ZeitReise-Geschichte: Fremde im Jagdrevier
Fremde im Jagdrevier
Vor 7.000 Jahren irgendwo am Niederrhein:
Der Morgennebel hatte sich zwischen den Bäumen noch nicht aufgelöst. Biro ging hinter den Jägern her. Es war das erste Mal, dass sie ihn mitnahmen! Mit Hilfe seines Onkels Uschir hatte er Pfeil und Bogen angefertigt. Welches Tier würden sie erlegen? Ein Jagderfolg war wichtig für ihr Überleben. Uschir bedeutete Biro leise zu sein. Das kleinste Geräusch konnte die Wildtiere aufschrecken und in die Flucht schlagen. Leise zu sein, war im Wald bei all den Ästen und Zweigen, die auf dem Boden lagen, gar nicht so einfach. Vor lauter Aufregung passte Biro nicht richtig auf. Knack! Er war auf einen trockenen Ast getreten. Laut hallte es durch den Wald. Sein Onkel Uschir sah ihn zornig an und schüttelte den Kopf. Biro wusste, für ihn war die Jagd vorbei. Er hatte den Tieren im Wald gezeigt, wo sich die Jäger aufhielten und den Jagderfolg gefährdet.
Biro drehte sich um und lief zurück in Richtung Lager. Irgendwie musste er die Schlappe wieder ausgleichen, sonst würde ihn sein jüngerer Bruder Ekan ihn auslachen. Biro nahm nicht den direkten Weg, sondern machte einen weiten Umweg. Im Lager würde man ihn nicht vermissen, weil alle glaubten, er begleite die Jäger. Biro stieß auf einen kleinen Bach und folgte ihm. Der Wald vor ihm lichtete sich und plötzlich stand Biro am Rand einer Wiese. Auf der Waldlichtung arbeitete eine Gruppe von Frauen und Männer. Die Kleidung der Fremden war nicht wie seine aus Tierfellen zusammen genäht und hatte verschiedene Farben. Biro staunte, solchen Jägern war er noch nicht begegnet, obwohl sich seine Familie im Frühjahr und im Herbst immer mit anderen Jägergruppen traf. Doch waren die Fremden überhaupt Jäger? Sie waren dabei ein riesiges Holzhaus zu bauen, das fast die halbe Lichtung einnahm. So etwas hatte Biro noch nie gesehen, er und seine Familie lebten in Hütten, die sie aus Holzstangen und Tierfellen errichteten.
Vor dem Haus, ganz in seiner Nähe, krachte es. Dort arbeitete ein Mann mit einer Steinbeil. Er trennte die Äste von gefällten Bäumstämmen. Biro trat schnell in den Schatten der Bäume zurück. Hatte der Fremde ihn bemerkt? Biro lugte durch die Zweige zu ihm hin. Doch der Mann schaute nicht ein einziges Mal in seine Richtung und auch sonst war niemand auf Biro aufmerksam geworden. Noch während er den Mann beobachtete, hörte der Junge merkwürdige Laute. Woher kamen sie? Waren das Tiere? Biro schlich am Waldrand entlang um das Gebäude herum.
Hinter dem Haus stieß er auf einen Zaun. Was war das? Eine Grenze aus Holz? Dahinter standen Tiere, von denen Biro bisher noch nicht einmal gehört hatte. Sie schienen keine Angst vor ihm zu haben und flohen auch nicht bei seinem Anblick. Ihr Fell hatte eine braune Farbe und war ein bisschen zottelig. Einige trugen auf dem Kopf sichelförmige Hörner, deren Enden nach außen gebogen waren. Und die Laute, die sie von sich gaben! Dieses Bäh. Biro war unheimlich zu Mute, doch er durfte seine Angst nicht zeigen. Langsam ging er auf den Holzzaun zu und kletterte darüber.
Mit zornigem Blöken stürmte der größte Schafbock der Herde mit gesenktem Kopf direkt auf ihn zu. Biro sprang gerade noch rechtzeitig zur Seite, um nicht gerammt zu werden. Vor Schreck fiel er ins Grass und verlor seine Pfeile aus dem Köcher. Der Schafbock war zum Stehen gekommen und wandte sich ihm gerade wieder zu. Schnell sprang der Junge wieder auf. Er verlor keine Zeit, griff sich Köcher und Bogen und rannte zum Zaun. Den Schafsbock dicht hinter sich kletterte auf die andere Seite. Nur weg von hier! Ehe die Fremden seine Anwesenheit auf der Koppel bemerkten, verschwand Biro im Wald. Dort verharrte er kurz, schwer atmend. In seinem Magen rumorte weiterhin Angst.
Vorsichtig schlich er auf dem Weg zurück, den er gekommen war. Von diesen Fremden musste die Jäger erfahren! Sofort! Biro rannte, so schnell er konnte. Nach einiger Zeit hörte er Hundegebell. Das musste der Jagdtrupp sein. Er folgte dem Lärm und traf auf seinen Onkel Uschir. Dieser beobachtete zwei Jäger, die mit einem großen Wildschwein kämpften. Hinter sich hörte Biro seinen Namen rufen. Als er sich umsah, erblickte er seinen Vater, der ebenfalls die Jäger mit Pfeil und Bogen vor weiteren Angriffen sicherte. Aufgeregt lief Biro zu ihm, um von den Fremden zu berichten. Doch der Vater winkte ab und schob ihn zur Seite um das Kampfgeschehen im Auge zu behalten. Dort wurde es langsam still, die Zurufe der Jäger und das Hundegebell verstummten. Uschir kam zurück und schaute Biro ungehalten an, der schon eifrig erzählte. Als er geendet hatte, sahen sich die Männer finster an. "Von diesen Fremden habe ich schon gehört," sagte Uschir. Der Vater nickte, "Wir müssen sofort zurück ins Lager und uns mit den Ältesten beraten." Biro war überrascht, wie ernst sie seine Geschichte aufnahmen. Auf dem Weg zurück ins Lager ging er zwischen seinem Onkel und seinem Vater, als ob er die ganze Zeit bei ihnen gewesen wäre.
Autorinnen: Hanna Hand und Heike W. Grießer
Autor:Heike W. Griesser aus Dinslaken |
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