Wahl des CDU-Parteivorsitzenden
Die „neue“ CDU des Friedrich Merz
Wie die Parteibasis ihm wider besseres Wissen auf den Leim geht
Friedrich Merz gilt an der Parteibasis insbesondere in Ostdeutschland als der chancenreichste Bewerber um das Amt des neuen CDU-Bundesvorsitzenden: 48% der Parteianhänger würden ihn laut „Deutschland-Trend“ von Ende November 2021 gern an der Parteispitze sehen. Die CDU wieder zur „Volkspartei“ zu machen und damit vor allem zur politischen Vertretung der vielen „kleinen Leute“ und „hart arbeitenden Normalverdiener“ – das ist neuerdings das Credo von Friedrich Merz, ein Mann aus dem Volke für das Volk? Der Sozialstaats-Kritiker Friedrich Merz zukünftig als Garant für „soziale Gerechtigkeit“?
Obwohl der Kandidat selber Spitzenverdiener ist, und zwar aus den Reihen der obersten 5% der Vermögenden im Lande mit Privatjet, einer Ferienvilla am Tegernsee und einem Jahreseinkommen von rund einer Mio. €uro, nimmt man ihm das an der Parteibasis ab? Beifall bekommt er dort sogar für seinen (selbstlosen?) Ruf nach Steuersenkungen für Reiche.
Lobbyist im Parlament mit lukrativen Nebentätigkeiten und Aufsichtsratsmandaten
Bislang zählt er als rühriger Lobbyist neoliberaler Netzwerke mit bis zu 12 Aufsichtsratsmandaten und acht bezahlten Nebentätigkeiten (für insgesamt 1/4 Mio. € im Jahr) zu den Abgeordneten mit den meisten Nebenverdiensten, gegen deren transparente Offenlegung er sich allerdings heftig wehrte, aber damit vor Gericht scheiterte. Als Wirtschaftsanwalt, Unternehmensberater und Aufsichtsratsmitglied kam er nach seinem Ausstieg aus der Politik 2004 nach verlorenem innerparteilichem Machtkampf gut über die Runden.
Vielleicht sollen aber seine Parteifreunde und die Öffentlichkeit aktuell nicht alles mitbekommen, was der Parteipolitiker Friedrich Merz zuvor und nebenbei so alles betrieben hatte und teilweise noch betreibt, das seiner Imagepflege und seiner Glaubwürdigkeit als Partei-Erneuer einer bürgernahen Volkspartei schaden könnte? Deshalb präsentierte er mit dem früheren Berliner Sozialsenator Mario Czaja ein Mitglied der Christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) als seinen künftigen Generalsekretär der CDU und versicherte: „Mit mir wird es keinen Rechtsruck in der CDU geben“.
Wie kein anderer steht aber Friedrich Merz als CDU-Spitzenpolitiker und zugleich als gut vernetzter Lobbyist für die besonders enge Verflechtung und Nähe zwischen Politik und Wirtschaft. Gilt das als Beleg für einen „neuen modernen Konservatismus der Mitte“ oder ist das nicht eher ein anhaftender Makel am deshalb verloren gegangenen Image einer „Volkspartei“? Geht das überhaupt: „Volkspartei“ und neoliberale „Wirtschaftspartei“ gleichzeitig?
Für tiefgreifende Änderungen am Sozialsystem, für Deregulierungen und Privatisierungen
Vorbei die Zeiten, wo der marktradikale Friedrich Merz, der vehement gegen eine Vermögensabgabe und Vermögenssteuer von Milliardären und gegen Erbschaftssteuer votiert, zugleich sämtliche staatlichen Sozial und Transferleistungen von Bund, Ländern und Gemeinden auf den Prüfstand stellen und Sozialleistungen kürzen wollte? Denn bei zunehmendem Wohlstand der Reichen würde schon automatisch auch etwas für die Ärmeren abfallen, so seine bislang vertretene „Triple-Down-Theorie“. Diese erfordere „tiefgreifende Änderungen am Sozialsystem“, ferner Deregulierungen der Wirtschaft und Privatisierungen, so seine Ideologie.
