HartzIV Klage endet grotesk
Nichts als Ärger mit dem JobCenter Emden

Aurich: Am 15. August 2023 fand um 11 Uhr am Sozialgericht Aurich ein Prozess statt, der ein Zeichen setzen sollte. Doch der Kampf eines verzweifelten Paares aus Emden wurde enttäuscht. Hier ein Bericht der kompletten Geschichte, die grotesker nicht sein kann. Es klingt wie ein schlechter Krimi, doch es zeigt die bittere Realität im Umgang mit Behörden.

Ein kleines Siedlungshaus in Emden-Larrelt aus den 50er Jahren, typisch ostfriesisch. Roter Klinker, Maritim, Rettungsring, Schiffslaterne in Wintergarten und Werkstatt; zum Deich ist es nicht weit. Dieses „Haus am Meer“ ist der Lebenstraum des Paares, das seit 2021 hier wohnt. Sie hat den Rentenantrag gestellt, er ist bereits Rentner; beide verbringen hier ihren gemeinsamen Lebensabend. Bis zum Renteneintritt steht ihr HartzIV zu, das sie beim Emdener Job Center nach Ihrem Umzug wieder beantragen muss. Und nun der Knackpunkt der Geschichte, der zur regelrechten bitteren Posse wird: Beide führten im Vorfeld eine Fernbeziehung, bewohnten eigene Wohnungen, sahen sich unter anderem aus beruflichen Gründen unregelmäßig. Das kleine Haus am Meer war die erste gemeinsame Wohnung.

Nun gibt es für Paare, welche die erste gemeinsame Wohnung beziehen in der HartzIV-Regel die „Bedarfsgemeinschaft auf Probe“. In diesem Falle hätte ihr der volle Hartz Satz für ein Jahr zugestanden. Es handelt sich dabei um ein Modell, bei welchem zusammenlebende Partner nicht als Bedarfsgemeinschaft vom Jobcenter behandelt werden. Leistungsempfänger erhalten somit den monatlichen Regelsatz für Alleinstehende.

Wer kann eine Bedarfsgemeinschaft auf Probe bilden?
Paare, die keine Kinder haben, im Haushalt keine Angehörigen versorgen und nicht über das Einkommen und Vermögen des jeweils anderen verfügen.

All das traf zu, doch das JobCenter stellte sich monatelang quer. Bei Anrufen waren die Unterlagen verschwunden, ständig gab es Post, das angebliche Unterlagen fehlen, dazu ein Hausbesuch von zwei Mitarbeitern der Behörde, bis es den Beiden sprichwörtlich zu Bunt wurde. Nun ging das Paar zu einem Rechtsanwalt für Sozialrecht in Emden, der sich der Sache annahm und so gab es endlich den Bewilligungsbescheid zu, 25.01.2022, nachdem beide von der kleinen Rente des Partners mehr schlecht als recht über die Runden kamen. Der Bescheid brüllte stillschweigend vor Lachen: Hier wurde die Bedarfsgemeinschaft zu Grunde gelegt und regelrecht die Rente des Mannes durch zwei Personen geteilt, die Wohnkosten überhaupt nicht berücksichtigt, so das die monatlichen Zuwendungen sich von Sage und Schreibe 0,00 € über 2,33 € bis 8,33 € steigerten, einmal gab es eine einmalige Zahlung von 148,64 € - Wirklich zu Gütig. Der Tenor des Bescheides lautete „Im Übrigen wird Ihr Antrag abgelehnt“.

Nun ging es vor Gericht und der zweite Teil dieser Posse begann. Das Paar, welches als Kläger die Opferrolle einer Amtswillkür innehatte wurde vom Gericht regelrecht verhöhnt. Der amtierende Richter erklärte humorvoll lachend, das es doch eine gute Bewährungsprobe für beide gewesen war, das er mit seiner keinen Rente sie mit ihren Bezügen von 6,- € im Monat durchgefüttert hätte. Da braucht man doch keine Bedarfsgemeinschaft zur Probe. Außerdem hätte sie ja ein paar Monate später umziehen können, dann wäre ihr das ja erspart geblieben und beide wären dann Rentner und könnten machen was sie wollen.

Mittlerweile hat der Ehemann den Bescheid genau überprüft und dabei als Berechnung eine Bedarfsgemeinschaft zugrunde gelegt; Fazit: Die Behörde schuldet den beiden auch bei einer Bedarfsgemeinschaft immer noch etwa 1600,- €. Nun suchen beide einen neuen Rechtsanwalt, der die Forderung durchsetzt, denn Recht muss Recht bleiben.

Der Kommentar:
Bürger und Bürokraten, eine nicht endende Geschichte, die dem Anschein nach immer Grotesker wird. Hier wurde bei der lediglich versuchten Inanspruchnahme dessen, was nach Recht und Gesetz zusteht, die sprichwörtliche Fahne in den Wind gehängt und so gedreht, wie es für die Obrigkeiten passte. Das erinnert an Finstere Zeiten, die wir nicht mehr wollen. In der Tat gibt es seit Jahren haufenweise Klagen gegen HartzIV-Bescheide, doch etwa zwei Drittel dieser enden für Kläger erfolgreich. Das ist ein gutes Zeichen und ein Beweis dafür, das hier immer noch einiges schief läuft. Dieses Beispiel zeigt jedoch Neuland für Paare, die zum ersten Mal eine gemeinsame Wohnung beziehen, eine Klage würde sich sicher lohnen, wenn immer mehr informiert sind und konsequent handeln - Durch Zivilcourage, immer wieder.

Autor:

Heinz-Jürgen Klingenhagen aus Dorsten

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