Literatur Hotel Preis 2012: "Mord in Dinslaken Mitte" von Kerstin Schütze

„Frau Rademacher, ich störe Sie nur ungern, aber wir hamm' hier 'ne Leiche.“
Wie großartig, so einen Satz hört man doch gerne, insbesondere dann, wenn man gerade seine sieben Sachen gepackt hat und auf dem Weg in seinen verdienten Urlaub war. Tja, da half wohl alles nichts, mein Urlaub musste warten. Denn zurzeit gab es eine Unterbesetzung im Kriminalamt Dinslaken und mein einziger Kollege lag im Krankenhaus.
„Na schön, wohin soll ich kommen?“ fragte ich genervt. Was, zum Hans-Böckler-Platz in Dinslaken? Aber, da ist doch gerade diese Riesenbaustelle!
Das ehemalige Hertie-Kaufhaus war vor einigen Wochen mit einer großen Abrissparty verabschiedet und dann dem Erdboden gleich gemacht worden. Die Umbauarbeiten liefen derzeit im vollen Gange, wo demnächst ein neues Einkaufsparadies im Herzen Dinslakens entstehen sollte.
Wieso fand man gerade jetzt eine Leiche in dem ganzen Schutt und Geröll? Nachdenklich machte ich mich also auf den Weg und parkte meinen Wagen auf der angrenzenden Douvermannstraße. Per Fuß erreichte ich die Baustelle, dessen Lärm man bereits von den Seitenstraßen her hören konnte. „Hauptkommissarin Rademacher? Hier entlang bitte.“ Einer der Polizisten führte mich an den Tatort, vorbei an den Absperrungen und den neugierigen Blicken der Fußgänger. Eine Frauenleiche, mitten in einer Grube abseits des ehemaligen Hauptgebäudes, umgeben von Dreck und abgetrennten Kabeln. Kein schöner Anblick, vor allem, da es sich um eine attraktive, junge Frau Anfang Dreißig handelte.
„Die Spurensicherung ist gerade auf dem Weg hierher. Wir haben aber bislang keine persönlichen Sachen der Toten finden können.“ Seltsam, wie ist diese Frau denn nur hierher gekommen? Eines stand fest: sie lag noch nicht lange dort, denn das wäre den Bauarbeitern aufgefallen. Allein schon aufgrund des Verwesungsgeruchs. Andererseits befand sich der Tatort so weit weg von den Hauptarbeiten, dass sie auch nicht weiter hätte auffallen können. Äußere Verletzungen schien sie nicht zu haben. Auf welche Weise konnte sie dann gestorben sein?
Während ich so überlegte, entdeckte ich, nicht weit vom Tatort, neben diversen alten Werbeflyern wie der „Kuka“ oder der „Lichtburg Dinslaken“ einen weißen Zettel auf dem Boden, der trotz der Witterungen noch gut erhalten war und eine krakelige Schrift aufwies. Später stellte sich heraus, dass es eine Art Abschiedsbrief war. Darauf stand: „Es tut mir leid, ich wollte das nicht.“
‚Wer war bloß diese Frau?’ Diese Frage ließ mich nicht mehr los. Weder aus dem angrenzenden St. Vinzenz-Hosptial noch auf den umliegenden Polizeistationen vermisste jemand eine junge Frau Anfang Dreißig. Doch dann, ein Anruf: „Frau Rademacher, wir hamm hier ’ne Vermisstenanzeige von’er Frau namens Mertens, die sucht nach ihrer neuen Mieterin. Die vermisste Person is’ etwa 30 Jahre alt und is’ seit 2 Wochen nich’ mehr geseh’n worden. Is’ dat wat für Sie?“ Volltreffer. Ich verabredete mich mit der besagten Frau Mertens in ihrem Haus auf der Lessingstraße, einer netten alten Dame, die mir viel zu berichten hatte. Frau Mertens identifizierte die junge Frau später und nannte uns ihren Namen: Sophie Freising. Sie zog es aus Essen hierher, wo sie eine Affäre mit einem verheirateten Mann, der über ihr gewohnt hatte, verarbeiten wollte.
Eine Polizeistreife machte den Mann schnell ausfindig, der schon bald darauf alles gestand. Sophie war seine Geliebte gewesen, für die er seine Frau aber nicht verlassen wollte. Von Sehnsucht getrieben suchte er Sophie dennoch auf und fand sie schließlich in ihrer neuen Wohnung in der Lessingstraße, nahe dem Hans-Böckler-Platz. An jenem Abend vor 2 Wochen ließ sie ihn in ihre neue Wohnung herein, was ein fataler Fehler war.
In einem heftigen Streit der beiden packte der Mann seine Geliebte und schubste sie so derbe gegen die Brüstung des Balkons, dass sie das Gleichgewicht verlor und rücklings vom dritten Stockwerk in den Garten fiel. Genickbruch war die Folge, die junge Frau war sofort tot. Der Täter nahm die Leiche voller Panik und rannte mit ihr durch die nächtliche Stille bis zur Baustelle auf dem Hans-Böckler-Platz. Er hatte wohl gehofft, dass es wie Selbstmord aussehen würde und dass man glaubte, sie sei bereits vor der Detonation des Gebäudes vom Dach gesprungen. Eines ist jedoch fraglich: hatte er den Brief geschrieben, damit es wie Selbstmord aussah oder hatte er sich für seine Tat entschuldigen wollen? Diesen und weiteren Fragen werde ich nun nachgehen und den Mann zur Rechenschaft ziehen, damit ich endlich in meinen wohlverdienten Urlaub fahren kann. Sofern nicht wieder ein Mord passiert.

