Krisenfall heute und damals in der Eifel
Drei Bunker an einem Tag
Die Hochwasserkatastrophe hat das Ahrtal schwer getroffen. "Touristen seien dennoch gerne gesehen", sagt Christian Lindner von Ahrtal-Tourismus. Geschäfte und Hotels würden gerne Gäste erwarten. Natürlich müsse man sich vorher informieren, was wo möglich sei. Einige Orte sind immer noch von der Stromversorgung abgeschnitten.
Wer in den zerstörten Orten mit einem fremden Kennzeichen auftaucht, fühlt sich von den Einheimischen und Helfern als vermeintlicher „Katastrophentourist“ beobachtet. Doch nicht jeder Tourist ist auf Bilder mit Hochwasserschäden interessiert. Wandern ist der Region weiterhin an vielen Orten möglich. Bei der Suche nach Restaurants muss man allerdings den Navi oder Google bemühen, um eine offene Einkehrmöglich zu finden. Für Geschichtsinteressierte bietet sich die „Eifel-Bunker-Tour“ an. Die drei Bunker auf dieser Tour sind „trocken“, blieben also vom Hochwasser verschont. Die letzten Bunkertouren finden am 10., 24. Oktober und 5. Dezember statt. Wegen der großen Nachfrage wird am 12. Dezember eine zusätzliche Tour angeboten.
1. Station: Der Regierungsbunker im Ahrtal
Durch einen Zeitungsbericht aufmerksam geworden, buchten wir die zweite Tour am 19. September. So finden sich an diesem Sonntagmorgen auf dem Parkplatz vor dem Regierungsbunker in Ahrweiler 41 Teilnehmer ein. Der Regierungsbunker im Ahrtal war das geheimste Bauwerk in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Seine Planung reicht bis ins Jahr 1950 zurück, Bundeskanzler Konrad Adenauer war vom Anfang an mit einbezogen. Federführend war das Bundesinnenministerium, das sich nach jahrelanger Standortsuche für den Kuxbergtunnel und Trotzenbergtunnel der nie vollendeten strategischen Bahn durch das Ahrgebirge entschied. 1962 begannen die Arbeiten am Kuxberg. 1971 war die fertige Bunkeranlage auf 17,3 Kilometer gewachsen und umfasste 936 Schlaf- sowie 897 Büroräume. Nach dem Rückbau zwischen 2001 und 2006 sind 203 Meter der ehemaligen Anlage im Kuxberg als Dokumentationsstätte erhalten geblieben. Der Weg vom Parkplatz zum Eingang der Dokumentationsstätte verläuft auf der alten Bahntrasse vom gesprengten Westeingang des Silberbergtunnels zum ehemaligen Ostportal des Kuxbergtunnels.
Unsere Gruppe führte Bunkerexperte Jörg Diester, Leiter der Pressestelle bei der Handwerkskammer Koblenz, und Autor des Buches „Plan B“. Diester und seine Mitautorin Michaela Karla berichten darin über die Regierungsbunker in Bonn und Ost-Berlin. Durch die neuerrichtete Empfangshalle der Dokumentationsstätte Regierungsbunker Bad Neuenahr-Ahrweiler gelangten wir zur Schleuse des Schutzbauwerks. Im Ernstfall oder bei Übungen hätte sich jetzt die schwere Stahltür hinter uns geschlossen.
Die nur 15 Grad kalte Bunkerluft ließ uns einen Hauch des Kalten Krieges spüren. Im September war der Regierungsbunker noch ohne Strom und wir erleuchteten mit Taschenlampen unseren Weg. Am liebsten würde Diester das Licht nicht mehr anknipsen, denn im Halbdunkel ist die Führung durch die Anlage viel eindrucksvoller. Wir fühlten uns nicht nur in die Zeit des Kalten Krieges zurückgesetzt, sondern machten tatsächlich einen technischen Zeitsprung in die 1960er-Jahre. Die gesamte technische Ausrüstung entspricht dem Stand dieser Epoche. Das sieht man unverkennbar an den Wählscheibentelefonen.
