Signal für Nachhaltigkeit - Großhändler EGV lässt Flugvolk ausschwärmen
100 000 Bienen unterstützen Bestäubung von Nutzpflanzen
“Bienenhotels” waren die Vörläufer praktischer Hilfe für die fleißigen Bestäuber. Zwar noch nicht direkt vom Aussterben bedroht, nimmt ihre Anzahl trotz vermehrter Aufstellung von Bienenvölkern deutlich ab. Das Alarmsignal der Natur nimmt der Lebensmittel-Großhändler EGV in Unna zum Anlass und stellte jetzt zwei Bienenvölker auf seinem Gelände an der Werler Straße auf.
Mit Blick auf das Bienensterben ist das Interesse an Hilfe für die Brummer zwar gestiegen. Für einen Bienenstock fehlt aber häufig der Platz, der richtige Standort und vor allem das Wissen über Pflege und Zucht. In diese Lücke springt ein Vertrieb aus Wadersloh. Er vermietet die Bienenvölker inklusive Beutekisten und bietet den Rund-um-Service für die fliegenden Arbeiter. Eines vorweg: Probleme mit benachbarten Anwohnern der Werler Straße gab es nicht. "Bienen konzentrieren sich auf ihre Arbeit, nicht auf das Stechen", weiß Imker Sven Claßen.
Flächenschwund
Er muss es wissen, denn Sven Claßen ist ihr Chef. Der Imker betreut den Bereich Münsterland und östliches Ruhrgebiet. Um 25 Bienenvölker kümmert er sich, Tendenz steigend. Bei EGV findet er ideale Bedingungen für das Flugvolk. Auf einem “Tortengrundstück” zwischen Werler Straße (B1) und Twiete haben die rund 100 000 Bienen jetzt ihr Domizil. “Eine Blumenwiese kommt noch hinzu”, erklärt Melanie Schlüter, EGV-Einkäuferin und Beauftragte für Nachhaltigkeit. Aus einem Umkreis von rund drei Kilometern holen die Bienen ihre Blüten, im hiesigen Raum meist Linde und Raps. Für den Ausgleich ihrer Nahrung sorgen Kräuter und Wildblumen. Die sind immer seltener zu finden, da aus verschiedenen Gründen immer mehr Grünflächen verschwinden. Doch 80 Prozent aller Nutzpflanzen werden von Bienen bestäubt. Jetzt ist nach Einschätzung von Experten fast jede Zehnte von Ihnen vom Aussterben bedroht.
Handbestäubung?
Über 2.000 heimischen Nutz- und Wildpflanzenarten sind auf die Bestäubungsleistung angewiesen. Alternativen gibt es nicht. In China werden Arbeiter eingesetzt um die Pflanzen mühsam per Hand zu bestäuben. “Ein weg den hier keiner gehen möchte”, ist Imker Sven Claßen überzeugt. Die Honigbiene erwirtschaftet in Deutschland jährlich einen volkswirtschaftlichen Nutzen von rund 2 Milliarden Euro. Schätzungen zufolge liegt der globale wirtschaftliche Nutzen der natürlichen Bestäubung aktuell bei etwa 265 Milliarden Euro. Fakt ist: Die Biene ist zum wichtigsten “Nutztier” hinter Rind und Schwein geworden.
Im Frühjahr wird Sven Claßen einmal pro Woche bei dem Bienenvolk nach dem Rechten sehen. Insbesondere kontrolliert er, ob sich eine zweite Königin entwickelt. “Eine Schwarmbildung sollte man vermeiden.” Die Gefahr der Konkurrenz ist zu groß.
Die Mietfirma Bee-Rent, Stammsitz in Ganderkesee, übernimmt von der Anmeldung der Völker beim Veterinäramt über die Kontrolle bis zum Ernten und Verarbeiten des Honigs alle Aufgaben der Imkerei. Dazu zählt auch die Gesundheitsvorsorge, etwa die Bekämpfung der Varroa-Milbe, die nach Europa importiert wurde.
Süße Freude für Kinder
Pro Bienenvolk ist mit etwa 20 Kilogramm Honig zu rechnen. Abgefüllt in 300ml-Gläser und etikettiert möchte EGV damit z.B. Kindertagesstätten eine Freude bereiten. Und Interesse wecken. Besichtigungen und Informationsveranstaltungen rund um Biene und Co. sind über Bee-Rent buchbar.
Nachhaltigkeit
Mit der aktiven Bienenhilfe möchte EGV ein weiteres Zeichen für Nachhaltigkeit setzen. “Auf vielen Gebieten setzen wir das bereits um”, erklärt Melanie Schlüter. Das EGV-Sortiment umfasse zahlreiche Bio- und Fairtrade-Produkte, etwa aus der Fischerei und bei Milchprodukten. Recyclefähiges Baumaterial, Ökostrom und eine “intelligente Tourenplanung” bilden weitere Schwerpunkte. In Seminaren werden ökologische Alternativen im Warenhandel erarbeitet. Die rund 380 Mitarbeiter am Standort Unna (800 in Deutschland insgesamt) werden täglich mit frischem Obst versorgt. Denn Nachhaltigkeit bedeute bei EGV auch persönliche Vorsorge. Für das Wohl seiner Mitarbeiter stellt der Großhändler jetzt sogar einen “Gesundheitsmanager” ein.
Info:
Die Gründe für das Bienensterben sind vielfältig: Immer dichtere Bebauung, Monokulturen in Wald und Feld, Einsatz von Pestiziden und der Befall durch die Varroa-Milbe aus Asien sind anerkannt die wichtigsten. Imker beklagen abnehmende Populationen ihrer Völker und gleichzeitig Probleme beim Finden von Standorten. Wer nicht über Platz auf Balkon oder im Garten verfügt, kann durch eine Bienenpatenschaft unterstützen. Die Honigbienenbeute steht dann an einem vorbstimmten Platz, die Beute wird namentlich gekennzeichnet und kann nach Absprache besucht werden. Gerade für Kinder spannend: Alles rund um die Honigbiene wird erklärt.
Autor:Stefan Reimet aus Holzwickede |
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