Die eingeführte Grundrente sei ein Verstoß gegen das beitragsorientierte und leistungsbasierte Rentensystem und der Mindestlohn dürfe nicht zu hoch ausfallen, so seine sozialpolitische Position. Für ältere Arbeitnehmer wollte er eine Lockerung des Kündigungsschutzes, zugleich trat er für eine volle Rentenbesteuerung ein wie bei den Beamtenpensionen und favorisierte sogar eine Privatisierung der Rente. Zudem hielt er eine europäische Arbeitslosenversicherung für erstrebenswert. Während der Corona-Pandemie sorgte er sich, dass die Menschen sich „zu sehr an ein Leben ohne Arbeit gewöhnten und deshalb wieder schnell zurück an die Arbeit“ müssten. Dieses alles zur Erinnerung an seine sozialpolitischen öffentlichen Äußerungen aus der jüngeren und älteren Vergangenheit.
Förderer der Lobbyorganisationen „Neue Soziale Marktwirtschaft“ und „Wirtschaftsrat“ sowie „Atlantik-Brücke“
Von alledem ist Friedrich Merz auch als Mitgründer des Fördervereins der neoliberalen Arbeitgeber-Lobbyorganisation „Neue Soziale Marktwirtschaft“ überzeugt, die von den Arbeitgeberverbänden der Metall,- Elektro- und Automobilindustrie und des Instituts der deutschen Wirtschaft ins Leben gerufen wurde und für jährlich 7 Mio. € aggressive Kampagnen gegen sozialstaatliche Errungenschaften finanziert. Dazu bekennt sich Friedrich Merz auch als ehemaliger Vizepräsident des mächtigen „Wirtschaftsrat Deutschland der CDU“, einer reinen Lobbyorganisation von Unternehmen (wie Daimler, Deutsche Bank und E.on) mit exklusivem Zugang zu den CDU-Führungsgremien, die ihre Unternehmensinteressen gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit „auf allen Ebenen an die Entscheidungsträger heranträgt“.
Bis 2019 fungierte Friedrich Merz überdies als Vorsitzender der „Atlantik-Brücke“. Dieses als Verein organisierte Netzwerk und „Politikberatungsinstitut“ war 1952 vom Bankier der privaten Hamburger Warburg-Bank gegründet worden, die 2021 in die Cum-Ex-Affäre“ verwickelt war. In der Atlantik-Brücke wollen die rund 500 führende Persönlichkeiten aus Bank- und Finanzwesen und Wirtschaft (von der Deutschen Bank bis Goldman Sachs, von Airbus über Thyssen Krupp und Institut der deutschen Wirtschaft bis zur Axel Springer AG ), ferner aus Politik, Medien und Wissenschaft „eine wirtschafts-, finanz-, bildungs- und militärpolitische Brücke zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland schlagen. Der US-Arbeitskreis trifft sich zweimal jährlich in den Räumen der zweitgrößten Anwaltskanzlei der Welt, Freshfields Bruckhaus Deringer LL. (Sitz in London, Umsatz 1,6 Mrd. €, 4.700 Mitarbeiter, 500 Anwälte in Deutschland).
Die "Schlammschlacht" hinter den Kulissen der Atlantiker
Kritiker unterstellen dem Netzwerk „Atlantik-Brücke“, dass es hinter den Kulissen die Korruption bei Rüstungsgeschäften fördere sowie heimlich CDU-Politiker durch hochrangige Mitglieder finanziere, nachdem einige führende Mitglieder um den damaligen Vorsitzenden Walther Leisler Kiep in der Schwarzgeldaffäre der CDU Ende der 1990-er Jahre die Atlantik-Brücke in Verruf brachten. (Der involvierte Waffenhändler Schreiber wurde durch einen Freund der Atlantik-Brücke mit einer Kaution von 1,2 Mio. Dollar vor dem Gefängnis bewahrt). Dennoch wurde der später wegen uneidlicher Falschaussage zur Geldstrafe verurteilte Leisler Kiep 2004 zum Ehrenvorsitzenden der Atlantik-Brücke ernannt und versuchte seinen Nachfolger Friedrich Merz als Vorsitzenden loszuwerden, da dieser den Verein in eine Kontroverse mit Kanzlerin Merkel hineinzog, die selber Mitglied der Atlantik-Brücke war.
