Interview mit Sascha H. Wagner, der für Die Linke in den Bundestag einziehen will
"Damit wir in einer Stadt gut zusammenleben können, bedarf es finanziell gut ausgestatteter Kommunen"

Sascha H. Wagner, Kandidat der Linken im Wahlkreis 117 bei der Bundestagswahl  im September. | Foto: privat
  • Sascha H. Wagner, Kandidat der Linken im Wahlkreis 117 bei der Bundestagswahl im September.
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"LINKE will Wagner wagen", so betitelte die Oppositionspartei kürzlich eine Pressemitteilung. Darin erklärte sie, der Dinslakener Sascha Wagner solle für DIE LINKE auf den Schild gehievt werden und im September in den Bundestag einziehen. Sein Wahlkreis trägt die Nummer 117 (Oberhausen - Wesel III).

Wer ist der Mann, der die Nachfolge von Niema Movassat antreten soll, der für die Linke seit 2009 im Deutschen Bundestag sitzt und nicht erneut kandidiert? Der ehemalige langjährige Landesgeschäftsführer seiner Landespartei ist vor allem auch kommunalpolitisch verankert. Seit vielen Jahren saß der redegewandte Wagner für die Dinslakener Linken in verschiedenen Fachausschüssen. Seit 2014 ist der Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Kreistag Wesel und deren lautstarker „Oppositionsführer“. 

Sascha Wagner macht gern und oft auf sich und die Statements der Linken am Niederrhein aufmerksam. Meistens ist er der erste Politiker, der die Äußerungen seiner Konkurrent(inn)en öffentlich kommentiert.

Im Interview beantwortet er unsere Fragen bezüglich seiner Person und seiner ambitionierten Ziele.

Interview

dibo: Bitte stellen Sie sich unseren Lesern vor!
Wagner: Als Sohn eines Textilarbeiters und einer Verkäuferin wurde ich 1980 in Essen geboren, erlangte dort den Realschulabschluss und absolvierte anschließend eine Lehre als Textilmaschinenführer (Weber). Die Mitgliedschaft im pazifistischen Jugendbund war der Grund, warum ich den Kriegsdienst verweigerte und stattdessen Zivildienstleistender in der Altenpflege wurde. Nach der Zivildienstzeit arbeitete ich in verschiedenen Berufen unter anderem in der Krankenpflege, Heilerziehungspflege und an Förderschulen für Kinder mit Behinderungen. Nach meiner Tätigkeit als Mitarbeiter des hiesigen Bundestagsabgeordneten Niema Movassat (MdB, DIE LINKE), war ich persönlicher Referent des Fraktionsvorsitzenden der LINKEN Wolfgang Zimmermann (MdL) im Düsseldorfer Landtag. Ab 2012 arbeitete ich bis September letzten Jahres als Lan-desgeschäftsführer der NRW-LINKEN.

dibo: Warum sind Sie Mitglied der Linken geworden?
Wagner: Die Politik von Rot-Grün seinerzeit und die damit verbundene Hartz-IV-Problematik, sprich die Agenda 2010, waren letztlich der Auslöser für meinen Entschluss, in eine Linke Partei einzutreten. Ich empfand es (und empfinde es bis heute) als zutiefst ungerecht Menschen, die aus dem Erwerbsleben kommen nach einem Jahr in dieses restriktive Sanktionssystem zu überführen bzw. die Sozialsicherungssysteme so umzubauen das die Lebenssituation der Betroffenen massiv verschlechtert wird. Dieser massive Einschnitt in das Sozialsystem hat eine tiefe Spaltung in der Gesellschaft erzeugt. Dagegen wollte ich seinerzeit ein Zeichen setzen. Außerdem ist DIE LINKE die einzige Friedenspartei, die im Bundestag strikt gegen Auslandseinsätze gestimmt hat. Als überzeugter Pazifist, gab es daher nur eine Partei, die das glaubwürdig vertrat und bis heute vertritt.

