Der Pfadfinder: „Macht Platz für Jüngere!“ – im Rat Dinslaken und in den Kirchengemeinden
CDU-intern - NA dokumentiert:
Stadtrat Wolfgang Krüssmanns „letztes Glas im Stehn“:
Schon als Junge hat Wolfgang Krüssmann als Pfadfinder im Sinne des Wortes „immer mindestens einen Weg gefunden“, als Verwaltungschef der Katholischen Kirche gern auch ungewöhnliche. So auch mit seiner vielbeachteten „Abschiedsrede“ am Tag nach Altweiber, in der er anekdotenreich und treffsicher eine Bilanz seines Engagements zog. Und seinen Abschied aus dem Rat mitteilte. Mit seiner Erlaubnis druckt der NA sie jetzt hier in Auszügen auch für Nicht-CDU-Mitglieder ab (wesentliche Passagen finden sich ungekürzt auf lokalkompass.de /Dinslaken/ Politik):
„Liebe Partei-Freundinnen und Partei-Freunde! (Ich hoffe, ich trete mit dieser Anrede niemandem zu nahe, aber ich fühle mich den meisten von Euch freund-schaftlich verbunden.Versteht diese Anrede also bitte nicht als Steigerung des Begriffes Feind – Tod-Feind – Partei-Freund.)
Ich arbeite seit ca. 14 Jahren in der CDU-Fraktion mit und gehöre seit 12,5 Jahren dem Rat der Stadt Dinslaken an. Ich werde in diesem Jahr meinen 60. Geburtstag feiern und bin der Meinung: Es wird Zeit für mich zu gehen. Was ich noch zu sagen hätte, dauert etwas länger als eine Zigarette und das letzte Glas im Steh`n.
In einigen Tagen werde ich mein Ratsmandat zurückgeben und – wenn die Fraktion es wünscht – in das zweite oder dritte Glied zurück treten, d.h. ich kann mir in der nächsten Zeit eine weitere Zusammenarbeit mit Euch als Fachkundiger oder Sachkundiger Bürger in den Bereichen Jugendhilfe und Bauen & Planen vorstellen. Warum ziehe ich mich gerade jetzt zurück, wo doch alles so gut läuft? Der Volksmund sagt: „Wenn es am schönsten ist, soll man gehen.“
Seit über 30 Jahren arbeite ich bei der Katholischen Kirche mit Ehrenamtlern der jeweiligen Kirchenvorstände zusammen. Die Mehrzahl dieser Ehrenamtler sind im fortgeschrittenen Alter. Immer wieder habe ich miterleben können, wie bei einzelnen Mitarbeitern innerhalb weniger Monate die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit weggebrochen ist. Sie hatten den rechtzeitigen Absprung verpasst und wurden plötzlich für alle zur Belastung. Ihre langjährigen Verdienste um das Wohl der Kirchengemeinde waren da wie weggewischt und wurden nun überlagert von den (aktuellen) Eindrücken.
Während die Generation meiner Großeltern sich selbst ab dem 45. Lebensjahr zu den Alten zählte und sich auch entsprechend kleidete und gab, tun sich heute viele Leute schwer damit, ihr Alter zu akzeptieren. Und man läßt sich sogar stolz feiern, weil man mit 70 noch ein Kind gezeugt hat. Anstatt die Enkelkinder auf dem Schoß zu wiegen.
Ein Erlebnis, das ich niemals vergessen werde: Als ich im Alter von ca. 20 Jahren aktiver Jugendgruppenleiter bei den Pfadfindern war, bekamen wir in St. Vincentius einen neuen Küster und Hausmeister. In meinem Augen ein alter Mann. Er war 44 - ich werde in einigen Wochen 60. Ich bin in der Stufe 1, merke, dass meine Leistungsfähigkeit nachläßt. Während ich früher an einem Samstag meinen ganzen Garten auf Vordermann bringen konnte, muss ich heute nach zwei Stunden aufhören.
Wie viele von Euch mitbekommen haben, befindet sich die Katholische Kirche in einem starken Umbruch. Die Dinslakener, Walsumer und Voerder Kirchengemeinden werden 2012 oder 2013 fusioniert. Meine kirchliche Dienststelle wird 2014/15 gravierende Veränderungen erfahren. Dies alles wird viel Kraft kosten. Deshalb will und muss ich meine politische Aktivitäten kräftig zurückschrauben.