Literatur-Hotel-Preis?
Vor zwei Jahren wurde der 1. Dinslakener Literatur-Hotel-Preis von Niederrhein Anzeiger, Art Inn Hotel und weiteren Sponsoren ins Leben gerufen. Der Name entstand auch als kleine Hommage an sein Vorbild, den berühmten „Literatur-Nobel-Preis“. Denn auch Nobelpreis-Autoren haben einmal klein angefangen. Oft mit Kurzgeschichten. So wie der Meister der Shortstory, der spätere Literatur-Nobel-Preis-Träger Ernest Hemmingway. Der seine allerersten Stories übrigens beim heimischen US-Anzeigenblatt veröffentlicht hat. Während der gesamten Laufzeit seit 2010 haben in der verlagsweit einmaligen Aktion rund 100 Autoren mit ihren Stories am Dinslakener Literatur-Hotel-Preis teilgenommen. Und der Niederrhein Anzeiger (wöchentliche Auflage 54.800 Exemplare) konnte auch viele bemerkenswerte LHP-Stories veröffentlichen. Alle bisherigen LHP-Gewinner blieben dem Schreiben treu. Erste Bücher wurden veröffentlicht, weitere Stories entstanden und sogar Romane entstehen. Wer Lust hat, kann die vielen tollen LHP-Stories in ihrer ganzen thematischen Bandbreite (Krimi bis humorvoll) hier auf Lokalkompass.de (Suchfeldeingabe: Literatur Hotel Preis ) nachgelesen. Wir wünschen viel Spaß!

Literatur-Hotel-Preis-Sponsoren 2012:
u. a. Art Inn Hotel (Übernachtung Gewinner-Suite mit Romantic Dinner und Frühstücksbuffet), Aveo Air Service (Helicopter-Rundflüge), Alfred Grimm (Künstler-DINsLAKEN), Edeka Bienemann (Edler Picknick-Korb), Sparkasse Dinslaken-Voerde-Hünxe (Romantic Dinner for Two im Art Inn), REAL (Edler Picknick-Korb), Optik und Akustik Heinz Riehl (Hörbücher-Gutschein) und die Altmarktbuchhandlung Korn (Überraschungsbücher-Paket). Ihnen allen herzlichen Dank für das Engagement!

Autor:

Janutschka Perdighe aus Dinslaken

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