dibo: Musste man Sie zur Kandidatur überreden?
Wagner: Nein, das war nicht nötig. Der Stadtverband Dinslaken und der Kreisverband Oberhausen arbeiten seit vielen Jahren auf Grund der Wahlkreisüberschneidung eng zusammen und ich habe ja auch früher schon für einen Teil Oberhausens kandidiert. Ich freue mich sehr, dass ich so einen breiten Rückhalt in beiden Kreisverbänden habe und einstimmig gewählt und mit Voten versehen wurde.

dibo: In welchen Sachbereichen sind Sie besser als Ihre Konkurrenten?
Wagner:  Ich kann da ehrlich gesagt wenig zu sagen, weil ich die Präsenz der amtierenden Ab-geordneten im Wahlkreis generell sehr vermisse. Ich arbeite inhaltlich auch an anderen Schwerpunkten bzw. möchte dies künftig im Bundestag tun. Mir ist es ein besonderes Anliegen, die Fragen der Kommunalpolitik (z.B. die der Aufgabenbelastung der Städte und Gemeinden) in den Blick zu nehmen. Seit Jahren macht der Bund Gesetze, die zu Lasten der Städte gehen, da muss dringend etwas getan werden, damit es nicht immer nur bei Lippenbekenntnissen bleibt. Daher will ich dem Anspruch gerecht werden, die Anliegen aus dem Wahlkreis Oberhausen-Dinslaken aufzunehmen. Außerdem hat die Corona-Krise gezeigt wie anfällig unser Gesundheitssystem geworden ist. Es wurde seit Jahren zunehmend kaputtgespart. Hier ist dringender Handlungsbedarf.

dibo: An welchen "Baustellen" sehen Sie Nachbesserungsbedarf im Wahlkreis?
Wagner: Baustellen gibt es in der Tat genug. Angefangen bei der zunehmenden (Kinder-)Armut, den fragwürdigen Ausbau der Betuwe-Linie, den mangelnden Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs oder die Strukturentwicklung unserer Region. Es gibt zahlreiche Probleme im Wahlkreis die positiv vom Bund aus angegangen werden könnten, um die Lebenssituation der Leute entscheidend zu verbessern. Dafür fehlt es an vielen Punkten für notwendige Finanzmittel. Diese wären in den Kommunen besser aufgehoben als im Verteidigungsetat zum Beispiel. Da höre ich auch von Herrn Vöpel wenig. (Anm. Vöpel (SPD) ist Mitglied im Verteidigungsausschuss)

dibo: Sie treffen beim Spaziergang einen Superreichen, der unbedingt einige Milliönchen in Ihrem Wahlkreis Wesel investieren möchte. Welche Projekt empfehlen Sie ihm?
Wagner: Zunächst würde ich fragen, woher er das Geld hat und wie er zu diesem Reichtum gekommen ist. Vorausgesetzt, der Mensch hat ein großes soziales Herz, empfehle ich ihm, sich an die Stadträte von Oberhausen und Dinslaken zu wenden, Dort weiß man ganz genau, welche Maßnahmen und Investitionen jetzt notwendig wären. Etwa für den Bau von sozialem Wohnraum in öffentlicher Hand, den barrierefreien Aus- und Umbau von Einrichtungen, öffentlichen Stätten und die z.B. marode Innenstadt von Oberhausen. Es ist ein Trauerspiel, die Entwicklung des Einzelhandels zu betrachten. Da gäbe es viel für die öffentliche Hand zu tun. Nicht für Private allerdings. Wenn der Superreiche das gemacht hat, lade ich ihn auch auf einen Kaffee ein.

dibo: Was bedeutet Heimat für Sie?
Wagner: Ich bin dort zu Hause, wo mein Umfeld ist. Freunde, Familie, Vereine und auch die Partei. Ich mag es, viel in der Natur zu sein, um zu wandern und Kraft zu schöpfen. Ich kann mich an vielen Orten heimisch fühlen. Als jemand, der in Essen aufgewachsen ist, aber seit vielen Jahren einen Bezug zu Dinslaken hat und nun auch schon lange hier lebt, kann ich sagen, dass ich mich hier heimisch fühle.

