Ihr Baby

war entführt worden. Was konnte es Schlimmeres für sie geben. Ein kurzer, unbeaufsichtigter Moment hatte ihr Leben aus den Angeln gehoben.

Wie konnte das passieren? Nur ganz kurz war sie in dem Lebensmittelladen gewesen. Durch die große Glasscheibe war ihr Liebling in seinem Buggy gut zu sehen. Vergnügt sah er sie mit seinen dunklen, schelmischen Augen an. Ein warmes Glücksgefühl durchströmte sie dabei.
Für einen kurzen Moment wurde ihre Aufmerksamkeit an der Kasse abgelenkt. Als sie aus dem Laden trat und in den Kinderwagen guckte, war dieser leer. Sie brauchte einen Moment, um das halbwegs zu realisieren. Wie in Trance ging sie nach Hause.

Dort angekommen ließ sie sich schwer auf das Sofa fallen. In ihrem Kopf war ein Vakuum und doch war da ein Gedanke der sich unaufhaltsam an die Oberfläche kämpfte. 'POLIZEI. Ich muss die Entführung melden und mir Hilfe holen.'
Auf ihren Mann konnte und wollte sie sich nicht verlassen. Sie lebten in Trennung und er wohnte bei seiner neuen Freundin und deren Kindern aus erster Ehe.

Ihr Arm, der gerade auf dem Weg zum Telefon war erstarrte, als dieses klingelte. "Hallo" konnte sie nur noch flüstern, da ihr die Angst ihre Kehle zuschnürte. Der Mann am anderen Ende der Leitung kam gleich auf den Kern der Sache.

"Ihrem Schatz geht es gut … noch. Wenn sie ihn lebend wieder sehen möchten, dann deponieren sie 150.000 Euro auf dem Güterbahnhof. Morgen bekommen sie mit der Post weitere Instruktionen. Und das Wichtigste: Keine Polizei, sonst …!!"
Bei dem Geräusch, das er machte, wurde ihr übel.

Alles, alles würde sie für ihren Paul machen, und das sagte sie auch dem Entführer. Am Geld hing sie nicht, und da ihre Eltern sehr wohlhabend waren und ihr schon jetzt ihr Erbe ausgezahlt hatten, war der Betrag für sie kein großes Problem.

Sie würde sich genau an die Anweisung halten, und alles war wieder gut. Mit diesem Gedanken ging sie nach oben in das Zimmer ihres "Paule" so nannte sie ihn. Bei dem Geruch den die Babydecke ausströmte, und dem Anblick der vielen süßen Anziehsachen, drehte sich ihr der Magen um. Sie musste ihn wiederhaben. Wie einsam und alleine er jetzt wohl ohne sie war. Jede Nacht schlief er seit seiner Geburt mit in ihrem Bett, was zu vielen Streitigkeiten mit ihrem Mann geführt hatte.
"Verwöhn ihn nicht so sehr" hatte er oft zu ihr gesagt. Aber sie konnte nicht anders. Sie musste ihn ganz nah bei sich haben, und sehen und spüren, dass es ihm gut ging. Er war ihr Ein und Alles.

Am nächsten Tag kümmerte sie sich um die Beschaffung des Geldes. Als sie nach Hause kam, lag der besagte Brief unter ihrer Haustüre. Sie setzte sich in ihr Auto, um zu dem abgelegenen Güterbahnhof zu fahren, hielt sich streng an die Anweisung und fuhr danach wieder zu ihrem Haus zurück.
Die Anspannung war für sie kaum noch auszuhalten als das Telefon endlich läutete. "Ist ja alles super gelaufen" hörte sie die Stimme des Entführers sagen. "Gehen sie auf ihre Terrasse ……." Den Rest hörte sie schon nicht mehr.

Taumelnd vor Anspannung, Angst und auch Hoffnung, wankte sie durch ihr Wohnzimmer und öffnete die Terrassentüre. Im Scheine der Solarlampe sah sie einen Bastkorb auf den Steinen stehen. Sie ging darauf zu und in diesem Moment sprang ihr über alles geliebter "Paule" aus dem Korb und lief laut bellend auf sie zu.

Wie glücklich sie war. Sie hatte ihr Baby wieder.

© pefito

Autor:

Petra Tollkoetter aus Dinslaken

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