Barrieren auf der Straße – und im Kopf: Beim TV Ratingen werden Sport und Inklusion großgeschrieben
Für einen Fußgänger ist ein Bordstein ein Bordstein. Fuß anheben, fertig. Für einen Rollstuhlfahrer ist ein Bordstein ein Hindernis.
Das lässt sich zwar oft überwinden, dafür wird allerdings Übung benötigt. Beim TV Ratingen lernen Rollstuhlfahrer, mit solchen Alltagssituationen umzugehen. Nicht nur deswegen wurde der TV vom Behinderten- und Rehabilitationssportverband NRW als „Behindertensportverein des Jahres 2017“ ausgezeichnet.
„Inklusion ist wichtig, gerade im Sport!“ Lena Kreft brennt für ihre Aufgabe. Die 23-Jährige ist beim TV Ratingen für den Reha- und Gesundheitssport verantwortlich – und mit ihrem Enthusiasmus genau an der richtigen Stelle. Denn der TV spricht mit seinen Angeboten ganz ausdrücklich Menschen mit und ohne Behinderung an, Inklusion versteht er als Teil des Vereins. Gemeinsam mit Sportinklusionsmanager Tobias Pollap und vielen weiteren Beteiligten will Lena Kreft Stolpersteine beseitigen, die dem gemeinsamen Sport von Behinderten und Nichtbehinderten im Weg liegen. Im vergangenen Jahr hat der Verein in einem ersten Schritt zwei Schwimmgruppen für Kinder mit Handicap sowie eine Kinder- Rollstuhlsportgruppe und eine für Erwachsene ins Leben gerufen.
Kein leichter Weg
Allerdings: Leicht ist dieser Weg nicht. Menschen mit und ohne Handicap in einem Verein? Das ist für manche Leute immer noch nicht vorstellbar. Ulla Funke-Verhasselt gehört nicht dazu. Die 64-Jährige ist noch nicht lange auf einen Rollstuhl angewiesen und in der Gruppe ganz neu dabei. „Ich muss im Umgang mit diesem Gerät Sicherheit gewinnen. Das geschieht über Sport, außerhalb dieser Gruppe wäre das für mich gar nicht möglich.“ Die Fast-Rentnerin hat das Angebot des TV daher gern angenommen. Während sie erzählt, umkurven die übrigen Gruppenmitglieder im Slalom kleine Holzkegel, rollen über eine Turnmatte und versuchen, große Ringe zu überwinden.
Alltagssituationen
„Damit simulieren wir Situationen, die jedem jeden Tag begegnen“, erklärt Pollap. Per Holzkegel-Slalom lernen die Teilnehmer beispielsweise, mit dem Rollstuhl Hindernissen schnell auszuweichen, die Turnmatte steht für einen weichen Untergrund und die Ringe lassen sich so schwer überwinden wie Kopfsteinpflaster. Pollap, mit einer halbseitigen Körperlähmung selbst behindert, hat beim TV Ratingen einen bundesweit seltenen Job. Der 31-Jährige ist neben Studium und Schwimm- Leistungssport im Verein als Inklusionsmanager tätig. Diese Funktion ist in Deutschland noch nicht weit verbreitet. Er ist über das Projekt „Inklusionsmanager für den gemeinnützigen Sport“ des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zum TV Ratingen gekommen. Ziel ist es, die hauptamtliche Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderungen in Sportorganisationen zu fördern. Dies entspricht den Zielen des DOSB-Konzepts „Inklusion im und durch Sport“ und fördert die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Danach haben alle Menschen das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe, eben auch im Sport.
Große Entfernungen
Michael Bolten ist ein weiterer Rollstuhlfahrer, der das Angebot des TV Ratingen angenommen hat. „Warum ich hier bin?“, fragt er zurück und liefert direkt die Begründung: „Weil ich lernen wollte, einen Rollstuhl zu fahren. So lange habe ich das Teil nämlich ebenfalls noch nicht.“ Diese Gruppe ist für den 65-Jährigen wichtig. „Bei uns gibt es so etwas nicht. Hier kann ich neben dem Sport auch Erfahrungen mit Menschen austauschen, die in der gleichen Situation sind wie ich. Das ist mir wichtig!“ Teilnehmer kommen aus Düsseldorf, Remscheid oder Moers. Große Entfernungen, die die Rollstuhlfahrer auf sich nehmen, um in Ratingen Sport treiben, Sicherheit gewinnen und Menschen in ähnlichen Lebenslagen treffen zu können. „Das zeigt: Es muss noch eine lange Strecke zurückgelegt werden, bis dieses Thema überall angekommen ist“, betont Lena Kreft. Der TV Ratingen jedenfalls hat sich auf den Weg gemacht.
Weitere Infos auch unter: www.tv-ratingen.de
INFO
Behindertensportverein 2017
Der TV Ratingen ist in diesem Jahr zum „Behindertensportverein 2017“ gekürt worden. Damit würdigten Behinderten- und Rehabilitationssportverband NRW und Staatskanzlei NRW das Engagement des TV zum Thema Inklusion im Sportverein und die unterschiedlichen Angebote, die es dafür gibt. In vier Kategorien waren Vereine gesucht worden, die auf besonders innovative Weise Menschen mit Behinderung sportliche Möglichkeiten bieten. Aus 50 Bewerbern wurden vier Preisträger geehrt.
Das Lotto-Prinzip
Lotto 6aus49, Eurojackpot oder Rubbellose – doch Westlotto macht nicht nur Tipper zu Gewinnern, rund 40 Prozent der Einnahmen gehen an das Land NRW, das daraus Organisationen aus Sport, Naturschutz, Wohlfahrt, Kunst und Kultur und Denkmalschutz fördert. Davon profitieren zum Beispiel Institutionen wie der Landessportbund NRW und der Behinderten- und Rehabilitationssportverband NRW. In den vergangenen Jahrzehnten sind von WestLotto bereits insgesamt über 27 Milliarden Euro für das Gemeinwohl in NRW erwirtschaftet worden. Allein 2017 waren es rund 628 Millionen Euro. Damit wird jeder Spieler bei WestLotto gleichzeitig zum Sportförderer, Naturschützer, Wohlfahrtshelfer oder Denkmalschützer.
www.westlotto.de/lotto-prinzip
Autor:Lokalkompass Empfehlungen aus Essen-Süd |
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