Vor 380 Jahren
Schwere Kämpfe bei Rheinberg, Budberg, Mörß und Krefeld
Der Niederrhein als Schauplatz historischer Ereignisse
zusammengetragen von Hansfried Münchberg
Ein Funke genügt
Wie gefährlich der Umgang mit dem sprichwörtlichen Pulverfass ist, seit Anfang dieses Jahres sitzt Europa, mit dem Krieg Putins gegen die Ukraine, wieder auf einem solchen, zeigt eine Begebenheit aus weit entfernten Tagen. Auch die grausamen Bilder, die uns heute per Fernsehen ins Haus geliefert werden, die Schrecken, die die Bevölkerung in der Ukraine erleiden muss, sind vergleichbar mit dem, was die Menschen vor etwa 400 Jahren zu ertragen hatten. Man fragt sich, ob die Menschheit in den zurückliegenden Jahrhunderten überhaupt nichts dazu gelernt hat.
Krieg am Niederrhein vor 380 Jahren
Im Jahr 1642, vor 380 Jahren, fanden gerade auch am Niederrhein zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen statt.
Europa befand sich im 24. Jahr des 30 jährigen Krieges.
Im Laufe dieses Krieges, der in den verschiedenen Landstrichen unseres Kontinents immer wieder hin- und herwogte wurde die Bevölkerung heftig in Mitleidenschaft gezogen. In diesem Krieg, der vordergründig um die wahre Religion geführt wurde, ging es immer wieder auch um die Macht und Habgier verschiedener gekrönter Häupter. Das Kriegsvolk, das für die jeweils Mächtigen in die Schlacht zog, rekrutierte sich eher selten aus den jeweiligen Landeskindern. Die Heere, die aufgestellt wurden, waren zum großen Teil Landsknechtsheere, zusammengewürfelte Söldnertruppen die gegen Geld und Kriegsbeute ihre Dienste den Kriegsherren anboten.
Der Sold, den die Söldner erhielten, musste oft von den ausgeplünderten Ländern, bzw. Städten aufgebracht werden. Nicht selten wurden diese um Lösegeld erpresst, wenn eine Stadt nicht zahlen konnte oder wollte, wurde sie der Zerstörung, Plünderung und Brandschatzung anheim gegeben.
Brutalität und Verrohung
Im Laufe der langen Kriegsjahre trat auch eine immer größer werdende Verrohung der Soldateska ein. Grausamkeiten gegen die Bevölkerung, wie wir das auch heute in der Ukraine wieder beobachten müssen, wurden immer brutaler. Einige Beispiele aus Berichten des Jahres 1642 seien hier aufgeführt.
Gevierteilt, Kanibalismus, Marterung, Gräueltaten
So wird aus den Niederlanden berichtet, ein Bierbrauer aus Middelburgh, der „Verrätherey“ verdächtig gemacht sei an den Händen und Füssen gefangen gehalten. „Der Bierbrauer ist seiner Verrätherey überwiesen/ und ihm ein Urtheil gefället worden , daß sein Haupt aufgesteckt, der Leib in Viertheil zerhauen und an der Pforten aufgehangen werden sollte.“
Aus Perpignan wurde von einer Hungersnot berichtet, die so schrecklich war, daß die Bürger ihre Kinder, besonders gegen Abend verstecken mussten, damit diese nicht von den Soldaten des Gegner verzehrt würden, was mehrfach geschehen sein soll.
Auch sonst wurde während des gesamten dreißigjährigen Krieges die Bevölkerung durch unglaubliche Gräueltaten drangsaliert. So heißt es zum Beispiel in verschiedenen Berichten aus jenen Jahren:
„Die Männer, die umkamen, wurden teils gehenkt, teils wegen des Gelds gemartert. Sie haben die Leute um die Köpfe mit Seilen geknebelt, dass ihnen das Blut aus den Ohren, Nasen und Mund gelaufen; ihnen die Daumen und Finger geschraubt und um die Geschlechtsteile herum jämmerlich gebrannt. Sie haben ihnen die Musketen und Rohre an die Lippen geschraubt und daran bis zur schrecklichen Zerreißung hängen lassen, die Leute mit Musketen wider die Brüste und an heimliche Orte gestoßen und etliche so gemartert, dass sie um die Sinne kamen.“ An anderer Stelle wird von einem „humanen“ Befehl berichtet: „jedoch sollte ihnen das Brennen und Totschlagen verboten sein, auch sollten sie niemanden mit heißen Eisen traktieren oder Mühlsteine um den Hals hängen um die Leute zu ersäufen.“
Frauen zu Tode geschändet
Weiter heißt es in diesen Berichten:„Nicht auszusprechen ist die Schande, die sie mit Weibsleuten getrieben, sofern dass sie auch 60 und 70jährige Personen, was kaum zu glauben ist, nicht verschonten. Es ist hier eine ehrliche junge Witwe, die geklagt, dass sie bei Zusehen mehrerer Weiber, ihrer eigenen und anderer Kinder von dreien Soldaten nacheinander mitten in der Stube sei vergewaltigt worden. Eine andere Magd haben sie in einem nahen Dorf also verderbt – sind ihrer auf die 10 gewesen -, dass sie in wenigen Tagen hernach ihren Geist aufgeben. Was sie von Weibsleuten auf dem Feld und in den Gärten angetroffen, haben sie ohne alle Scheu missbraucht.“
Die Lage am Niederrhein
Die Truppen der Reformierten, unter dem Kommando des Feldmarschall Graf Wilhelm zu Oranien – Nassau, lagen in diesem Jahr (1642) die meiste Zeit in der Gegend um Budberg.