Im Verteidigungsfall sollte der Bunker den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler, den Gemeinsamen Ausschuss, den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, verschiedene Minister und dazu ziviles und militärisches Personal aufnehmen. In einem großen Besprechungsraum mit Kartenwänden unmittelbar neben den Räumen des Bundeskanzleramtes hätten die Lagebesprechungen stattgefunden. Mit Ausnahme von Bundeskanzler und Bundespräsident wurde das Personal in spartanischen Mehrbettzimmern untergebracht. Auch einen Friseursalon und einen unterirdischen Operationssaal besichtigten wir. Selbst Zahnbehandlungen wären möglich gewesen. Doch bei dem martialisch anmutenden Zahnarztstuhl der damaligen Zeit hätte man sicher gerne auf eine Behandlung verzichtet.
Alle zwei Jahre fanden im Rahmen des NATO-Manövers FALLEX beziehungsweise später WINTEX Übungen im Bunker statt, bis März 1989. „Wir sind aus den Latschen gekippt“, so sei der O-Ton eines Übungsteilnehmers gewesen angesichts der nie erneuerten Ausstattung des Bunkers, berichtet Jörg Diester. 30 Tage hätte die Regierung unter der Erde aushalten können. Dann wäre der Vorrat an Betriebsstoff und Nahrungsmitteln erschöpft gewesen. Wir stellen uns lieber nicht vor, was dann gewesen wäre: Weite Teile Deutschlands atomar versucht und von Truppen des Warschauer Pakts besetzt. Wie 2008 bekannt wurde, hätte die Bunkeranlage gerade einmal einer 20-Kilotonnen-Bombe, vergleichbar mit der Sprengkraft einer „Hiroshima-Bombe“, standgehalten. Der DDR-Geheimdienst war durch Spione bestens über die Bunkeranlage informiert. Der Spiegel berichtete, dass die Bundesregierung im Krisenfall in die USA ausgeflogen worden wäre, nach Orlando, Florida. Angesichts der Entwicklung von Atombomben mit höherer Sprengkraft war der Regierungsbunker längst nicht mehr sicher.
2. Station: Der Bunker der Landesregierung im Urfttal
Anderthalb Stunden dauerte die Führung. Nach einer Frühstückspause ging es mit dem Reisebus weiter zum Ausweichsitz der Landesregierung Nordrhein-Westfalens. Aus dem Bunker sollte die Landesregierung den Zivilschutz in NRW leiten. Seit 1997 befindet sich der Bunker in Privatbesitz. Harald Röhling, der Sohn des Käufers, führte uns durch den Komplex. Er spielte mit uns das Szenario durch, das ein Beamter im Ernstfall erlebt hätte. Eine Garage steht als Tarnung vor den Eingang. Zunächst ging es erstmal eine Treppe rauf zum eigentlichen Bunkereingang. Hier war es mit 7 Grad deutlich kühler als im Regierungsbunker. Mit dem Bau des NRW-Bunkers wurde Ende 1962 begonnen. Die Ausrüstung befindet sich im fast ursprünglichem Zustand. Zum Beispiel wurde die schwer zu bedienende Matrizendruckmaschine durch mehrere Kopierer ersetzt und die Siemens-Fernschreiber vom Typ T100 durch den moderneren Typ T1000.
Dann standen wir in einem Radiostudio mit einem Magnetband, von dem aus Hinweise und Verhaltensmaßregeln an die Bevölkerung gesendet werden sollten. Ob man im Kriegsfall nach dem Abwurf von Atombomben auf das Ruhrgebiet so wirklich Panik und kopflose Flucht hätte verhindern können, ist doch sehr fraglich. Fotografieren ist an besonderen Fototagen im Bunker möglich.
