Ausstellung "Jüdisches Leben" in Dinslaken: Eine Stadt erinnert sich
Ab Sonntag 21. April um 11 Uhr stellt sich Dinslaken einem dunklen Kapitel seiner Geschichte: Im Museum Voswinckelshof wird die Sonderausstellung „Jüdisches Leben - Konflikt und Toleranz“ eröffnet.
Dinslaken. Den Ausstellungsmachern Gisela Marzin vom Stadtarchiv und Dr. Peter Theißen (Museum Voswinckelshof) ist es gelungen aus den umfangreichen Quellen noch nie gezeigte Dokumente und Fotos zu destilieren und mit multimedialer Unterstützung Stadtgeschichte lebendig zu machen.
Noch nie gezeigte Fotos und Dokumente
Spätestens seit 1366 lebten Juden in der Stadt Dinslaken. Nachgewiesen durch eine Urkunde des Grafen von Kleve, der dem Juden Liffman zugesteht, sich mit seiner Familie in Dinslaken niederzulassen. Diese Familie bleibt während der folgenden fast 600 Jahre in Dinslaken nachweisbar – und viele andere folgten.
Im Laufe dieser langen Zeit gibt es kaum einen Beruf, den nicht auch ein jüdischer Mitbürger Dinslakens einmal ausgeübt hat. Allerdings gab es einige Schwerpunkte beruflicher Betätigung: Dazu gehörten Viehhändler, Handwerker, Betreiber von Kaufhäusern und Akademiker.
Wie alle anderen Bewohner Dinslakens wohnten auch die Juden teilweise zur Miete, während andere eigene Häuser besaßen. Interessant: Es gab Juden aus ganz Deutschland, die sich zur Kapitalanlage Grundstücke in Dinslaken kauften, um diese zu vermieten. Dies ist anhand einer eigens angefertigten Landkarte solcher Grundstücke in Dinslaken nachvollziehbar.
Als die Industrialisierung in Dinslaken gegen Ende des 19. Jahrhunderts einsetzte, benötigten die neuen Industriearbeiter nicht nur Unterkünfte: Diese mußten auch mit Möbeln und Hausrat ausgestattet werden. Natürlich brauchten die Menschen nun auch Kleidung in großem Umfang, Lebensmittel und was man halt sonst noch so benötigt.
Erste Kaufhäuser in Dinslaken
Da die Kapazitäten handwerklicher Herstellung längst ausgeschöpft waren, mußten industriell hergestellte Waren über den Handel an den Mann und die Frau gebracht werden. Kaufhäuser entstanden. Und auch in Dinslaken gab es engagierte Händler, die ihre Läden erweiterten, verschönerten und ihre Warenangebote auf möglichst viele Bereiche des täglichen Bedarfs ausweiteten.
Solche Kaufhäuser, wie man sie bald nannte, wurden in Dinslaken zuerst von jüdischen Händlern gegründet und erfolgreich betrieben. Darauf geht die Ausstellung mit entsprechenden Exponaten ein.
Als ganz normale Mitbürger mußten auch die Männer jüdischen Glaubens ganz selbstverständlich zur Armee und in den Krieg. Davon zeugen Gedenktafeln und Kriegerdenkmäler.
Sie und ihre Nachkommen konnten sich einfach nicht vorstellen, daß diese Einsätze für das Vaterland mit der Machtergreifung der Nazi-Partei im Jahr 1933 nichts mehr gelten sollten.
Diese Wende brachte eine radikale Veränderung der Erwerbsmöglichkeiten, des gesellschaftlichen Miteinanders und der Bewegungsfreiheiten, die sich bis dahin kaum jemand hatte vorstellen können.
Dazu werden einschlägige Gesetze und Verordnungen, Briefe, Zeitungen und andere Dokumente präsentiert. Das Ausmaß der Judenverfolgung ist zwar inzwischen grundsätzlich umfassend erforscht und weithin bekannt und anerkannt.
Detaillierte Recherchen bringen jedoch regelmäßig neue Erkenntnisse über Behinderungen, Verletzungen, Enteignungen, Vertreibungen, Deportation und Ermordung hervor.
Die schleichend stärker werdenden Verstrickungen vieler „normaler“ Bürger in das NS-System und ihre gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen sind zwar inzwischen beinah unzählige Male untersucht, aber es gibt immer wieder Bereiche, in denen erst 70 Jahre nach dem Zusammenbruch des III. Reichs klar wird, daß auch dort die NS-Ideologie zu Ungerechtigkeiten, beruflicher Ausgrenzung, zu Verfolgung und sogar zum gewaltsamen Tod führten.
Filme und Interviews mit Überlebenden
Beispielhaft für die Lebensläufe vieler Juden in Dinslaken werden die von Jeanette Wolff und Fred Spiegel in der Ausstellung thematisiert. Die Lebensdaten vieler Ermordeter können in einer eigenen Medienstation recherchiert werden. Filmdokumente, Interviews, Computeranimierte Darstellungen des jüdischen Waisenhauses und der Synagoge geben neue Enblicke in die Zeit zwischen 1933 und 1980. cd
Autor:Caro Dai aus Essen-Werden |
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