Sie hatten bei Wesel eine Schiffsbrücke über den Rhein gelegt. Über den Niederrhein verteilt hatten sie zahlreiche Schanzen angelegt. Noch heute deuten in vielen Orten Straßennamen auf solche Auseinandersetzungen hin. So gibt es zum Beispiel im schon erwähnten Budberg die Straßenbezeichnung „Spanische Schanzen“ . So hatten die „Reformierten“ über Jahre am Niederrhein den papsttreuen Truppen, den Bayrischen, Kaiserlichen und Spanischen Paroli geboten. Nicht immer ohne schwerwiegende Folgen wurden im Zuge dieser Auseinandersetzungen die Städte mit reichlich Waffen aufmunitioniert.
Nach Weihnachten 1641 zog der französische König seine (protestantischen) Truppen und die der mit ihm verbündeten Hessen und Weimaraner am linken Niederrhein zusammen. Seine Truppen überquerten bei Wesel über eine Schiffbrücke den Rhein . Sie richteten auf eigentlich kurkölnischem (katholischen) Gebiet, am linken Niederrhein ihr Winterquartier ein. Die protestantischen Truppen vereinigten sich zu einem Heer mit insgesamt etwa 9000 Mann Stärke . Mitte Januar 1642 eroberten sie das kurkölnische Uerdingen, Das benachbarte Linn wurde eingeschlossen und die Burg Linn belagert.
Gleich darauf, am 17. Januar 1642 trafen das kurkölnisch/ katholisch/ kaisertreue Heer unter Oberbefehl des flandrischen General Lamboy, etwa 13 000 Mann stark und das französisch / hessisch/ weimarische Heer in der Schlacht auf der Kempener Heide zusammen.
General Lamboy beim Mittagessen überrascht
Ein zeitgenössischer Text berichtet: „Zwischen 10 und 11 Uhr mittags, als Lamboy über der Tafel gesessen, Mahlzeit zu halten, und kaum recht angebissen gehabt, wurde dergestalt angegriffen, daß die hessische Reiterei und Fußvolk den Vorzug gehabt. General Lamboy hatte mit dem Angriff noch nicht gerechnet, so daß sein Kriegs-Volk nicht rechtzeitig in Schlachtordnung aufgestellt und also den Feind erwartet hatte, sondern sich über dem Essen finden lassen,“
2800 Gefallene, 4000 Gefangene, 12 000 Pferde, große Beute
Auf dem nordwestlich von Krefeld gelegenen Heide - Gebiet (Krefeld damals zu Grafschaft Moers gehörend) zwischen Kempen, Hüls, und St.Tönis tobte das Gefecht hin und her. Die Schlacht endete mit einer vernichtenden Niederlage für die katholische Seite. Es wurden 2800 Soldaten getötet, 4000 Soldaten wurden gefangen genommen.
Nach der Schlacht fiel der bisher kurkölnische Niederrhein unter protestantische Besatzung.
Die Burg Linn wurde weiter belagert, Burg Oedt wurde eingenommen.
In Folge wurden die Städte Düren, Hülchrath, Kempen, Neuss und Dormagen belagert, eingenommen, ausgeplündert und verwüstet.
Man schätzte die Zahl der insgesamt beschlagnahmten Pferde auf 12 000 Stück.
Der Schatz von Bedburg
Alles was die Truppe plünderte wurde zu Geld gemacht. Viel Beute wurde nach Wesel und ins Klevische geführt, darunter ein in Bedburg, in einem seit undenklichen Jahren ungeöffneten Gewölbe gefundener, bis dahin unbekannter, Schatz, der so groß war, daß man ihn auf 2 Wagen von Bedburg nach Wesel transportieren musste.