Oder ging es um Einfluss und Spesen? So fragte die Frankfurter Allgemeine in ihrer Berichterstattung 2010 über die damalige „Schlammschlacht“ in dem erlauchten Netzwerk. Eine Fortsetzung der politischen Laufbahn von Friedrich Merz würde die Atlantik-Brücke in nicht unerhebliche Konflikte bringen, meinte der Ehrenvorsitzende. Merz sei seiner Bitte, den Vorsitz abzugeben, zu seiner Überraschung nicht gefolgt. Dieser brachte sich stattdessen als Reformer der Atlantik-Brücke in Stellung und wollte deren Vereins-Schulden durch ein striktes Sparprogramm abbauen. Inzwischen hat er den Vorsitz an den ehemaligen SPD-Minister Sigmar Gabriel (Aufsichtsrat bei Deutscher Bank und Siemens sowie Berater bei Tönnies) abgegeben; dessen Stellvertreter sind Norbert Röttgen (CDU), Mitbewerber um den CDU-Parteivorsitz, und Prof. Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft. Friedrich Merz hatte und hat derweil noch viele andere Betätigungsfelder
Lobbyist für Finanzdienstleister, Immobilien- und Versicherungswirtschaft und Chemiebranche sowie der Verkehrs- und Luftfahrtbranche
Als Inhaber einer eigenen Firma und als Lobbyist mit insgesamt 12 Aufsichtsratsmandaten bei den größten Banken und Vermögens- und Finanzkonzernen, der Börsenorganisation sowie der Energie- und Chemiebranche und Versicherungswirtschaft, ferner der Immobilienbranche und Verkehrs- und Luftfahrtbranche, verweist Friedrich Merz auf seine damit jahrelang erworbene „Wirtschaftskompetenz“, zuletzt auch als hochdotierter Aufsichtsratsvorsitzender bei BlackRock Deutschland bis 2020 – dem größten Vermögensverwalter der Welt mit 7 Bio. Dollar Vermögen. (BlackRock ist Großaktionär vieler deutscher Großkonzerne wie Deutsche Post DHL, Lufthansa, Siemens, SAP, BASF, Rüstungskonzern Rheinmetall etc.). Aktuell ist Merz auch Aufsichtsratsvorsitzender bei der WEPA Industrieholding SE. Bis 2020 war er auch noch Aufsichtsrat bei der schweizerischen Stadler Rail AG (Schienenfahrzeuge), einer Holding mit Standorten und Tochtergesellschaften in 15 Ländern mit weltweit 12.000 Mitarbeitern, die sich gerade wieder einen Milliardenauftrag aus Deutschland gesichert hat.
Schon in den 1980-er Jahren begann er als junger Jurist seine Lobbytätigkeit als Syndikus beim Bundesverband der Chemischen Industrie (VCI) in Bonn und Frankfurt. Bis 2014 hatte er ein Aufsichtsratsmandat bei Chemiekonzern BASF Antwerpen N.V. Ebenfalls bis 2014 war er Aufsichtsrat beim AXA Konzern, einem der größten internationalen Versicherungskonzerne und Vermögensmanager (vormals DBV Winterthur Holding). Zu den gesammelten Aufsichtsratsmandaten gehörten auch seine Mandate bei der Commerzbank AG (bis 2009), bei der MG Immobilien AG (bis 2010) und bis 2015 bei der Deutschen Börse AG in Frankfurt als Dax-Konzern und international tätiger Börsenorganisation. Sogar ein Aufsichtsratsmandat bei Borussia Dortmund bis 2014 reizte den Sauerländer. (Seit 2014 sei nur noch eine begrenzte Anzahl von Aufsichtsratsmandaten zulässig, teilte der BVB mit). Stattdessen nahm er dann von 2017 bis 2020 den Aufsichtsratsvorsitz beim Flughafen Köln/Bonn GmbH an. In 2010 wurde er vom Bankenrettungsfond Soffin mit der Leitung des Verkaufsprozesses der WestLB an private Investoren beauftragt und erhielt dafür einen Tagessatz von 5000,-€ vom Steuerzahler (oberhalb des Üblichen in der Branche), insgesamt fast 2 Mio. € im Jahr für erfolglose Arbeit.