Im Haus der Geschichte des Landes Nordrhein-Westfalens am Düsseldorfer Mannesmannufer wurde ein Bunkerraum nachgebaut. Einige originale Rollen Toilettenpapier aus Urft haben sogar den Weg in die Ausstellung gefunden.
Letzte Station: Der Tresor der Landesbank
Der Bus fuhr uns an den letzten Standort auf der Tour: der Ausweichsitz der Landeszentralbank Nordrhein-Westfalen (LZB) in Mechernich-Satzvey. Zu unserer Überraschung steuerten wir eine Schule an. Der LZB-Bunker wurde als Teil der Baumaßnahme „Mittelpunktschule“ zwischen 1966 und 1969 mit viel Beton, Stahl, Technik und Millionenaufwand umgesetzt. Der Atomschutzbunker sollte die Spitze der Düsseldorfer Landeszentralbank im Verteidigungsfall aufnehmen und den Geld- und Kapitalverkehr sicherstellen. Es gab sogar einen Lagerraum mit einer Ersatzwährung, die BBk II genannt wurde.
Die Bundesbank ließ zwei Ersatzbanknoten-Serien herstellen. Man fürchtete damals eine Überschwemmung mit Falschgeld aus dem Osten, andererseits hätte man auch nach dem Dritten Weltkrieg und einer angenommenen Hyperinflation schnell eine Währungsreform durchführen können. Eine Serie war für Westdeutschland vorgesehen und erhielt die interne Bezeichnung „BBk II“. Die andere Serie war für West-Berlin vorgesehen und trug intern den Namen „Berlin-Serie“ oder „B-Serie“. Für die Erstellung der Ersatzserie wurden zwei der „Verlierer“ des Wettbewerbs um die „Umlaufserie BBk I“ ausgewählt: Max Bittrof und Rudolf Gerhardt. Die Bundesbank und das Finanzministerium beschlossen 1988, das Ersatzgeld zu vernichten. Bei den beauftragten privaten Entsorgungsfirmen wurden jedoch einige der Banknoten entwendet, sodass bis heute noch einige Scheine im Besitz von Sammlern sind.
Getarnt als Keller der neuen Mittelpunktsschule in Satzvey, wurde die Anlage Ende 1971 in Dienst gestellt. Was in dieser Zeit alles in der großen, eingezäunten und bewachten Baugrube verschwand, lässt sich nur erahnen. Wände von einem Meter Stärke, eine tonnenschwere Tresortür, massive Luftschutztüren bis hin zur Notstromerzeugung fanden ihren Platz in dem Betonklotz mit 1.800 Quadratmeter Fläche. Ein Gänge-Labyrinth unter dem künftigen Schulhof wurde angelegt, geheime Zugänge am Rand des Schulgeländes entstanden. In sogenannten „Belegungsversuchen“ schlossen sich Angestellte der Landeszentralbank im Bunker ein und spielten eine Woche Ernstfall. Dabei galt es nicht nur, die alltäglichen Herausforderungen dieser Unterwelt mit ihren Eigenarten zu meistern, sondern auch für den Schulbetrieb unsichtbar zu agieren. Denn während unten die Banker den Verteidigungsfall probten, wurden oben weiter Grundrechenarten und das Alphabet gelernt. Aus Gründen der Geheimhaltung sollten natürlich weder Schüler noch Lehrer oder Anwohner bemerken, dass es unter der Schule noch viel mehr gab als nur einen Heizungskeller.
Mit Ende des Kalten Krieges wurde aus dem gut gehüteten Staatsgeheimnis eine Abstellkammer. Durch Initiative der "Bunker Dokumentationsstätten" und der Stadt Mechernich, sowie der Unterstützung von vielen freiwilligen Helfern, konnte die Anlage im Jahre 2011 wieder zum Leben erweckt und als Dokumentationsstätte in Betrieb genommen werden.
Infos:
Webseite: bunker-doku.de
Autor:Norbert Opfermann aus Düsseldorf |
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