AK 2012 | Tor 22: Vergangenheit.

Ich glaubte nie an den Weihnachtsmann. Zumindest kann ich mich an keinen Tag erinnern, wo ich ernsthaft auf einen älteren Rauschebart in Rot wartete. Vielleicht waren die Verkleidungen der erspähten Aushilfsweihnachtsmänner zu schlecht (tief gelegte Bärte, eine Stimme wie Justin Bieber und nur Werbegeschenke am Start), zumal sie eh nur im Supermarkt oder so zu sehen waren. Vielleicht lag es aber auch an der simplen Tatsache, dass wir daheim keinen Kamin hatten. Wie sollte man sich auch so ins Haus schleichen? Durch den Briefkasten oder die Abflussrinne? Erst recht, wenn man den Sack voller He-Man Spielzeuge hatte? Keine Chance.
Stattdessen durfte ich mit meinem Bruder in einem Zimmer warten, bis meine Eltern den Wohnzimmertisch feierlich ausschmückten und darauf stapelweise Geschenke platzierten. Sobald sie fertig waren, ertönte eine Glocke, die sonst das ganze Jahr über im Abstellschrank versteckt war. Klingeling, wir durften nach vorne und drängelten uns aneinander vorbei.
Meist staunten wir nicht schlecht; der stets von meiner Mutter meisterlich geschmückte Tannenbaum samt den in weiches Elektrokerzenlicht getauchte Gabentisch, dessen letzte Platzreserven mit Schokolade und Co. aufgefüllt wurden, war jedes Jahr aufs Neue eine Augenweide voller Magie. Im Hintergrund ertönte meist eine Schallplatte mit Weihnachtslieder wie "Stop the calvery" oder den üblichen Klassikern, vertont von den liebsten Schlagerstars meiner Eltern.
Je älter man wird, desto mehr weicht dieser Zauber. Vielleicht liegt es daran, weil das Weihnachtsfest ein Event für unsere Kinder ist. Oder auch daran, dass diese Magie der frühen Tage durch Stress, Druck und Öffnungs- bzw. Lieferzeiten unserer Weihnachtseinkäufe ersetzt wurde. Vielleicht liegt es daran, dass man als Kind einfach ehrlicher unterwegs ist und sich eben noch nicht mit Zwangskarten oder Anstandsanrufen zu den Feiertagen herumplagen muss.
Das Fest wird im Alter mehr zu einer Moralveranstaltung. Somit wirkt dieser Text auch unweigerlich leicht moralisierend, weil er natürlich als Fazit aussagen wird: Sei mal wieder mehr "Kind" im positiven Sinne. Das bedeutet: Sei ehrlicher, sei unvoreingenommener, sei sorgenloser, sei mehr "dabei".
Doch wie will man auch sonst mit dem Fest der Liebe sonst umgehen? Was uns seit den Kindertagen begleitet und nahezu alle von uns so dermaßen prägte? Fast jeder hat seine persönliche Weihnachtsgeschichte - den persönlichen Geist der (Weihnachts)Vergangenheit. Von daher brauche ich hier nicht sagen, wie man das gegenwärtige Fest "besser" feiern könnte - mit Hilfe eines Zeigefingers. Denn das weiß ja jeder selbst am besten.

Zurück zu einem persönlichen Weihnachtserlebnis, knapp zwei Jahre her, aber halt Vergangenheit.
Die Magie ist gewichen. Zurück bleiben aber Momente wie jene, wo sich meine Mutter über meine Einpackkünste kaputt lacht. Ich habe keinerlei Talent dazu, Geschenke "schön" einzupacken. Bin somit dankbar für jede Einpackstation, die das für mich wohlwollend übernimmt. In dem Fall war keine zur Hand.
Doch wie es so oft der Fall ist ... worüber man sich anfangs den Kopf zerbricht ("Oh Gott! Es ist scheiße eingepackt! Sie wird es hassen!") wird später gemeinsam herzlich gelacht. Sie weinte sogar ein paar Freudentränen, als sie es auspackte, denn sie hatte nicht damit gerechnet. Dabei hatte ich lange dafür gespart. Sagte ich gerade noch, dass die Magie mittlerweile futsch ist? Ich korrigiere mich. Die einen nennen es Kitsch. Ich nenne es Magie. Sie muss nicht unbedingt an Geschenke gekoppelt sein, aber so ein Geschenk kann eine Wertschätzung eben unterstreichen. Oder meine Mutter ist ein Material Girl und ich habe es erkannt.

In Tagen, wo die Leute sich solche Momente per Disney-Filme oder Hobbits geben und stattdessen lieber auf Weihnachtskitsch schimpfen, wirkt mein kleiner persönlicher Einwurf vielleicht deplatziert. Aber keine Bange, der morgige Text zur Weihnachtsgegenwart wird wieder was für Gewohnheitstiere.
Nun muss ich los ... die Geschäfte schließen bald.

Autor:

Oliver Peters aus Dinslaken

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