Literatur-Hotel-Preis 2011: Ramona Breder "Katzenliebe"

Ramona Breder

Erschöpft und schweißgebadet wird Gabi wach. Über ihren Köpfen hängen grelle Lampen herab, sie liegt in einem weißen Zimmer ohne Fenster. Aufstehen kann sie nicht, denn sie bemerkt die Ledergürtel um ihre Arme, die dieses verhindern. Sie schreit und tobt, bis eine Krankenschwester ins Zimmer kommt und ihr eine Spritze gibt. Sie schläft wieder ruhig ein.
Zur selben Zeit sitzen Andreas und Martina beim Chefarzt der Psychiatrie und reden mit ihm über den verschlimmerten Zustand ihrer Mutter.
„Mir tut es sehr Leid um ihre Mutter, aber sie wird die nächsten Jahre unter Beobachtung hier bei uns bleiben müssen.“ „Aber meine Mutter ist doch krank und keine Schwerverbrecherin!“ wittert Martina dagegen. Oder vielleicht doch?

Im Kopf ihrer Mutter Gabi spielt sich das ganze Szenario nochmals ab.
Gabi begegnet ihrer Nachbarin im Hausflur. Frau Müller lauert doch nur darauf sie zu triezen. Wenn Blicke töten könnten würde Frau Müller auf der Stelle umfallen. Frau Müllers Hobby ist es, Nachbarn zu beobachten und Hausmeisterin zu spielen. Sobald ein Nachbar ein Fuß in den Hausflur setzt, muss Frau Müller zufällig in den Keller um ein Glas Gurken zu entsorgen. Das ist Frau Müller.
Gabi wohnt seit einigen Jahren in dieser Mietwohnung und hatte von Anfang an Probleme. „Hier darf ihr Fahrrad nicht stehen!“, „Im Hausflur keine Blumen!“, „Katzen sind hier nicht erlaubt!“ Das waren die ersten Nettigkeiten, die Gabi erfuhr.
Mittlerweile traut sich Gabi kaum noch vor die Türe. Sie fühlt sich einsam und nutzlos und hat ihr Selbstbewusstsein durch Frau Müller noch mehr verloren. Nach ihrer 2.Scheidung, musste sie auch noch krankheitsbedingt ihren Job aufgeben. Das Einzige was sie noch glücklich machte, war ihre Katze. Die 10jährige, pummelige schwarze Ginger folgte ihr auf jeden Schritt. Die beiden waren ein gutes Team. Ginger, die Haus-Fliegenfalle und Gabi die Super-Streichlerin…
Eines Mittags, nach dem Einkaufen wundert sich Gabi, dass Ginger nicht an die Haustür kommt. Normalerweise steht sie schon Spalier, wenn sie Gabis Schlüssel im Schloss hört. „Ginger, wo bist du?“ Gabi stellt die Tüten ab und begibt sich auf die Suche nach ihrer Katze. Keine Ginger unterm Bett, im Schrank oder an den anderen Schlafplätzen. Langsam breitet sich Panik in Gabis Augen aus. Rufend rennt sie durch die Wohnung, aber keine Ginger weit und breit. Einen kurzen Augenblick später, kommt Gabi zu dem Entschluss dass Ginger etwas passiert sein muss. „Da hat bestimmt die Hexe Frau Müller was mit zu tun. Die hat meiner Ginger bestimmt was angetan. Vergiftet hat sie sie oder im Bach ertränkt. Die kann was erleben, “ dachte Gabi noch. Aber dann…verwischen die Erinnerungen.

„Ihre Mutter leidet an einer schweren Schizophrenie! Wir vermuten dass diese durch den Tod ihrer Katze vor 7 Monaten ausgelöst wurde.“ Führt der Chefarzt fort. „Anscheinend ging sie davon aus, dass die Katze noch leben würde. Irgendwann hat ihr Unterbewusstsein den Verlust verarbeitet, doch sie brauchte einen Schuldigen der für den Tod der Katze verantwortlich gemacht werden konnte. Und da kam dann ihre Nachbarin Frau Müller ins Spiel.
Nach den Informationen der Polizei ist ihre Mutter an dem besagten Tag Frau Müller im Keller aufgelauert. Ich möchte Ihnen lieber die Details ersparen, denn es war sehr brutal wie Frau Müller dann im Endeffekt gestorben ist. Anschließend hat ihre Mutter die Polizei angerufen und gesagt dass ihre Katze von der Nachbarin vergiftet wurde. Als die Polizei am Unfallort eintraf, saß ihre Mutter zusammengekauert in der Ecke im Keller und starrte vor sich her. Frau Müller lag bereits einige Stunden tot an ihren Füßen.
Vollkommen entsetzt fängt Martina an zu weinen. „Und das nur wegen einer Katze?“
„Wir hoffen, dass sich ihre Mutter erholt und in einiger Zeit wieder gesund wird.“
Geschockt und traurig zugleich stehen Andreas und Martina vor dem Zimmer/Zelle ihrer Mutter, die eigentlich nur einsam war aber dann zur Mörderin wurde.
Man weiß ja nie, wer der Nachbar wirklich ist oder was der Nachbar wirklich denkt oder wie lieb dieser seine Katze hat.

Autor:

Ramona Breder aus Dinslaken

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