Tief im Westen und im Buch
Da ist es noch einmal, das vertraute Bild, das Gesicht des Kumpels oder Besuchers unter Tage mit echter Kohleschwärze, nicht eigens angemalt wie bei manchem Politiker nach kurzem Durchhuschen zwischen Stempel und Hangendem: Ruhrgebietsfotograf Hans Rudolf Uthof hat sich am Eingang seines Bildbandes selbst im Spiegel der Waschkaue mit seiner Leica 85 abgebildet, das Baumwollhemd an und die Spuren der Anstrengung im Gesicht.
„Tief im Westen“ hat er den Bildband nach der Zeile aus der Bochumer Grönemeyer-Hymne und dem alten Heinrich-Böll-Text benannt und in der Unterzeile „Das Ruhrgebiet 1950 bis 1969 im Bild“. Die Bilder aber sind über Tage und doch schwarz-weiß, so wie das Leben der Revierbürger in diesen Jahren vorwiegend war.
Uthoff war Pressefotograf für verschiedene Werkszeitschrift in Stahlindustrie und Bergbau, hier sind aber die Bilder versammelt, die er sozusagen nebenbei, unterwegs im Revier festgehalten hat. Wenn er ein Motiv sah, Kamera raus, fokussiert und abgedrückt. So ergibt sich ein ungeschminktes Bild des Reviers von Duisburg bis Dortmund, seiner Menschen, oft erschöpft und oft sich ausruhend oder der Muße im Verein sich hingebend, spielende Kinder und heckenschneidende Rentner, noch Trümmergrundstücke des Krieges oder der nicht minder zerstörenden Industrialisierung – unvorstellbar gestrig den heute Geborenen, wie „die das damals haben mit sich machen lassen und warum sie nicht abgehauen sind“: wer Uthoffs Bildband sieht, versteht, warum sich das Klischee vom Ruhrgebiet so hartnäckig hält und halten wird – wer damals diese Bilder selten einmal in sich aufgesaugt hatte beim Durchfahren oder auf Fotos, wollte nix mehr wissen von der dampfenden Gegend der Hochöfen und Zechentürme, der Wohnstraßen und bescheidenen Erholungsparks. Und kriegte diesen Eindruck nicht mehr aus dem Kopf. Uthoff aber zeigt mehr als das Revier-Klischee der genannten zwei Jahrzehnte, hatte und hat bei der Auswahl aus Tausenden Bildern den Blick für den Menschenschlag bewahrt.
Eine kostbare Erinnerung, ein selten gelungener Fotoband über das Ruhrgebiet gestern und seine Menschen. „Tief im Westen“ ist im Klartextverlag unserer Mediengruppe WAZ erschienen und im Buchhandel, erhältlich. (Erschienen im Niederrhein Anzeiger KW 16/11 cd)
Autor:Caro Dai aus Essen-Werden |
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