Nicole Jäger
Eine Autorin und Comedian spricht über die Schattenseiten eine Frau zu sein
Mit ihrem Buch „Unkaputtbar - Wie mein Mangel an Selbstwert zum Problem wurde und wie ich da wieder rauskam“ kommt Nicole Jäger am 07.05.2022 auf Einladung der Gleichstellungsstelle nach Dinslaken in das Dachstudio. Tickets sind über reservix und bei der Stadtinformation im Rittertor erhältlich. Anlässlich dieser Lesung wurde Nicole Jäger interviewt.
Bekanntheit erlange sie mit ihrem ersten Buch „Die Fettlöserin – Eine Anatomie des Abnehmens“, das im Januar 2016 bei Rowohlt erschien und über Wochen in den Top 10 der SPIEGEL Bestsellerliste geführt wurde. „Die Fettlöserin“ bescherte ihr aus dem Nichts eine treue Fanbasis. Aus den Lesungen zum Buch entwickelte sich das Stand-Up-Programm „Ich darf das, ich bin selber dick“ mit dem die Künstlerin sehr erfolgreich durch Deutschland tourte. Ein Programm das zwar sehr lustig war, aber auch oft für nachdenkliche Momente sorgte. Sie spielte in ausverkauften Hallen vor einem begeisterten Publikum. 2018 kehrte sie mit dem zweiten Programm „Nicht direkt perfekt“ wieder auf die Bühne zurück und hielt ihren Geschlechtsgenossinnen den Spiegel vor. Meist totkomisch, manchmal rührend. Denn Frausein ist nicht immer einfach, aber ziemlich grandios.
Im Sommer 2021 brachte sie bereits ihr drittes Buch heraus. In "Unkaputtbar - Wie mein Mangel an Selbstwert zum Problem wurde und wie ich da wieder rauskam" machte Nicole Jäger ihre Erfahrungen mit häuslicher Gewalt und toxischer Beziehung öffentlich.
Trotz Erfolg und öffentlicher Anerkennung stolperte sie immer wieder in ungesunde, gewaltvolle Beziehungen – auch, weil es ihr an Selbstwert mangelte. Diese Erfahrung teilt sie mit vielen Frauen, doch nur die wenigsten sprechen offen darüber. Nicole Jäger erzählt von ihren Erfahrungen, von den Tiefpunkten einer gefährlichen Beziehung, psychischem Terror und nagenden Selbstzweifeln. Mit viel Feingefühl schildert sie, wie ihr Leben zwischen TV-Auftritten, Morddrohungen, Applaus und dem Gefühl, nicht genug zu sein, aussah - und wie wichtig ein starkes Selbstwertgefühl ist, um sich aus ungesunden Beziehungen zu befreien.
Sie waren fünf Jahre lang mit einem Partner zusammen, der Ihnen häusliche Gewalt angetan hat. Wann in der Beziehung haben Sie gemerkt: Da stimmt was nicht?
Die Beziehung hat nicht mit Gewalt begonnen, sondern mit der ganz großen Liebe. Alles war rosarot. Ich habe bin aber ein sensibler Mensch und dachte irgendwann: Mit dem Typen stimmt was nicht, die Geschichten, die er erzählt, sind komisch. Trotzdem habe ich am Anfang viele rote Flaggen übersehen. Irgendwann kam raus, dass zwischen den Aussagen von ihm und meiner Wahrnehmung eine riesige Lücke ist. Das habe ich aber erst sehr spät gemerkt. Dazu kamen mit der Zeit viele Wutanfälle, die er hatte. Da wusste ich: Irgendwas läuft hier richtig schief. Und es wurde immer schlimmer. So salopp es klingt, wenn dein Partner versucht dich zu erwürgen, ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Sie sind erfolgreich als Stand-up-Comedian unterwegs und haben einige Bestseller geschrieben. Sie sind also nicht die Person, die man sich wahrscheinlich vorstellt, wenn von Opfer häuslicher Gewalt die Rede ist.
Stimmt. Ich passe nicht ins Klischee. Aber dieses Klischee stimmt eben einfach nicht. Häusliche Gewalt findet sich in allen sozialen Schichten und allen Berufsgruppen. Erfolg im Job schützt ebenso wenig vor Gewalt durch den Partner, wie ein liebender Freundeskreis oder soziale Kontakte. Das Bild der armen verhärmten Frau am Rande der Gesellschaft, dem man das typische Opfersein schon von Weitem ansieht, ist ein weit verbreiteter Mythos. Er stimmt nur eben nicht. Das Einzige was fast alle Opfer häuslicher Gewalt gemeinsam haben ist, dass sie weiblich sind.
Was war für Sie in der Beziehung das schlimmste?
Die psychische Gewalt. Es geht ja nicht immer um körperliche Gewalt. Die kommt später oft on top, aber die Grundlage ist immer psychische Gewalt. Und die passiert schleichend und sehr manipulativ. Denn dein Gegenüber ist ja kein normaler Typ, sondern jemand mit einer psychischen Krankheit, zum Beispiel einer narzisstischen Störung. Ich habe viel Rückmeldungen von betroffenen Frauen erhalten. Und alle haben mir berichtet, dass sie die psychische Gewalt am schlimmsten fanden. Weil einen das so unheimlich erniedrigt.
Sie haben ihre Erfahrung in ihrem aktuellen Buch „Unkaputtbar“ niedergeschrieben. Sie schreiben darin auch von Scham über das Erlebte zu berichten. Wie konnten Sie diese Scham überwinden?
Scham ist ein wahnsinnig schlimmes Gefühl. Es hält einen in den schlimmsten Situationen, weil Scham fast immer größer ist als man selbst. Dabei empfindet das Gegenüber Ehrlichkeit, Offenheit und Verletzlichkeit weit weniger dramatisch als man selbst. Wenn man darüber spricht, löst sich dieses Schamgefühl auf. Ein Opfer ist niemals selbst schuld. Das musste ich auch erst mal lernen. Wenn man aber einmal die Hürde überwunden hat, ist der Bann gebrochen. Ich hatte zu Hause zwar den gleichen Terror, aber ab dem Moment war es weniger schrecklich, weil ich Komplizen hatte. Das hilft enorm, um diesen ganzen Schrecken von häuslicher Gewalt langsam, aber sicher abzubauen. Bis man den Absprung schafft.
Autor:Karin Budahn-Diallo aus Dinslaken |
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