dibo: Nennen Sie uns bitte diese Dinge: Lieblings-Buch; -film; -TV-Sendung; -Reiseland; -Musik; -Politiker/in; -platz in der Heimat.
Wagner: Lieblingsbücher habe ich nicht, ich lese gerne brennend das was ich aktuell lese. Einer meiner Filmfavoriten ist derzeit: Edie – Für Träume ist es nie zu spät. Er handelt über eine hochbetagte Frau, die sich den Traum erfüllt einen schottischen Berg zu erklimmen, dabei an ihren Grenzen stößt und dennoch den Willen aufbringt ihr Ziel zu erreichen. Als Serie mag ich derzeit „Years and Years“, da gibt es erschreckende Parallelen zur politischen Entwicklung.
Mein Lieblingsreiseland ist Griechenland. Ich mag das Klima, die Menschen, die alte Kultur, das Essen und die ganze herzliche Atmosphäre. Durch meine Tätigkeit im "Wandervogel"durfte ich viel herumkommen und daher haben mich viele Kulturen und Einflüsse stark geprägt.
Musikalisch bin ich breit aufgestellt, von Klassik über guten Soul und Pop bis zu Folk-Songs ist vieles dabei. Lieblingspolitiker habe ich keine aktuell lebenden. Einer meiner Lieblingsplätze befindet sich in Dinslaken-Lohberg, dem Gartengelände eines Vereinsheims, wo ich aktiv bin.

dibo: Welche wären als gewähltes MdB die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Wagner: Wie schon erwähnt, will ich die Anliegen der Kommunen in meine Mandatsarbeit auf-nehmen. Ich selbst bin seit vielen Jahren kommunalpolitisch als Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Kreistag Wesel und als sachkundiger Bürger der Dinslakener Linken im Stadtrat aktiv. In der Kommunalpolitik spielt sich die gesamte Bandbreite der Lebensumstände ab. Hier ein Ohr für die Interessen von Betroffenen zu haben ist wichtig. Damit wir in einer Stadt gut zusammenleben können, bedarf es finanziell gut ausgestatteter Kommunen. Dafür will ich kämpfen.
Darüber hinaus streite ich als Mitinitiator der Europäischen Bürgerinitiative „Right2Cure“ (Recht auf Behandlung) für eine gerechte Impfstoffverteilung zur Bekämpfung der weltweiten Pandemie und die Freigabe von Patentrechten zur gerechten Impfstoffproduktion. Die ganze Frage des defizitären Gesundheitssystems ist mir also ein weiteres wichtiges Anliegen. Dafür haben wir als LINKE von Beginn an gestritten und konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet, sowohl kommunal als auch im Bund. Daran will ich weiterarbeiten.

dibo: Bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Der deutsche Bundestag braucht mehr Linke Politik, weil ...
Wagner: … die Frage, wie wir solidarisch und gerecht aus der Krise kommen und wie wir den sozial-ökologischen und friedlichen Systemwechsel hinbekommen, nur durch eine starke Linke, die Druck macht, beantworten können. Der Klimawandel, die finanziellen und soziologischen Folgen für unsere Gesellschaft werden enorm sein. Ohne Druck für ein sozialeres Miteinander wird es schwer werden. Auch Schwarz-Grün im Bund wird die Probleme, die auf uns zukommen, nicht lösen können und wollen. Und natürlich bedarf es einer linken Kraft im Bundestag, die der erstarkten Rechten etwas entgegen zu setzen vermag. Für mich ist es vor dem Hintergrund der Deutschen Geschichte unerträglich, eine Nazi-Partei im Bundestag sitzen zu sehen. Wir müssen ein breites gesellschaftliches Bündnis gegen diese Entwicklung stärken und aufbauen und sie auch parlamentarisch entlarven.

Steckbrief

Sascha H. Wagner, 40 Jahre alt, ledig. Geboren 1980 in Essen und dort auch aufgewachsen. Seit 2005 Wahl-Dinslakener. Zunächst in Lohberg, seit 2012 in der Innenstadt. Zu meinen Hobbys gehören Out-door-trekking (Wandern), Gitarre spielen, mit Freunden Zeit verbringen, Lesen, Schwimmen, Radfahren, offen für Kunst & Kultur und natürlich mit Leidenschaft die Kommunalpolitik.

Weitere Informationen über Sascha H. Wagner findet man auf: www.sascha-h-wagner.de

Autor:

Dirk Bohlen aus Hamminkeln

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