Literatur Hotel Preis: Oliver Peters "Regenbogenzone"
Ja und Nein. Schwarz und Weiß. Laut und Leise. Groß und Klein. Links und Rechts. Leicht und Schwer. Oben und Unten. Kurz und Lang. Hart und Weich. Hell und Dunkel. Warm und Kalt. Dick und Dünn. Mann und Frau.
Nein, das wird kein weiterer Bericht über das ständige Scheitern zwischen den beiden Geschlechtern. Das habe ich mir fest vorgenommen. Kein Text mehr über seltsame Beziehungskisten. Zum einen lässt mich das wie einen misogynen Trottel aussehen, der nicht über die letzte Trennung hinweg kam. Zum anderen wiederholt es sich. Denn diese ganzen Dramen kennen wir alle nur zu gut. Stichworte wie „Müll rausbringen“, „Schwiegermutter“ oder „Gummi gerissen, Fuck, ich werde Vater“ rufen direkt die wildesten Erinnerungen wach. Sei es an vergangene Texte oder an das eigene Erleben. Aber ein kleiner Seitenhieb sei mir erlaubt.
Klitzeklein.
Ehrlich.
Sie sagte, dass ich nicht immer, Zitat, alles Schwarz-Weiß sehen soll. Es gäbe ja noch so viel mehr. Drum traf ich sie nur noch in Grauzonen. Meine recht simple Betrachtungsweise der Welt war ihr nicht genug. In einer so hektischen und komplizierten Welt mache ich es mir viel zu einfach. Sie verlangte mehr. Regenbogen-Antworten.
Bekam sie nicht, drum trennten wir uns. War auch besser so, denn ich als Ja-Nein-Typ war mit Antworten wie „Das müssen wir nochmal ausdiskutieren“ oder „Lass mich nochmal meine Mutter (sie meinte damit ihren Telefonjoker) anrufen“ gnadenlos überfordert.
Drum versuchte ich es hochmodern. Freunde mit Extras. Früher hieß sowas Affäre. Doch da wir ja sogar bei Facebook unsere Feinde auf der Freundesliste haben, ist die neue Bezeichnung absolut nachvollziehbar. Ich bin mit der Welt befreundet und die Welt mit mir. Doch die Extras teile ich nur mit gewissen Leuten. In dem Fall eine Dame, die ich sogar online kennenlernte. Wie gesagt, der Versuch sollte absolut zeitgemäß sein. Ihr Profil sah meinem verdammt ähnlich, zumindest was die Interessen angeht. Es ist schon praktisch, das müssen selbst die schärfsten Kritiker zugeben. Anstatt nach zwei Treffen zu erfahren, dass sie Anhängerin der Onkelz ist und auch eine bisher unsichtbare Körperstelle deren Logo trägt, wird man schnell beruhigt. Sie ist mit Dir auf einer Wellenlänge. Sie weiß: Instrumentalmusik ist sowieso das Beste.
Auch ihr Filmgeschmack war optimal, bis auf den einen oder anderen Kitsch-Ausrutscher. Wichtiger war, dass sie nicht die gesamte Disney-Filmkollektion zu Hause hat, denn solche Prinzessinnen sollen bitte in ihrer Traumwelt bleiben und keine Extras mit mir teilen. Apropos. Da war Fingerspitzengefühl gefragt. Denn nur weil man dieselben Songs unter der Dusche singt und im selben Kino Popcorn verstreut hat, bedeutet das ja nicht, dass man direkt zusammen in die Kiste springt. Zuerst müssen da einige Formalitäten geklärt werden. Ein Klick auf ihr Profil hätte normalerweise schon gereicht. Schließlich findet man dort genügend Auskünfte über die jeweilige Person. Auch zum Familienstand. Single, Verheiratet, Geschieden, Scheintot. Den Eintrag „Suche Extras!“ gibt es leider noch nicht. Wäre vielleicht auch ein wenig zu forsch. Dummerweise stand bei ihr nun rein gar nichts. Sie hat es schlicht und einfach nicht ausgefüllt. So kann ich nicht arbeiten.
Ich Trottel hatte alles sachgemäß eingetragen, da das Internetportal mich so nett dazu aufforderte. Warum eigentlich? Mark Zuckerberg will ja nur wissen, welche Eissorten ich mag. Der hätte mich auch persönlich fragen können. Feigling. Wahrscheinlich war meine Ja-Nein-Attitüde schuld an der Eintragwut. Felder offen zu lassen, hätte mich zu sehr an die Unentschlossenheit vergangener Flammen erinnert.