Juristischer Kenner von globalen Finanztransaktionen mit zwielichtigem Ausgang
Zwei Jahre war Merz bei einer der führendsten deutschen Wirtschaftskanzleien in Köln tätig (CBH Cornelius Bedenbach Heesemann). Zudem kann Friedrich Merz als Anwalt bei einer global tätigen amerikanischen Anwaltskanzlei (Mayer Brown LLP) auch auf seine Kompetenz als Jurist mit ausgeprägtem wirtschaftlichem Verständnis verweisen - nämlich mit der „strategischen Vertretung von Mandanten bei komplexen Transaktionen in der globalen Finanzdienstleitungsbranche“. (Sogar zu Denkfabriken der Großbanken wie Rockefellers Trilateraler Kommission habe er Zugang oder Kontakte gehabt, so heißt es). Er soll gelegentlich schon mal Hedgefonds, Heuschrecken und Steueroasen lobend verteidigt haben, wie Kritiker ihm vorhalten. Doch mit Cum-Ex, Wirecard, Pandora-Papers und Steueroasen hat BlackRock-Lobbyist Merz nichts zu tun. Denn schnell suchte er das Weite als Verwaltungs- oder Aufsichtsrat bei einem der größten Finanzinstitute der Welt, dem Bankhaus Trinkaus & Burchard, (Tochtergesellschaft der HSBC Holding Hongkong and Shanghai Banking Corporation), als dieses im Zuge des Cum-Ex Skandals ins Visier der Staatsanwälte geriet.
Und als Aufsichtsratsvorsitzender und Cheflobbyist des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock in Deutschland, dem größten Insider der westlichen Finanzwelt, sollte Friedrich Merz vor allem deren Geschäftsinteressen vertreten und dazu Einfluss auf Parteien, Regierung und Aufsichtsbehörden (wie Bafin) ausüben. BlackRock war bekanntlich großer Gewinner der Finanzkrise und ist Berater der US-Regierung und der wichtigsten Zentralbanken wie der EZB in Europa - und entscheidet damit auch über Corona-Hilfsprogramme. Nach Berufung in den BlackRock-Aufsichtsrat wurde Merz Chefberater der strategisch wichtigen NRW-Regierung, die für US-Investoren besonders aufgeschlossen ist, denn BlackRock ist auch Hauptaktionär der Öl- und Kohlekonzerne. (Und mit Blackrock-Chef Larry Fink, der Finanzminister in der US-Regierung Biden werden sollte, gab es heimliche Treffen mit Schäuble, Scholz, Staatssekretär Jörg Kukies und Außenminister Gabriel). Merz warb schon früher für die von BlackRock entwickelten Finanzprodukte.
Friedrich Merz legte auch hier nach öffentlicher Kritik erst in 2020 sein Mandat nieder, als der Staatsanwalt in der Cum-Ex-Affäre auch gegen BlackRock ermittelte. Als deren Cheflobbyist in Deutschland musste Aufsichtsratsvorsitzender Merz spätesten seit den Pandora-Papers wissen, dass Blackrock - als US-amerikanische Fond-Gesellschaft und zweitgrößter Wirecard-Aktionär - seinen Sitz mit Hilfe von Briefkastenfirmen in den größten Finanzoasen der Welt hat (US-Bundesstaat Delaware, Luxemburg, Niederlande, Karibische Caymann Islands). Und als Aktionär der Rating-Agentur Moodys hat BlackRock die Kreditwürdigkeit von Wirecard bescheinigt. Daraufhin gaben 4 Banken Kredite: Deutsche Bank, Commerzbank, ING und Sociale Generale (France). Der richtige Zeitpunkt für Merz, sich von BlackRock abzusetzen, damit nichts an ihm hängenbleibt.
