Plastikrosenkavalier
Es gibt immer ein erstes Mal, sagt man. Man erlebt seinen ersten Vollrausch, man besucht endlich ein Sushi-Restaurant oder man bekommt eine Rose geschenkt. Gerade für Männer ist letzteres oft Neuland; auch ich war bis vor kurzem auch noch unbetroffen. Doch wenn man einen fabulösen Auftritt des aufsteigenden Schlagersterns Enrico Amore besucht, kann sowas passieren. Da bekommt man selbst als harter Kerl, wie ich es bin, eine Rose in die Hand gedrückt. Belastendes Beweis- und Bildmaterial zu diesem Spektakel gibt es übrigens hier.
An jenem Abend suchte ich nach dem Auftritt meine Wohnung auf, nicht ohne direkt nach einem vasenartigen Gefäß zu suchen. Schließlich sollte das blumige Geschenk mit dem dornigen Stiel eine Art Ehrenplatz erhalten. Ich fand eine geleerte 0,5 L Pfandflasche, füllte sie mit Kraneberger (O-Ton meiner Mutter) und stellte die Rose rein. Schön! Sie sah schon recht fesch aus, wie sie da in dieser Apfelschorlen-Behilfsvase auf meinem Kühlschrank trohnt. Doch wurde mir auch recht fix bewusst, dass sie nicht bleiben kann. Sie würde sich mit meiner knochenharten Männlichkeit beißen, meinen extrem maskulinen Kühlschrank (gefüllt mit Bier und irgendwelchen Wurstkram) und meiner kaum überschaubaren Teller- und Bestecklandschaft, die nach einer Spülung schreit.
Diese Rose brauchte einen sicheren Hort. Drum schrieb ich meiner Partnerin eine Kurznachricht, dass ich eine florale Überraschung für sie habe. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Die maskuline Harmonie war wieder hergestellt und ich konnte meiner Partnerin eine Freude machen; Frauen kriegen ja von Blumen nicht genug, habe ich mir sagen lassen. Drum platzierte ich die Rose vorsichtig am späten Abend auf oder an ihren Balkon, Romeo-Style. Zum Glück Erdgeschoß. Sie sollte diese dann nach dem Aufstehen entdecken und total aus dem Häuschen sein. Ich war schon ein alter Romantiker.
Der nächste Tag. Die Rose hatte die Besitzer gewechselt und ich war damit beschäftigt, in meine zugestellte Küche zu gelangen, als ich plötzlich eine Kurzmitteilung auf meinem Handy erhielt. Meine Partnerin. Sie bedankte sich und frug, ob ich die Rose denn auch ins Wasser gestellt hätte.
Blöde Frage! Natürlich habe ich das. Das sieht ihr mal wieder ähnlich. Da ist die Rose vielleicht ein wenig eingetrocknet und schon meckert sie wieder rum, dachte ich. Dabei weiß ich ja nicht mal, wie lange Enrico die schon in der Tasche hatte, ehe er sie mir fackelmäßig überreichte. Ich schrieb zurück: "Klar habe ich das. Du hast zwar den grünen Daumen von uns, aber das mit dem Wasser bekam ich noch hin."
Eine Weile verging. Ich regte mich etwas ab und fand meine Spüle wieder, ehe das Handy aufleuchtete. Meine Partnerin schrieb: "Du bist so süß!" ... Süß?! Was will die denn jetzt? Kerle hassen es, wenn sie süß betitelt werden! Gerade ich, der sogar seinen Kühlschrank männlich findet, fluchte ich innerlich. Ich schrieb direkt zurück: "Wieso süß?!" Ihre Antwort kam unverzüglich: "Weil Du eine Plastikrose ins Wasser gestellt hast."
Mir war klar, dass ich kein Talent für Pflanzen oder Blumen hatte, abgesehen von aktiver Sterbehilfe. Aber das sprengte nun den Rahmen. Enrico Amore, Du bist schuld. Warum verschenkst Du auch solch authentische Rosen? Naja, ich habe mir nun wochenlangen Spott gesichert und bin mir sicher, dass die Plastikrose nun ein neues und sicheres Zuhause gefunden hat. Ohne Wasser. Wenn ich den Rest meiner Küche wiederfinde (ich erinnere mich an irgendwelche Kakteen unter ungespülten Töpfen), werde ich bestimmt misstrauischer sein.
Autor:Oliver Peters aus Dinslaken |
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