Bochum Brachland Museum - Kunstwerkewerfen im Bermudadreieck
Ein Zaun als Definitionssperre. Die dahinter liegende Brachlandschaft ist der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Ein Grünstreifen, wild und vernachlässigt.
Für die Einen Naherholung mitten in der Stadt. Für die Anderen wildes und vernachlässigtes Terrain an dem sich Menschen ohne Legitimation im öffentlichen Raum aufhalten. Ein Zaun trennt, sortiert, ordnet, plant, reglementiert…
Der offene Brief des Künstlers Matthias Schamp an die Bochumer Stadtverwaltung zu eben dieser Einzäunung gab den Anstoß für die Aktion „Kunstwerke-Werfen_Informelle Inbesitznahme des Situativen Brachlandmuseums Bochum“.
48 Künstler schenken der Stadt „einfach so“ einen Kulturstandort, wobei es hier nicht um die Befriedigung eines Repräsentationsbedürfnisses geht sondern um das Hinterfragen von Realitäten, wie Hr. Schamp in seiner Einführung erklärt.
Verschiedenste Assoziationen zum Thema Mensch, Natur, Zaun wurden in die Objekte gelegt und mit gekonnter Schlagballtechnik in den brackigen kleinen Tümpel jenseits geschmissen.
Wir begegnen der Sonde des Künstlers Karl-Heinz Mauermann, der eine kleine an Luftballons schwebende Maschine baute, um Daten zu sozialen Befindlichkeiten vor und hinter dem Zaun zu sammeln. Nol Henissen wirft schwergewichtige Eisringe. „Eis für die Ewigkeit“,wie er schmunzelnd hinzufügt. Nichthörbare subsonische Saxophonklänge von Markus Zaja beschallen die Brache und Zuhörer, die sich wieder rum die Freiheit nehmen auch herzhaft zu lachen.
Hinter mir wird eine Künstlerin gefragt, was sie denn mit ihrem Objekt vermitteln wolle.
Ich stutze.
Ist das eigentlich die richtige Frage, dieses „Was will uns der Künstler damit sagen?“
Wenn es eine Funktion von Kunst ist Realität zu hinterfragen, muss ich es nicht aus meiner Sicht heraus betrachten?
Ich blicke durch die rechteckigen Öffnungen, die das Gestänge des Zauns vorgibt. Farbige Kleckse, Keramiken, kleine Objekte aus verschiedensten Materialen liegen, schwimmen und versinken.
Meine Realität...meine Assoziation...
Ich sehe meinen kleinen Neffen am Küchentisch sitzen, wie er in den Sommerferien mit Hingabe ein Meer mit hohen Wellenbergen malt. Anschließend versucht er ein gefaltetes Papierboot darauf zu platzieren. Er probiert es zunehmend verzweifelt.
Es passt nicht auf die Welle ohne gleichzeitig über den Rand des Blattes zu stehen.
"Das Boot muss nicht in der Mitte kleben, lass es doch in das Bild hineinfahren", schlage ich ihm vor und er fragt mich mit großen Augen:
„Darf man das?"
Ja, er darf und seitdem ziert meinen Kühlschrank eine dynamische Meereslandschaft mit einem sich scheinbar bewegenden Boot.
Meine Finger lösen sich aus dem Zaun.
Struktur, Ordnung, Regeln, Grenzen...
Hoffentlich bekommt er keinen Ärger mit seiner Grundschullehrerin, wenn er sich den Raum nimmt über DIN A4 hinaus zu denken.
Infos zum Brachlandmuseum sowie Termine für Führungen:
http://brachland-museum.de/
Der Stein des Anstoßes:
http://www.ruhrbarone.de/offener-brief-an-den-bochumer-baurat/
http://www.derwesten.de/staedte/bochum/Vom-Freizeitwert-der-Gewerbebrache-id3602770.html
Autor:Eva Bock aus Dinslaken |
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