Frauenhaus blickt auf 30 Jahre als Schutzeinrichtung zurück
Ohne Wohnung kein Start ins zweite Leben

Das Frauenhaus-Team: v.l. Gesa Middendorf, Christina Schulz (Leiterin), Dana Nagel, Bettina Jenschke, Britta Kollmann-Rost, Lara Wegerhoff | Foto: alle Bilder Frauenhaus Unna
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  • Das Frauenhaus-Team: v.l. Gesa Middendorf, Christina Schulz (Leiterin), Dana Nagel, Bettina Jenschke, Britta Kollmann-Rost, Lara Wegerhoff
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Selbstbestimmt und ohne Gewalt zu leben ist für die meisten eine Selbstverständlichkeit. Nicht für rund 4.700 Frauen und Kinder, die bis heute im Frauenhaus Unna einen Schutzraum fanden und vielleicht den Startpunkt für ihr neues Leben. Auf 30 Jahre blickte die Hilfseinrichtung jetzt zurück.

Nach einem Übergriff häuslicher oder sexueller Gewalt wieder in die “eigenen vier Wände” zurückkehren zu müssen, wäre heute eine unzumutbare Situation. Ein anonymer, mindestens aber gesicherter Schutzraum ist oft notwendig. Auch vor der Tatsache, dass jede vierte Frau von Gewalt betroffen ist. An die Anfänge des Frauenhaus Unna erinnerte Landrat Michael Makiolla bei einer Feierstunde vor über 100 Gästen in der Neuen Schmiede. 25 Jahre begleitete und gestaltete er die Arbeit des Frauenforums, als zentrale Organisationsstelle, mit. Er berichtete von schwierigen Anfangszeiten als bei den Kommunen Geldmangel herrschte und die Meinung der Lokalpolitik eher lautete: “Brauchen wir nicht.” Damals bildete sich eine überparteiliche Initiatiave, die den Bedarf erkannte und ein Frauenhaus fordete. Doch mit der Eröffnung am 8. Dezember 1988 begannen erst die Finanzierungsprobleme. Sammlungen in Öffentlichkeit und Wanderaktionen, bei denen jeder Kilometer gesponsort wurde, brachten erste Gelder in die Kasse.

An der Feier nahmen auch einige der Begründerinnen teil, darunter Helen Menzies-Esskuchen (Bönen, Päd. i.R.), Ingrid Kollmeier (Kamen), Rita Weißenberg (heute Leiterin VHS-Unna) und Angelika Chur (SPD, Vors. Ausschuss f. Soziales). Verlesen wurde ein Grußwort der damaligen Mitbegründerin Emmi Beck. Die Initiatoren trafen sich damals regelmäßig, lieferten Statistiken über Gewalt gegen Frauen und diskutierten. Sie kämpften auch um eine Landesförderung. Damit gab es die ersten Stellen für eine Sozialarbeiterin und eine Erzieherin. Die ersten Helfer im Frauenhaus waren einst sog. ABM-Frauen (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen).

Verweildauer

Vom Start wag war der Bedarf groß. An wechselnden Standorten wurden knapp 20 Plätze angeboten, bis heute. Verändert haben sich die Herausforderungen an die Mitarbeiter. War die Hilfseinrichtung früher auf Sach- und Geldspenden angewiesen sind es heute fehlende Wohnungsangebote, die den Alltag des Frauenhaus belasten. “Denn nach etwa drei Monaten ist die Verweildauer meist beendet, die Beratunsgangebote erschöpft”, erklärt Birgit Unger, Leiterin des Frauenforums und 21 Jahre als Mitarbeiterin tätig. . Immer häufiger findet das Frauenhaus keine passenden, finanzierbaren Angebote und möchte die Rückkehr in die alte Gemeinschaft ersparen.

Wahlrecht

Vor dem Hintergrund häufiger auftretender häuslicher Gewalt forderte Diana Jägers, Leiterin der Gleichstellungsabteilung NRW, mehr Plätze in Frauenhäusern. Ziel sei es, die Selbstverpflichtung zwischen dem Land und Wohlfahrtsbverbänden, mehr Häuser zu eröffnen, durchzusetzen. Auch heute gebe es Stimmen, die Frauenhäuser für überflüssig halten. Gerade zum Jubiläum “100 Jahre Frauenwahlrecht” und angesichts der Gefahren durch Radikalisierung, sexuelle Belästigung und Verfolgung rief sie auf, alle Wahlangebote in Anspruch zu nehmen. “Das Rad darf nicht zurück gedreht werden.”

Um das Frauenforum im Kreis Unna gibt es zwischen den Parteien derzeit Einvernehmen zur Notwendigkeit. In der Zeit der Flüchtlingswelle 2015 stellte sich das Frauenhaus neuen Anforderungen durch Migranten. Zur erhöhten Nachfrage kamen neue Anforderungen wie die Kultur- und Sprachbarrieren.
Und seit 2015 erhält die Einrichtung mehr Mittel für die Arbeit gegen sexualisierte Gewalt und Prävention.

Bedrückend

In einem Kurzfilm stellte Sozialarbeiterin Christina Schulz die Aufgaben der Zukunft des Frauenhaus vor. Vorgesehen ist eine Stärkung der Teilbereiche des Frauenforums mit mehr Angeboten für Kinder und verstärkte Prävention sowie der Übernachtungsstelle. Ein eher bedrückendes Erlebnis für die Gäste war eine Installation im Raum, die verdeutlichte, wie das Gefühl für Ankömmlinge im Frauenhaus ist. Am Beispiel einer Wohnung wurde ablesbar, wie und wo Gewalt stattfindet. Etwa eine offene Schultasche, darin ein Brief der Lehrerin, es gebe Bedarf die Auffälligkeiten mit der Schulleitung zu besprechen. “Die Szenen stammen aus Punkten, die Mitarbeiter erfahren”, erklärte Unger. Eindrucksvolles Signal: Eine Uhr, die exakt auf fünf Minuten Zwölf stand. Im Laufe der 30 Jahre hat das Frauenforum zahlreiche Projekte initiiert, um Betroffenen Rat und Hilfe angedeihen zu lassen.

Ein langer Streifen mit der Beschreibung stellte die Entwicklung dar. Aktuell ist das Hilfsprojekt “Second Stage”. Frauen und ihren Kindern soll der Wiedereintritt in die Gesellschaft erleichtert werden. In Fragen der Wohnraumsuche, Umzug und Jobsuche unterstützt das Frauenforum jetzt noch intensiver. “Auch nach dem Aufenthalt ein Ansprechpartner zu sein, das wollen wir”, so Birgit Unger. Mehr in den Vordergrund rücken heute auch reale soziale Netzwerke wie Freundinnen, Großeltern, Schulkameraden und sonstige Personen, die beim Neustart hilfreich sein können. Birgit Unger: “Wir sind öffentlicher geworden.” Einrichtungen sind mit einem technischen Sicherheitskonzept vor Zugriffen geschützt. Im Gegensatz zu den Anfangsjahren dürfen die Bewohnerinnen heute mitteilen, wo sie sind. Trotzdem hat das Frauenhaus eigene Sicherheitsregeln. Etwa, die SIM-Karte aus dem Handy zu entfernen, damit ihr Aufenthalt ausserhalb der Anlage nicht zu orten ist.

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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