Rechte „Werte-Union“ trommelte lange Zeit für Merz als CDU-Chef und Wirtschaftsminister
Die rechtsgerichtete und teilweise AfD-affine „Werte-Union“ als konservativer Rand der Union unter dem damaligen Vorsitzenden Alexander Mitsch aus der CDU-Mittelstandsvereinigung (Fördermitglied der Wirtschaftsjunioren) trommelte bis Ende 2020 zweimal für Merz als CDU-Chef. Sie mahnte für ihn eine zentrale Rolle in der Partei an und wollte Friedrich Merz auch nach seinen zwei parteiinternen Niederlagen als Wirtschaftminister sehen. Darunter waren auch viele Alt-Stipendiaten der Konrad-Adenauer-Stiftung und der ehemalige Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maaßen. Sie wollten Merz dabei helfen, „den Linkskurs von Kanzlerin Merkel“ wieder rückgängig zu machen“. Ebenso wie Merz hatten sie klare Vorstellungen von einem „schlanken Staat“. Und sie fanden auch seine öffentliche Aussage in 2020 nicht kritikwürdig, „er käme als Bundeskanzler schon mit Trump klar.“
Doch nachdem der neue Wortführer der Werteunion, Max Otto, in einem Interview später Friedrich Merz als „Wirtschaftslobbyist“ wegen seiner früheren Tätigkeiten beschimpfte, der deshalb kein Staatsamt mehr ausüben dürfe, war Friedrich Merz gekränkt und empört. Er rief seine 4.000 Parteifreunde in der Werteunion verärgert zum Austritt auf und forderte auch die klare Abgrenzung zur AfD. Doch auch wenn er eine Kooperation mit der AFD ablehnt, so würde er nach eigenen Aussagen jedoch einen AfD-Vertreter als Bundestagsvizepräsidenten wählen. Die CDU-Mitglieder in der Werte-Union suchten teilweise Verbindungen zu Politikern, die sich rechts von Merkel in der Union verorten und scheuen auch vor Kontakten zu Rechtspopulisten nicht zurück. Unterstützung erhielt die "Werteunion" zeitweise sogar aus dem Mainstream der CDU - offenbar in der Hoffnung, den Aufstieg der Rechtspopulisten am rechten Rand bremsen zu können. Noch 2018 schrieb Gesundheitsminister Jens Spahn einen Unterstützungsbrief zur Eröffnung eines Treffens der "Werteunion", in dem er die Mitglieder ermutigte, auf breiterer Ebene zu agieren, um die AfD "überflüssig" zu machen.
Und auch die östlichen Landesverbände der CDU als Fangemeinde von Friedrich Merz sind längst nicht alle so eindeutig mit ihrer Abgrenzungspolitik nach rechts, die lange Zeit kein Thema war. So konnte sich dort lange Zeit ein Konservatismus halten, der im Westen längst Vergangenheit zu sein schien. Wenn in den 90er Jahren Männer wie der ehemalige sächsische Justizminister Steffen Heitmann, der zeitweilig gar als Bundespräsidenten-Kandidat im Gespräch war, durch ultra-konservative Aussagen zur Geschlechter- oder zur Einwanderungsfrage auffielen, erregte das nur kurzzeitig Empörung. Nicht zuletzt Friedrich Merz nährte mit fragwürdigen Aussagen selber immer wieder Zweifel an einem liberalen Gesellschaftsbild der CDU, was ihm bis heute Sympathien in der Ost-CDU an der Basis einbringt. Originalton Merz: „Ich bin fest entschlossen, meinen Beitrag dazu zu leisten, dass diese CDU wieder eine klare Position zu den Fragen einnimmt, wo sie früher auch klar gewesen ist.“
Der irrelichternde Friedrich Merz: Von konservativ bis reaktionär?
Der wandlungsfähige Friedrich Merz - mit vollem Namen: Joachim-Friedrich Martin Josef Merz – forderte sehr früh Grenzkontrollen und Obergrenzen für Einwanderer und lehnte doppelte Staatsbürgerschaft ab. Das „großzügige deutsche Asylrecht“ hinterfragte er wiederholt. Er verteidigte den Begriff der Leitkultur und positionierte sich in der Kopftuchdebatte. Noch im November 2021 warnte er vor "unkontrollierter Einwanderung in unsere Sozialsysteme". (Damit macht er sich eine AfD-Wahlparole zu eigen). Er ist Gegner einer Frauenquote, war gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe und lehnte zunächst die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ab. Er trat für ein „Werbeverbot für Abtreibungen“ ein und sprach sich 2001 gegen Präimplantationsdiagnostik aus. Homosexuelle rückte er in die Nähe von Pädophilen. Schon vergessen?
