Der "Geier-Jens" und das Demokratieloch
Europa-Abgeordnete aller Parteien haben es derzeit schwer, ihre gutbezahlten parlamentarischen Aufgaben daheim zu rechtfertigen.
Auch dem aus Essen stammenden SPD-Europa-Abgeordneten Jens Geier fällt es schwer, seine Rolle im EU-Parlament der so penetrant nachfragenden Provinzpresse zu erklären. Und gibt dann schlau den Ball zurück: „Die Presse (!) nimmt das Parlament ja gar nicht wahr. Es gibt immer nur Fotos von den Regierungschefs. Deswegen sei das Parlament quasi auch unsichtbar.
„Merkozy“ vordemokratisch
Das deutsch-französiche Duo Merkel und Sarkozy regiere Europa wie zu feudalen Zeiten des Wiener Kongresses (1814/1815). Geier: „Das ist vordemokratisch!“ Die vorgeschriebenen europäisch-demokratischen Wege würden nicht eingehalten. Das EU-Parlament würde zwar immer umgehend vom Präsidenten der Europäischen Kommission Baroso und dem ersten ständigen Präsidenten des Europäischen Rates Van Rompuy informiert und die bekämen dann von den Parlamentariern auch immer „einen auf den Deckel“. Aber de facto sei das Parlament machtlos. Und das obwohl ja alle Instrumente der politischen Kontrolle vorhanden seien. „So wurden die Finanzminster schon ab 2004 und danach noch ganze zwei weitere Male offiziell vom Europäischen Amt für Statistik darüber informiert, dass Griechenland falsche Zahlen angeben hätte. Doch die 27 europäischen Finanzminister hätten entschieden, dies zu ignorieren.“
Deswegen fordert Jens Geier auch mehr und nicht weniger Europa und eine politsche Kultur, in der wieder die Regeln eingehalten werden. Konkret will er, dass die Versäumnisse nach Einführung der Europäischen Währung „nun schnellstmöglich“ korrigiert werden: „Wir hätten wenigstens die nationalen Haushalte koordinieren müssen.“ Das ist Jens Geier als Haushaltsexperte sehr wichtig. Er kennt die Veröffentlichungen aller EU-Gremien, Ämter und Behörden und hat da ganz sicher auch recht. Und er hat natürlich auch immer alle parlamentarischen Wege und Formalitäten bei seinen Protesten eingehalten. Und das wohl eigenen Erwartungen gemäß mit durchschlagendem Nicht-Erfolg! Sonst wäre seine Klage über die Verhältnisse ja kaum verständlich. Die Ursachen? Die lägen „an dem Demokratieloch, das sich da immer wieder“ auftue.
Demokratieloch
Ein „Demokratieloch“ mit anscheinend so gigantischen Ausmaßen - das alle parlamentarische Energie in Nichts aufgelöst - oder was genauso frustrierend ist - sich in gewaltige Aktenberge verwandelt?
Nicht böse sein, liebe MdEu-Parlamentarier, aber genauso stellen sich das - ehrlich gesagt - viele einfache Steuerzahler in den Wahlkreis-Provinzen auch vor. Und haben genau deswegen keine gute Meinung von Europa und seiner Bürokratie. Egal ob parlamentarische oder „gouverne-mentale“ (Geier über die wahren Machtverhältnisse).
Wo war die Sondersitzung?
Nur, wo war denn die Sondersitzung des EU-Parlaments nach den sich überstürzenden griechischen Ereignissen? Der Gedanke einer Sondersitzung mit wenigstens einer Resolution - wenn schon nicht mit einem Beschluss - ist gar nicht erst aufgekommen.
Aber wann (wenn nicht jetzt) könnte, ja müsste das EU-Parlament seiner Rolle als Kontroll-Organ nachkommen? Wer, wenn nicht die gewählten parlamentarischen Vertreter aller Europäer, wären die wichtigste demokratische Stimme in diesen Schicksalstagen Europas?
Es war ein nachdenkliches MdEuP, den die veranstaltenden SPDler dann verließen. Um wenigstens noch die letzte Martini-Kirmes an historischer Viehmarkt-Stelle Dinslakens zu besuchen. Wo wird das Riesenrad im nächsten Jahr stehen und ob überhaupt?
Wehte hier nicht der vielbeschworene „Zipfel vom berühmten Mantel der Gechichte“. Den schon ganz andere gegen alle Formalien einfach ergriffen und die Welt verändert haben?
Das geht aber nicht in Flugzeugen oder im Thalys-Zugabteil Erster Klasse ab Brüssel über Köln nach Duisburg / Essen. Und auch nicht in Stadthallen. Sondern nur im EU-Parlament selbst. (Erschienen im Niederrhein Anzeiger KW 45/11 cd)
Autor:Caro Dai aus Essen-Werden |
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