Noch einige Anmerkungen zur Zukunft der CDU-Fraktion: Ihr wisst, dass ich in der Regel kein Blatt vor den Mund nehme, so auch jetzt nicht. Die Mitarbeit im Rat und seinen Ausschüssen als Ratsmitglied oder Sachkundiger Bürger geschieht ehrenamtlich. Aber durch die Mitarbeit gelangt man nicht unbedingt zu Ehren und Anerkennung. Die Mitarbeit nimmt einen jedoch in die Verantwortung.
Anders gesagt: Wer mitarbeitet zur Befriedigung seines Egos und / oder weil er glaubt, dann vor seinen Nachbarn und Bekannten besser dazustehen, ist fehl am Platz. Die Mitarbeit im Rat und seinen Ausschüssen ist eine Führungsaufgabe. Im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten lenkt der Rat die Geschicke unserer Stadt und trägt die Verantwortung hierfür. Insbesondere vor dem Hintergrund der in den nächsten Jahren anstehenden Veränderungen in unserer Stadt stehen die Ratsmitglieder vor großen Herausforderungen. Wer nicht das notwendige Fachwissen für seine Tätigkeit mitbringt und nicht bereit ist, es zu erwerben, wer nicht bereit ist, Führung wahrzunehmen, ist fehl am Platz.
Bevor ich zum Ende komme, noch einige Worte zu allen Fraktions-Mitgliedern, die älter sind als ich. In der Bibel steht geschrieben: Wenn Du zu einem Gastmahl geladen wirst, setze Dich nicht auf die ersten Plätze. Es wäre für Dich und den Gastgeber peinlich, wenn er Dich vor aller Augen auffordern müsste, weiter unten Platz zu nehmen. Setze dich vielmehr auf die hinteren Plätze. Es wird Dir zur Ehren gereichen, wenn dann der Gastgeber kommt und Dich vor aller Augen bittet: Freund, rücke doch bitte weiter nach vorne.
Wenn ihr es also nicht übers Herz bringt, Euer Mandat aufzugeben und für Jüngere Platz zu machen, so stellt doch bitte hier und heute Eure Sprecherfunktion, Euren Ausschuss-Vorsitz zur Disposition. Es wird Euch zur Ehre gereichen, wenn der Vorsitzende und die Versammlung Euch erneut in dieser Position bestätigen. Und es erspart Euch und dem Vorsitzenden die Peinlichkeit, Euch zum Rücktritt aufzufordern.
Zum Schluss noch eine Anekdote: Vor vielen Jahren versuchte unser verstorbener Parteifreund Werner Rodermond mich für eine Mitarbeit in der CDU anzuwerben. Ich hatte auch das Glück, wenig später auf dem Sofa von Herrn Kahlert Platz nehmen zu dürfen. Nachdem ich dort im Laufe des Gesprächs mitteilte, dass ich im Falle der Mitarbeit anstreben würde, auf kurze Sicht ihrer beider Posten an mich zu ziehen, wurden alle Anwerbungs-Bemühungen für Jahre eingestellt. Dieses Erlebnis ist zwar jetzt viele Jahre her, aber einige Parallelen zu heute sind unverkennbar.
Aussagen wie: „Ich bin gebeten worden, noch weiter zu machen.“ Oder: „Wo ist denn der Nachwuchs?“ sind in meinen Augen nur Synonyme für die gleiche Angst, seinen Posten zu verlieren. Ich für meinen Teil ziehe es vor, mich nicht mit den Füßen voran aus der Fraktion heraus tragen zu lassen. Ich habe zu Beginn dieser Periode unserem Nachwuchs meine Positionen im Planungs-Ausschuss und im Aufsichtsrat der Wasserwerke zur Verfügung gestellt. Sie nehmen diese Aufgaben sicherlich anders wahr, als ich es tun würde, aber sie machen es deshalb nicht schlechter. Auch ich habe seinerzeit die Dinge anders wahrgenommen als meine Vorgänger.
Ich wünsche der CDU-Fraktion, insbesondere dem Vorsitzenden, für die Zukunft eine glückliche Hand und kluge Entscheidungen. Glück auf! (Niederrhein Anzeiger KW 11/12)
Autor:Caro Dai aus Essen-Werden |
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