Adventskalendergeschichte: Das Lächeln des Rentieres (Tor 3)
Eine Weihnachtsgeschichte in 24 Teilen. Fast so glücklich machend wie Schokolade, aber dafür kalorienarm.
23.12.2013 | 16.00 Uhr
Wenn Lena sich ärgert, sollte man schnell den Raum verlassen, oder besser noch die Stadt bzw. das Land. Man erkennt ihre Rage am besten am knallroten Gesicht, einen irren Blick und an der Unterlippe, auf die sie rhythmisch beißt. All das tut sie in diesem Moment, als sie haufenweise Last-Minute-Angebote diverser Fluglinien im Netz abklappert. Lena hämmert ihren Zeigefinger vor Wut so stark auf die Maustaste, dass fast ein Echo entsteht. Sie ist richtig richtig sauer.
Der letzte Tag vor Heiligabend und sie ist immer noch hier. Dieser Gedanke schwirrt ihr stets durch den Tomatenkopf. Normalerweise flüchtet sie jedes Jahr vor Weihnachten und allem, was dazu gehört. Manchmal betrinkt sie sich und hofft, dass sie nach dem „Koma“ aufwacht und das Gröbste vorbei ist. Manchmal verreist sie aber auch; am besten dorthin, wo Schnee ein Fremdwort ist und niemand weiß, dass man Dominosteine auch essen kann.
Dieses Jahr ging jedoch einiges schief. Die Finanzen stimmten trotz Auflösung eines Bausparvertrags nicht, und es sah so aus, als ob Lena sich doch dem Alkohol hingeben müsste. Außerdem wurde es immer schwieriger ein Reiseziel zu finden, welches nun rein gar nichts mit Weihnachten zu schaffen hat. Der Coca-Cola-Truck ist einfach überall. Lena schimpft in solchen Momenten gerne über die, Zitat, „scheiß Globalisierung.“
„Es müsste eine Art Verein geben“, phantasiert sie. „Einen Club, eine Brüder- und Schwesternschaft.“ Sie muss kurz an die anonymen Alkoholiker denken, verwirft den Gedanken aber. „Eine Art „Anti-Weihnachtssitzung“, wo all jene teilnehmen, die keinen Bock auf den Kram haben. Die sich dort einfinden und herrlich über den Konsumwahn und über die Spießigkeit schlechthin, Kartoffelsalat mit Würstchen, ablästern wollen“, denkt sie weiter. „Ja, sowas müsste es geben! Gemeinsam leidet man einfach effektiver.“
Lena schließt die Last-Minute-Angebote und gründet eine Facebook-Gruppe mit dem Namen „Unheiliger Abend“ und schreibt eine kurze Beschreibung dazu:
„Habt ihr Weihnachten satt? Findet ihr Lebkuchen doof? Kriegt ihr bei Jingle Bells Kopfschmerzen? Dann kommt zu uns – den Unheiligen Abend. DIE Anti-Weihnachtssitzung!
PS: Das ist keine unchristliche Veranstaltung, Satanisten u.ä. bitte draußen bleiben.“
Sie gibt einen Treffpunkt an, eine recht angesagte Bar, die gar nicht weit von ihr entfernt ist und trotz der Feiertage geöffnet hat. Zufrieden lehnt sich Lena zurück und wartet auf die ersten Zusagen. Der Krampf in ihrem Zeigefinger ist schon fast verschwunden.
–
Fortsetzung folgt.
Autor:Oliver Peters aus Dinslaken |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.