Der Liebesbrief
Mein Geliebter. Ich kann nicht mehr essen, nicht mehr schlafen, nicht mehr denken und nichts macht mir mehr Freude ohne dich. Es gibt keine Worte, mit denen ich dir sagen kann, wie sehr ich dich vermisse. Dein liebevoller Blick, dein verschmitztes Lächeln, ich sehne mich geradezu körperlich danach. Gestern erst bin ich durch unseren Park gegangen. An der Stelle, an der wir uns das erste Mal geküsst haben, musste ich weinen. Ich fühle noch jetzt deine Küsse auf meinen Lippen, und sehne mich nach mehr.
Meine Eltern wissen noch immer nichts von dir. Du weißt ja, mein Vater hat einen anderen Mann für mich im Auge. Wäre meine Mutter ein bisschen mutiger würde sie ihm widersprechen, aber das wird leider nicht geschehen. Niemals werde ich einen anderen Mann als dich lieben oder gar heiraten. Wir werden zusammen alt, das verspreche ich dir. Du bist mein ganzes Glück. Können wir uns in vier Tagen an unserer alten Ulme treffen? Zur gleichen Zeit wie immer? Bitte lege deine Antwort in unser Geheimversteck. Ich liebe dich für immer und ewig.
Als die Frau den Brief zu Ende geschrieben hatte, wollte sie sich schnell von dem Sofa, auf dem sie gesessen hatte, erheben. Doch ein starker Schmerz durchfuhr ihre Beine und ihren Rücken. ‚Wohl zuviel Tennis gespielt’ dachte sie. ‚Na, dann muss ich mich eben mal ein paar Tage schonen.’
Es klopfte an der Türe. Nach ihrem „Herein“ betrat eine junge Frau in einem strahlend weißen Kleid das Zimmer. ‚Das Kindermädchen meiner Brüder, adrett wie immer.’ Sie mochte die junge Frau, da sie immer sehr freundlich zu ihr war. Doch jetzt war ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für ein Gespräch. Der Brief brannte ihr auf der Haut. Geistesgegenwärtig hatte sie ihn noch schnell unter ihrem Kleid versteckt.
Sie konnte nur hoffen, dass die Betreuerin ihrer jüngeren Brüder nur mal kurz vorbeischauen wollte. Aber auch wenn nicht, irgendwann musste sie ja gehen und sich um die Kinder kümmern. Dann konnte sie selbst schnell aus dem Haus huschen und den Brief in das Versteck legen. Ihr Liebster würde ihn lesen und sich genauso auf sie freuen wie sie sich auf ihn. Bei diesem Gedanken leuchteten ihre Augen hell auf.
Die junge Frau in dem weißen Kleid schaute in die glücklichen Augen ihrer über achtzigjährigen Heimbewohnerin und freute sich mit ihr.
© pefito
Autor:Petra Tollkoetter aus Dinslaken |
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