Adventskalendergeschichte: Das Lächeln des Rentieres (Tor 17)
Eine Weihnachtsgeschichte in 24 Teilen. Fast so glücklich machend wie Schokolade, aber dafür kalorienarm.
24.12.2013 | 06:00 Uhr
Der Aufzug bleibt plötzlich stehen. Lilly schaut sich verwundert um. Sie ist alleine mit einem hochgewachsenen Mann in einer Fahrstulkabine. Wie kam sie dahin? Wo macht sie dort? Wer ist dieser Mann? Sie ist ahnungslos. Er wirkt wie eine Mischung aus George Clooney, Johnny Depp und Ryan Gosling – Traummann eben. Er trägt einen gut sitzenden Anzug und versprüht durch seine bloße Anwesenheit so viel Testosteron, dass Lilly ganz schwindelig wird.
„Es scheint, als würden wir feststecken“, sagt der Fremde mit einem charmanten Lächeln.
„Oh.“ Lilly würde gerne mehr sagen, doch sie stockt genau so wie der Fahrstuhl.
„Wobei ich mir Unangenehmeres vorstellen könnte, als mit einer so attraktiven Dame eingesperrt zu sein.“ Der Fremde schaut Lilly dabei tief in die Augen. Sie erwidert den Blick und auch sein Lächeln. Er hat perfekte Zähne. Je länger sie ihn anschaut, desto mehr Dinge fallen ihr auf, die sie gerne als „perfekt“ bezeichnen würde. Lilly würde nun sogar so weit gehen, seine Ohrläppchen „perfekt“ zu nennen. Ihr Herz schlägt schneller und sie wendet sich kurz ab, um sich zu fangen.
„Ob der Notruf funktioniert?“ Mister Right drückt den Notrufknopf.
„Wobei … es ist nun bestimmt keiner im Haus. Wir werden uns wohl noch gedulden müssen“, fährt er fort. Lilly stellt verwundert fest, dass er das Outfit gewechselt haben muss. Der Fremde erinnert von einer Sekunde auf die nächste stark an den muskulösen Mann aus der Cola-Light-Werbung, weißes Shirt, Jeans und all das, was Lilly stets heimlich begehrte. Sie kann ihren Blick nicht von ihm abwenden.
„Glaubst Du an Schicksal, Lilly?“ Sie atmet schneller, während der Unbekannte langsam auf sie zukommt. Sie schließt die Augen und spitzt die Lippen. Der Traummann mit dem Sixpack küsst Lilly heiß und innig, so dass es ohne weiteres mit Hollywoods besten Filmküssen mithalten könnte. Sie spürt, wie ihre Knie weich werden und wie sie am liebsten zerfließen würde. „Das fühlt sich so gut an“, flüstert sie in Richtung des perfekten Ohrläppchens.
Auf einmal geht die Fahrstuhltür auf. Eine unansehnliche Kreatur steht in der Türe, mit einer Mischung aus Überraschung und Zorn im Gesicht. Dieses Geschöpf erinnert an Shrek und auch an ihren Ehemann Thorsten – grün und mit Bierdose in der Hand.
„Was ist hier los?! Der Aufzug ist kein Puff!“ brüllt es und spuckt dabei um sich.
„Immer mit der Ruhe, Grüner“, beruhigt ihn Lillys Lover.
„Das ist meine Braut, Du Vollidiot! Finger weg!“
„Entschuldige bitte, aber das kann jeder sagen.“
„Sie trägt meinen Ring! Überzeug Dich selbst!“
Tatsächlich. Lilly und der grüne Shrek-Thorsten-Verschnitt tragen gleiche Ringe. „Ein Ehering? Ist dieses grüne Ungeheuer wirklich mein Mann?“ wundert sich Lilly. Der Mann mit den perfekten Ohrläppchen wartet nicht auf Erklärungen, sondern zückt wie aus dem Nichts ein gigantisches Schwert. Überhaupt hat er erneut seine Kleidung gewechselt; er trägt nun eine Art Ritterrüstung, als ob er gerade aus einem Herr der Ringe Film entsprungen wäre. Auch der grüne Thorsten zieht einen großen Kampfhammer, der beinahe so groß wie er selber scheint. Beide Männer nehmen Kampfstellungen ein und grunzen dabei sogar ein wenig. Lilly weiß überhaupt nicht, wie ihr geschieht. In ihrer Verzweiflung versucht sie, den Ring abzuziehen, doch auch dieser steckt unnachgiebig fest. Der Fremde holt zum ersten Schlag aus und brüllt dabei irgendwas von Sparta. Lillys grüner Ehemann weicht aber geschickt aus und kontert direkt mit einem gezielten Wurf der Bierdose gegen die Schläfe des Ritters, welcher daraufhin stürzt. Der Grüne will die Chance ergreifen und schwingt den gewaltigen Hammer. Kurz bevor er zum finalen Schlag ausholen kann, gelingt es Lilly jedoch, unter einem lauten Furzgeräusch den Ring von ihrem Finger zu lösen.
Lilly wacht auf und hört Thorsten noch einmal furzen.
Sie schaut zunächst auf die Uhr und danach wütend in Thorstens Richtung. Er schläft natürlich noch, lauthals schnarchend mit gelegentlicher rektaler Zugabe. Lilly schüttelt sich und steht auf, um in die Küche zu flüchten. Bei einem Kaffee muss sie erst mal den Traum verarbeiten, den sie gerade hatte.
Sowieso gibt es jede Menge zu tun, von daher ist es gar nicht so schlimm, wenn sie jetzt schon beginnt, Vorbereitungen zu treffen.
Wenige Minuten später sitzt sie im Morgenmantel am Küchentisch und schlürft ihren heißen Kaffee. Sie muss ein wenig grinsen, wenn sie an den Traum denkt und dem dazugehörigen Traummann mit seinem gewaltigen Schwert.
„Glaubst Du an Schicksal, Lilly?“ sagt sie zu sich selbst, schließt kurz die Augen und spitzt dazu die Lippen. Leider erwidert dieses Mal niemand ihren Kuss.
Fortsetzung folgt.
Autor:Oliver Peters aus Dinslaken |
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