Per Anhalter in die Zentrale
Familie Wiethoff sorgt seit 60 Jahren fürs Lottoglück in Ense
Fünf Euro? Zwei Richtige mit Superzahl? Eine richtige Endziffer bei Spiel 77? Für Ursula Wiethoff bedeuten fünf Euro ein Gewinnerlebnis – und das kann sie ihren Kunden auch vermitteln. Mit den kleinen Dingen fängt schließlich alles an und überhaupt ist es viel besser, zuerst das Positive zu sehen. Das ist die Lebensphilosophie der 70-Jährigen, die immer noch in der Annahmestelle ihrer Familie in Ense-Bremen im Kreis Soest am nördlichen Rand des Sauerlandes mit anpackt. Die gebürtige Hammerin ist ein echtes Lotto-Urgestein. Zu ihr kommen die Menschen, um ihr Glück zu versuchen, aber auch einfach nur um zu reden. Gegenüber der Lottotheke gibt es eine Sitzecke und einen Stehtisch. Hier halten Kunden sich gerne auf und sprechen über Gott und die Welt. Diese Annahmestelle ist ein Kommunikationszentrum und Nachrichten-Umschlagplatz im Dorf.
Kurz nach dem Krieg zog Ursula Wiethoffs Familie von Hamm nach Ense-Bremen. Ihr Vater, Heinz Specht, eröffnete dort einen Friseursalon. Anfang der 50er Jahre kam eine Wettannahmestelle für Fußballtoto hinzu. Und 1955 dann Lotto – vor genau 60 Jahren. Schon als damals Zehnjährige hat sich Ursula Wiethoff gerne im Geschäft ihres Vaters aufgehalten.
„Da konnte ich mich immer nützlich machen – und wenn ich den Kunden etwas vorgesungen habe. Auch Banderolen für Lottoscheine durfte ich manchmal kleben“, erinnert sie sich an frühere Zeiten. Die ganze Familie war stets in vollem Einsatz: Die Mutter machte sich in den Anfangsjahren von Lotto an jedem Freitagabend per Anhalter nach Köln auf, um dort in der Lottozentrale die Spielscheine zur Auswertung abzugeben. 125 Kilometer hin, 125 Kilometer zurück. Kein Problem! Später reichte es, die gespielten Scheine ins sieben Kilometer entfernte Werl zu bringen. Dort war eine Bezirksstelle eingerichtet worden.
Stolz zeigt die heutige Senior-Chefin die Urkunde, die ihr Vater 1980 von Westlotto anlässlich seines 25-jährigen Dienstjubiläums erhielt. Unterschrieben ist sie von den damaligen Geschäftsführern und Unternehmensgründern Lothar Lammers und Peter Weiand, die vor 60 Jahren Lotto 6aus49 ins Leben riefen. Heinz Specht hat immer viel Lottoglück unter die Leute gebracht. Für seine hervorragenden Verkaufszahlen wurde ihm einmal sogar eine Reise nach Portugal geschenkt. Als der Senior 75 Jahre alt wurde, übernahm 1989 seine Tochter das kleine Unternehmen. Auch bei ihr entwickelten sich die Umsätze gut. Reisen ins Ausland vermisste Ursula Wiethoff dabei überhaupt nicht. „Am liebsten bin ich hier im Laden“, betont die Geschäftsfrau. Und dort hat sie schon turbulente Tage erlebt. Beim ersten Lotto-Superding gab es einen wahren „Marathon“ an den Registriergeräten, so viele Scheine mussten eingelesen werden. Die Gewinnlisten waren anschließend so lang wie eine Tapete. Ein Foto aus dem Jahr 1997, das Ursula Wiethoff mit einem alten Registriergerät zeigt, erinnert an die Umstellung von Offline- auf Online-Verarbeitung. Seitdem ist vieles komfortabler. So konnte der Samstag als Lotto-Tag hinzugewonnen werden. Das brachte zahlreiche neue Kunden für die Annahmestelle, denn die berufstätigen Pendler, die vorher ihren Schein am Freitag nach der Arbeit auswärts abgaben, erledigen dies seitdem am Samstagmorgen in Ense-Bremen.
Die Annahmestelle wird seit dem vergangenen Jahr in dritter Generation von Franz Wiethoff geführt, dem Enkel von Heinz Specht. Der Friseursalon existiert auch heute noch, Zentrum des Geschäftes ist aber die Annahmestelle. Zusätzlich hat Franz Wiethoff noch einen Paketdienst-Service ins Sortiment genommen. Viele Stammkunden kommen schon seit Jahrzehnten in den Laden der Wiethoffs. „Hier wird viel gelacht“, beschreibt der Junior die Atmosphäre im Geschäft. „Wegen Eurojackpot kommen wieder mehr junge Leute in die Annahmestelle“, freut sich Franz Wiethoff. Und ordentlich gewonnen wird in Ense-Bremen auch. Neben etlichen Gewinnen über 5000 Euro (Zentralgewinne) gingen zahlreiche Autos aus Sonderauslosungen an Kunden der Wiethoffs – vom Opel Manta in den 70ern bis zum Mercedes B-Klasse in jüngerer Zeit.
Spielteilnehmer, die besorgt fragen, was sie denn machen sollen, wenn das Terminal einmal anzeigen sollte, dass sie viel Geld gewonnen haben, kann Ursula Wiethoff beruhigen: Erstens erscheint ab 5000 Euro niemals die genaue Gewinnsumme am Bildschirm, und zweitens steht für solche Fälle ein eigener Nebenraum zur Verfügung. Dort können alle Formalitäten vertraulich unter vier Augen abgewickelt werden. „Bei uns kann man sehr diskret spielen und gewinnen. Deshalb kommen auch viele Menschen von außerhalb gezielt zu uns“, ergänzt der Junior-Chef. Ense besteht aus 16 Dörfern mit insgesamt 12 500 Einwohnern, und die Wiethoffs leiten eine von zwei Annahmestellen in diesem Gebiet. Wenn ein Stammkunde mal krank ist und telefonisch um die Abgabe eines Lottoscheins bittet, ist das bei Wiethoffs auch kein Problem. Oft wird die Spielquittung dem Patienten dann nach Ladenschluss sogar zu Hause vorbeigebracht.
Autor:Lokalkompass Empfehlungen aus Essen-Süd |
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