bestandsaufnahme z.B. bei den städtischen Immobilien habe einen großen Sanierungsbedarf auf allen Ebenen ergeben.
Darunter ein erheblicher Renovierungsstau in den Schulen und Kindergärten, wie allen Eltern und Lehrern seit Jahren bekannt, jetzt auch amtlich. Hier soll, wenn „die Politik“ (gemeint: der Rat) zustimmt, bald auch eine städtische Sanierungs-Gesellschaft gegründet werden, die den Stau nach und nach abarbeitet.
Durch eine neuerdings so genannte „funktionale Vergabe“ (auftragnehmende Firma muss – bequem für die Verwaltung - zeitliches und finanzielles Risiko übernehmen und garantiert „schlüsselfertige Übergabe“) sollen „Einspar-Potentiale genutzt werden.“ So Palotz, der trotz der damit ja für den Auftragnehmer verbundenen höheren Einnahmen und Finanzierungskosten anderswo gute Erfahrungen gemacht haben will. Für die Verwaltung.
Nicht kaputtsparen
Sparen ja, aber nicht blind, sondern unter Berücksichtigung der Bevölkerungs-Entwicklung auch der nächsten 20 bis 30 Jahre. Stichwort: Mehrfachnutzung. „Warum sollte eine Schule kein Familienzentrum sein? Und allen Generationen zur Verfügung stehen?“ so Christa Jahnke-Horstmann über den Mehrzweck-Gedanken aus den 60er Jahren. Zunächst werde aber wohl der Bedarf an Ganztags-Betreuung an den Schulen wachsen. Derzeit können etwa 1.200 Kinder ein Mittagessen dabei erhalten.
Die gesetzliche Pflichtaufgabe der Stadt, bis 2013 für erstmal nur 35% der unter Dreijährigen einen Betreuungs-Platz zu schaffen, werde in der verbleibenden Zeit amtlich nicht einmal erfüllt. Auch wenn die Stadt dies „tapfer angehe“ und 9 Millionen in den Haushalt eingestellt habe. (Das derzeitige Angebot reicht gerade mal für 18% der U3-Jährigen, das ist nur die Hälfte.).
Eine weitere Hiobsbotschaft macht es der Stadt nicht einfacher, ihre gesetzliche Pflicht auch nur ansatzweise zu erfüllen: Die Fördermittel werden deutlich geringer ausfallen als geplant. Auch der Tagesmütter-Bedarf könne längst nicht gedeckt werden. Hier will die Stadt jetzt „verstärkt aktiv werden“ und „Anreize schaffen“.
Stadt der Bildung
Zudem gilt es natürlich, Jahnke-Horstmanns Lieblings-Baby „Sekundarschule“ zu schaukeln. (Wir berichteten im NA. sh. a. Lokalkompass.de / Dinslaken / +Sekundarschule). Seit Amtsantritt arbeitet die Dezernentin mit ihrem Fachbereich daran. Hier seien die Weichen gestellt und das verträgliche Auslaufen der anderen Schulformen im Detail mit Schülern, Lehrern, Eltern über die nächsten fünf Jahre gesichert.
Am Herzen liegt ihr hier das Thema „Inklusion“, so benannt das Miteinander von gehandicapten und normalen Kindern, auch schon im Kindergarten. Und ein weiteres großes trauriges Thema: Dins-laken musste bei der „Hilfe zur Erziehung“ rund eine Million Euro mehr ausgeben als eingeplant. Zunehmende Härtefälle spiegeln auch in dieser Stadt das sich verschlechternde soziale Klima wider.
Hier wies der Bürgermeister glutvoll zur Entlastung erneut auf eines der bekannten Grundprobleme der Kommunen hin: Vom Bund aus Berlin werden immer mehr Pflichtaufgaben und Kosten nach unten in die Gemeinden weiter geleitet ohne entsprechende Finanzierungshilfen mitzugeben. Womit deren finanzielle Selbstbestimmung praktisch ausgehebelt werde.
Trotzdem war sich die Stadt-Spitze einig, dass 2012 für Dinslaken ein gutes Jahr und viel bewegt werden kann. Worauf auch der städtische Presse-Beauftragte ein Zeichen setzte, er warf noch ein Scheit Holz ins Feuer. Das war mit drin und kostete nicht extra.
(Erschienen im Niederrhein Anzeiger KW 05 / 12)
Autor:Caro Dai aus Essen-Werden |
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