Seine Grundsatzhaltung zu einer vielfältigen pluralen Gesellschaft und zu Minderheitenrechten: „Unsere Gesellschaft sei „zu konsensduselig“ geworden, Konsens sei die „Diktatur der am besten organisierten Minderheit.“ Für die Bildungsverlierer aus den bildungsfernen Schichten hat er nicht viel übrig: Bildung und Betreuung sollten nicht länger Staatsaufgabe sein, sondern durch Eltern und Ehemalige mitfinanziert werden. Kindergärten brauchten höhere Elternbeiträge und eine eigene Kapitalbasis. Weiteres von seinem erzkonservativen bis neoliberalen Menschen- und Weltbild klingt in seinem Buch „Neue Zeit- neue Verantwortung“ an der einen oder anderen Stelle durch.
Als Student trat Friedrich Merz der ältesten deutschen katholischen (nicht schlagenden) Studentenverbindung (KDStV Bavaria Bonn im CV) bei, die sich mit ihrer konservativen patriotischen Einstellung im Gegensatz zu den liberalen Studentenverbindungen aufstellte. (Die Verbindung hatte sich während der nationalsozialistischen Machtergreifung mit einer unrühmlichen und ehrerbietigen Ergebenheitsadresse an Reichspräsident Hindenburg und Reichskanzler Hitler gewandt und „treue Mitarbeit im nationalen Volksstaat“ gelobt. Eines ihrer prominentesten Mitglieder war Hans Globke, Chef des Bundeskanzleramtes unter Adenauer und zuvor Kommentator der Nürnberger Rassengesetze).
Merz als Spätberufener Umwelt -und Klimaschützer und Demokratie-Verteidiger?
Friedrich Merz positionierte sich pro Atomkraft und Gentechnik und hält die EU-Klimaschutzziele für überzogen. Er sprach sich gegen das Aus für Verbrenner-Motoren aus und warb 2010 für eine Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke durch Unterzeichnung des „Energiepolitischen Appells“ (2010). Der CDU-Wirtschaftsrat, dessen Vizepräsident er war, betätigte sich lange Zeit als Klimabremser. Merz warnte vor zu schneller Energiewende und vor staatlichen Regulierungen.
Umweltverbände wie NABU oder Greenpeace bezeichnete Merz als „Gegner von Demokratie und Marktwirtschaft“ und wollte ihnen die Gemeinnützigkeit aberkennen. Vor allem wollte er ihnen das Recht entziehen, Unternehmen auf Klimaschutz zu verklagen. Merz sprach sich auch gegen Volksentscheide oder direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild aus. Die Offenlegungspflicht von Nebentätigkeiten für Abgeordnete bezeichnete er als „verfassungswidrig.“ Den Nutzen sozialer Medien stellte Merz im Rahmen seiner Medienkritik in Frage. Und seine politische Vorbildfunktion in der Corona-Pandemie hat er dadurch verspielt, als er 2020 auf einer trotz Corona durchgeführten Großveranstaltung sich selber infizierte unter Missachtung der Corona-Regeln.
Der Neue ist „ganz der Alte“
Soviel Kreide kann ein dermaßen vorbelasteter Parteifunktionär gar nicht schlucken, um sich mit dieser Vergangenheit nunmehr im beginnenden Rentenalter glaubwürdig als Modernisierer und Erneuerer an die Spitze einer modernen Volkspartei zu setzen, bei aller „Altersweisheit“. Trotzdem geht ihm die Parteibasis nicht nur im Osten wider besseres Wissen „auf den Leim“, so beispielsweise auch in der langjährigen CDU-Hochburg Haltern am See in NRW: Die „Halterner Zeitung“ hatte vor drei Jahren die Parteitags-Delegierten aus dem Halterner CDU-Stadtverband und dem Recklinghäuser CDU-Kreisverband nach ihrem Favoriten befragt, als sich Friedrich Merz im Dezember 2018 erstmalig als CDU-Vorsitzender in Konkurrenz zu Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn bewarb. Die Präferenzen im CDU-Kreis- und Stadtverband, insbesondere bei den Vertretern der Jungen Union, lagen eindeutig und mehrheitlich bei Friedrich Merz, der aber scheiterte.