Der Krieg geht weiter
Das „Theatrum Europaeum berichtet: „Um den 17. Juni kam der Prinz von Uranien mit der Armee, von Kleve kommend, über den Weg nach Xanten, Rheinberg, Orsoy und Mörß, samt seinen Schiffsverbänden zu Wasser, herangezogen. Die Schiff-Brücke von Wesel wurde bis ungefähr bei Budberg rheinaufwärts verlegt. Die Armee des Prinzen von Orange war um diese Zeit etwa 22000 Mann und 80 Geschützen stark. Die (protestantischen) Unierten lagerten derweil von Grävenbruck (Grevenbroich) abwärts des Rheins um Linn und Uerdingen.
Die gegnerische Kaiserlich- und Bayerische Armee mit ihrer Schiff-Brücke lagerte abwärts Zons
So übel die Weimarischen gehaust haben, so arg haben es auf der Gegenseite auch die Kaiserlichen und Bayerischen gemacht. Im Bergischen hat das Landvolk die Weimarischen wieder ersehnt, da diese am wenigsten die Häuser und Gebäude angegriffen und auch weniger Abgaben verlangt haben.“
Pulverfass – Ein Funke genügt
Am 12. Juli 1642, hatte sich in Wesel ein schlimmes Unglück ereignet. Schauplatz der Katastrophe war beim „Viehtor“. Die heute in der Innenstadt liegende Straße „Viehtor“ erinnert noch an das ehemalige, 1739 wegen Baufälligkeit abgerissene, Stadttor. Zum Zeitpunkt des Unglücks war das Viehtor einer der Hauptzugänge in der Stadtbefestigung, durch den das Vieh auf die Weide getrieben wurde. Später wurde dort die „Mathena Kirche“ gebaut.
Im 1692 erschienen Jahrbuch „Theatrum Europaeum“ des Matthaeus Merian wird berichtet: „....hat sich ein seltsam Unglück mit angezündetem Pulver in der Stadt Wesel zugetragen: Ein Karrenmann hat das Pulver geführet / dessen ein Fässlein nicht zum besten zugeschlagen oder verwahret gewesen: des Pferds Hufeisen eines hat im Ziehen Feuer geschlagen/ davon dieses Fässlein angezündet worden: welches nicht allein an den Häusern und Fenstern trefflichen Schaden gethan/ sondern auch über vierzig Personen getödtet hat/ zu allem Glück sind zween von gleichem Pulver geladenen Karren schon in dem Ausfahren durch die Vieh-Pforten passieret gewesen / sonsten wäre der Schaden noch viel größer worden / der Karrenmann/ Pferd und Karren sind auch drauf gegangen.
Feldmarschall Wilhelm von Nassau stirbt in Orsoy
Nur 6 Tage später ein weiteres bedeutendes Ereignis am Niederrhein,
Das Jahrbuch „Theatrum Europaeum berichtet: „Graf Wilhelm zu Nassau, Feldmarschall und Gouverneur zu Schleuß und Flandern, war in diesem Zug zu Orsoy krank worden“ ,er war im Jahr zuvor bei der Belagerung von Gennep durch einen Bauchschuß verwundet worden und fühlte sich bereits seit April „unpässlich,“ wörtlich heißt es in dem Bericht: „nach dem er länger nicht als zween Tage gelegen, den 18 Julii in Orsoy Todes verschieden, dessen Excellenz und gräfl. Gnaden mit großem Pomp aus der Stadt zu Schiffe getragen, nach Heußden (Brabant) geführet und daselben zur Erde bestattet worden.“
Duisburg wird von den Oraniern befestigt
Merian berichtet: „Im Sommer 1642 war abzusehen, daß die kriegerischen Auseinandersetzungen am Niederrhein langwierig sein würden. Da nahm der Prinz von Orange die Gelegenheit wahr Duisburg zu besichtigen und es zu befestigen“.
Die Heerscharen ziehen ins Winterquartier
Das Theatrum Europaeum berichtet von den Vorbereitungen auf den Winter: „Am 27. September früh nahmen auch die Weimarischen ihren Aufbruch abwärts von Budberg in des Prinzen von Oranien verlassenes Lager, das ihnen so lange durch eine Nachhut gesichert worden war. Sie erbeuteten dabei genügend Proviant und Futter von den Katholisch - Kölnischen die unter dem Befehl von Johann von Werth standen. Dieser kam mit seine Soldaten und 2000 Pferden etwas zu früh dahin, seine Truppe wurde umzingelt und „zerrennet“. Er kam mit etwa 100 Pferden davon. Etwa 700 seiner Söldner sind gefallen, viele wurden gefangen genommen. Die Übrigen konnten sich durch Flucht retten.
Bis auf kleinere Scharmützel war dann, aber nur für das Jahr 1642, am Niederrhein das Kriegsgeschehen beendet.
Zu diesem Text gibt es zeitgenössische Darstellungen, zum Beispiel zur Weseler Explosion sowie ein Portrait des Wilhelm von Oranien, gefunden bei Wikicommons : Kruitramp Wesel 1642.png (gemeinfrei)
Autor:Hansfried Münchberg aus Moers |
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