Sie war da klüger und hatte lauter Blödsinn eingetragen. Sogar ihr Name war ein Hirngespinst. Regina Regenbogen. Ich ignorierte die Alarmsignale in meinem Kopf. Schließlich suchte ich nur eine Freundin mit Extras und keine ausgewachsene Beziehung.
Dachte ich. Denn natürlich kommt es anders, als man denkt. Um ein wenig vorweg zu greifen: Die große Erleuchtung kam in der ersten gemeinsamen Nacht. Wir verbrachten zunächst einige wunderbare Nachmittage und Abende miteinander. Zogen den Freunde-Anteil durch; mittels Kino, Theater und einer Ausstellung über glasierte Borkenkäfer. So stellte ich mir das vor! Und ich musste sie nicht überreden – Gemeinsamkeiten sei Dank. Vielleicht, so dachte ich, wäre es auch möglich gewesen, sie für den Extra-Teil zu erwärmen. Da gab es leider nur einen Weg, es heraus zu finden. Ich musste sie fragen.
„Was hälst Du eigentlich von ... Freunden mit Extras?“
Sie grinste.
„Du bist rot geworden. Süüüüß!“
Wir bewegten uns aus der Grauzone. Sie hatte außerdem das böse S-Wort gesagt.
„Nun mach Dich nicht lustig über mich. Das war nun schon peinlich genug.“
„Sag doch einfach, dass Du mit mir schlafen möchtest.“
„Was? Wer sagt denn sowas?! Ich mein, wir sind doch nur Freunde...“
„Du kannst natürlich auch noch etwas Zeit verstreichen lassen und mich im Laufe des Abends fragen, ob ich eigentlich noch zu haben bin. Dann nochmal brav weitere 20 Minuten abwarten und fragen , was ich denn suche.“
Sie grinste immer noch.
„In Deinem Onlineprofil steht nichts ... sonst müsste ich ja nicht...“
„Wo nichts steht, wird wohl auch nichts sein.“
Wir küssten uns. Ja, an dieser Stelle darf ruhig eine beliebige Filmmusik hinzugedichtet werden. Denn es fühlte sich durchaus filmreif an. Natürlich nun nichts aus dem Hause Disney. Ich knutschte Regina Regenbogen an der Ampel, im Aufzug, in der U-Bahn, zwischen zwei Telefonzellen und auf einem Briefkasten, bis wir bei mir zuhause angekommen waren.
Hastig stolperten wir aneinandergeklettet in mein Schlafzimmer und suchten Möglichkeiten uns trotz aufeinandergepresster Lippen zu entkleiden. Es gelang auch kurze Zeit später, auch wenn ich mir beinahe die Schulter bei der letzten Socke auskugelte.
„Oben oder unten?“ fragte sie.
Ich tat so, als hätte es nicht gehört und fummelte an Stellen, an die mich vorher nicht getraut hatte.
„Oben oder unten?“ wiederholte sie.
Sie meinte die Frage doch nicht etwa ernst? Ob ich oben oder unten liegen wolle? Ich war total perplex und versuchte, in ihrer Mimik einen schlechten Witz ausfindig zu machen. Doch sie schien es ernst zu meinen. Mit einem derartigen Kooperationswillen habe ich nicht gerechnet. Doch was sollte ich antworten? Beide Varianten schossen mir durch den Kopf. Kopfkino der Exxxtraklasse, mit drei xxx, wo man ihn sonst nur in der Schmuddelecke der Videothek findet.
„Was ist nun?“
Sie wurde ungeduldig. Ich, der Ja-Nein-Typ, das entscheidungsfreudige Großmaul wußte nicht weiter. Eine falsche Antwort hätte sie vielleicht verstört und alles wäre zunichte gewesen! Das wollte ich aber nicht. Eine klare Aussage konnte und wollte ich nun aber auch nicht treffen. Eine Floskel machte sich in dem Moment lustig über mich: No Risk no Fun. Bedenkzeit vorbei. Es gab nur noch eine Lösung.
„Wie wär’s mit oben ... und ... unten ...?“
Sie grinste. Glück gehabt.
Das ist nun ganze 3 Monate her. Natürlich ist mein Plan gnadenlos in die Hose gegangen. Denn statt Freunde mit Extras sind wir nun Partner mit Extras. Es war quasi unvermeidlich, denn meine Schwarz-Weiß-Seherei ließ nur eine Möglichkeit zu: Entweder ganz oder gar nicht. Als ich mir diese Frage stellte, war sie aber schon längst beantwortet. Denn wir haben diese elende Grauzone hinter uns gelassen. Ja, nicht mal gesehen. Stattdessen sehen wir alles rosarot.
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Autor:Caro Dai aus Essen-Werden |
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