Vor seinem zweiten Anlauf in 2020 gegen die Konkurrenten Norbert Röttgen und Armin Laschet hatten die befragten Delegierten aus der CDU-Hochburg Haltern einen Schwenk zu Armin Laschet vollzogen, nachdem dieser den Halterner CDU-Landtagsabgeordneten zu seinem Generalsekretär in NRW erkoren hatte. Beim dritten Anlauf von Friedrich Merz gegen die Konkurrenten Helge Braun und Norbert Röttgen zum Jahresende 2021 hielten sich die meisten befragten Delegierten bedeckt und mochten nicht preisgeben, für wen sie sich diesmal entscheiden. Lediglich der gescheiterte CDU-Bundestagskandidat Lars Ehm bekannte sich offen zu Friedlich Merz, der wiederum auf seine Sympathien bei der Parteibasis hofft.
Was ist von Friedrich Merz zu erwarten? Er müsste eine Kehrtwende um 180 Grad vollziehen, wenn er tatsächlich die CDU als moderne konservative Partei der Mitte neu aufstellen möchte – wobei er neuerdings die Teamarbeit dafür beschwört. Eine Frau in seinem Team kommt allenfalls als stellvertretende Generalsekretärin in Frage, dieses Signal hat er bereits gesetzt. Doch das schmälert kaum seine innerparteiliche Anhängerschaft, denn das politische Umfeld prägt die Persönlichkeit. Nun will er den Frauen und der Jugend in der Partei eine Stimme geben, wie er bei der Mitgliederbefragung verkündete. Können diese nicht besser ihre Stimme selber erheben, oder brauchen sie dazu ausgerechnet Senior Friedrich Merz als Fürsprecher? Wenn eine derart schillernde Persönlichkeit wie Friedrich Merz als Favorit der Parteibasis glänzt, dann ahnt man den Weg der "neuen" CDU zu einer als Partei getarnten Lobbyorganisation...
Wieweit kann eine Persönlichkeit über ihren eigenen Schatten springen?
Friedrich Merz wurde am 11. November 1955 im sauerländischen Brilon im Sternzeichen des Skorpions geboren. Dieser Geburtszeitpunkt deutet im astrologischen Sinne auf bestimmte typische Seelen- und Charaktereigenschaften hin, die bei der Einschätzung der Persönlichkeit hilfreich sein können. Wieweit kann eine Persönlichkeit über ihren eigenen Schatten springen? Die positiven Eigenschaften machen einen Skorpion-Geborenen einerseits zu einem ausdauernden, unerschrockenen, zähen und zielstrebigen Kämpfer, belastbar, furchtlos und mutig, engagiert und entschlossen. Aber er ist auch kompromisslos, unnachgiebig, rechthaberisch und gerissen, jähzornig und machtgierig, misstrauisch und sarkastisch, ja manchmal sogar skrupellos, unversöhnlich und verbissen. Bisweilen versetzt er seine Mitmenschen in Angst und Schrecken mit Rachsucht und Hinterlist. Und er versucht geschickt, seine Mitmenschen zu manipulieren und von seinen Ansichten zu überzeugen.
Dabei fallen die meisten auf seine magische Ausstrahlung herein. Oft werden Skorpione von anderen Menschen bewundert und angehimmelt – manchmal nutzen sie die Schwärmerei jedoch aus, um ihre Macht zu vergrößern, auch mit Manipulation und Intrigen Er ist ein geschickter Taktiker, aber steht sich manchmal selbst im Wege bis hin zur selbstzerstörerischen Ader. Außen eine harte Schale, innen ein weicher Kern. Er spricht offen aus, was ihn stört, auch wenn er dabei seine Mitmenschen verletzt. Vor allem kann er jähzornig und nachtragend sein und braucht lange, bis er etwas vergisst. (Frau Merkel kann davon ein Lied singen...). Er steht nicht gerne in der zweiten Reihe und hat ungern jemanden über sich, sondern er will selbst die Karriereleiter steil hinauf. Als „Marionettenspieler“ reicht es ihm, im Hintergrund die Macht zu haben. Er provoziert gerne Kontroversen, um seine Kräfte mit anderen messen zu können. Generell ist er eher konservativ und bewahrend.
Autor:Wilhelm Neurohr aus Haltern | |
Webseite von Wilhelm Neurohr |
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