Danksagung an Corona
16 positive Errungenschaften dank Corona - Ohne die Pandemie wäre alles beim Alten geblieben
Allenthalben ist die Rede von einem fehlenden oder unzureichenden „Stufenplan zum Ausstieg aus dem Lockdown“, von Versäumnissen bei Masken, Tests, Impfstoffen, Wirtschaftshilfen und digitalem Schulbetrieb. Jeder möchte wissen, wie es weiter geht, damit alsbald wieder „Normalität im Alltag“ eintritt. Doch sollte nicht die Sichtweise weit darüber hinaus gehen, wenn wir nachhaltige Zukunftskonzepte wollen? Was hat uns Corona gelehrt für unsere radikal und dauerhaft zu verändernde Lebensweise und unseren Umgang mit der Natur und den Mitmenschen?
Hat uns Corona nicht dankenswerterweise die Augen geöffnet für ein komplettes Umdenken und Umsteuern in Politik, Okönomie, Ökologie und sozialem Zusammenleben, für eine überfällige Transformation der Gesellschaft? Die ersten historischen Verdienste von Corona werden schon sichtbar, denn ohne Corona hätten wir noch lange darauf warten können:
Politische Fortschritte:
1. Die Rolle des Sozialstaates und das Primat der Politik gegenüber der zuvor dominanten und lobbystarken Wirtschaft wurden zumindest in Krisenzeiten gestärkt. Wie schon bei der zurückliegenden Finanzkrise zeigte sich auch hier, dass es ohne sozialstaatliche Steuerung nicht geht, denn "der Staat sind wir"!
2. Der Irrsinn der „schwarzen Null“ wurde unterbrochen zugunsten notwendiger und überfälliger staatlicher Zukunftsinvestitionen in Bildung, Digitalisierung, Soziales und Gesundheit. Ohne Corona wären sie noch weiter unterblieben, verschoben oder vom Umfang gering gehalten worden.
3. Zugleich wurden Demokratie-Defizite erkannt und darüber diskutiert, dass die zentrale Rolle der demokratisch gewählten Parlamente gegenüber der exekutiven Regierung erst recht in Krisenzeiten gestärkt werden muss und nicht geschwächt werden darf - und dass die vermeintliche politische „Alternativlosigkeit“ durchbrochen werden muss.
Soziale Fortschritte:
4. Die sklavenähnlichen Wohn- und Arbeitsverhältnisse der Werks- und Leiharbeiter mit ihren ausbeuterischen Niedriglöhnen wurden nach der Masseninfektionen bei Tönnies & Co. per Gesetz endlich eingedämmt. (Den übrigen Arbeitnehmern wurden Hilfen zuteil in Form von Kurzarbeitergeld sowie den Arbeitgebern und gefährdeten Mittelständlern staatliche Überbrückungshilfen gewährt; und auch die Ärmsten und Kinderreichen bekamen ein paar Euro zusätzlich).
5. Die Wertschätzung und Anerkennung der vorher geringgeschätzten „systemrelevanten“ Berufe im Gesundheitswesen, in der Kranken- und Altenpflege, bei Kassiererinnen und Paketboten etc. wurde endlich erkannt und erhöht (und zumindest teilweise etwas besser honoriert und personell ausgestattet).
6. Es wurde erkannt, dass die Kürzungen, Krankenhausschließungen und vor allem die Privatisierungen im (kommerzialisierten) Gesundheitswesen nicht „der Weisheit letzter Schluss“ waren und ein leistungsfähiges und personell gestärktes öffentliches Gesundheitswesen wieder erstarken muss. (Und die Pandemie- und Medikamenten- und Impfstoff-Forschung wurden beschleunigt und finanziell stärker gefördert).
7. Durch die wegen Corona in Zahlungsnot geratenen Mieter von Wohnungen und Geschäftslokalen etc. wurden neben dem temporären Kündigungsschutz endlich auch die exorbitant steigenden Mietpreise und der Mangel an bezahlbaren Wohnungen generell auf die Tagesordnung gesetzt und damit die Wohnungsfrage verstärkt als soziale Zukunftsfrage erkannt.
Ökologischer, ökonomischer und technischer Fortschritte:
8. Unser überbordendes Konsumverhalten und der Massentourismus (mitsamt dem schädlichen alpinen Ski-Zirkus) wurden auf den Prüfstand gestellt und stattdessen die Wertigkeit der stillen Erholung in Natur und Landschaft im Wohnumfeld entdeckt (und dabei zugleich die Augen geöffnet für das dramatisch voranschreitende Waldsterben).
9. Dank Corona ging der klimaschädliche CO²-Ausstoß und die übrige Umweltbelastung durch eingeschränkten Auto –und Flugverkehr temporär zurück und beschleunigt vielleicht die notwendige Mobilitätswende und verändert das Klimabewusstsein.
10. Die Wertschätzung für funktionierende und belebte, urbane Innenstädte mit ihrem Einzelhandel und ihrer Gastronomie, die schmerzlich vermisst wurden, lebte in Zeiten des verstärkten online-Einkaufs wieder auf und ruft nach Wiederbelebung.
11. Die digitale Technik, der Netzausbau sowie vor allem die digitalen Kompetenzen in Schule, Betrieb (Homeoffice) und Privatleben (online-Kommunikation) haben einen gewaltigen Schub erhalten, den es ohne Corona so schnell nicht gegeben hätte.
Kulturelle Fortschritte:
12. Der zentrale Stellenwert der (schmerzhaft vermissten) kulturellen Angebote, von Kino über Theater, Konzerten, Museen, Ausstellungen durch die Künstler und Kulturschaffenden wurde erkannt, ebenso der Nutzen der vielen zwischenmenschlichen Dienstleistungen vom Friseur bis zum Masseur. Das könnte gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken
13. Die Familien haben (zunächst notgedrungen) wieder mehr Zeit mit ihren Kindern verbracht, viele lasen wieder mehr Bücher und hatten Zeit für Spiele, Gespräche und zum Nachdenken; auch der Alkoholkonsum ging zurück (Bierbrauer müssten Ihr Gebrautes sogar wegschütten); so dass Lebensstile und Freizeitzeitkultur umgestellt werden können.
14. Der Solidaritätsgedanke in einer bislang auf Konkurrenz und Wettbewerb getrimmten Gesellschaft wurde in der Krisenzeit neu belebt, zwischen den Generationen (gefährdete Senioren) , im Familien- und Freundeskreis, mit den Arbeitskollegen, gesamtgesellschaftlich, aber auch in Europa und mit Blick auf die Weltgemeinschaft, weil Corona die wechselseitige Abhängigkeit und notwendige Rücksichtnahme sichtbar machte.
15. Die seelische Bedeutung zwischenmenschlicher Kontakte und Nähe sowie der Unterschied der direkten zur digitalen Kommunikation wurde erlebbar und verstärkten die Wünsche nach einer kommunikativen Gesprächskultur und nach Menschenbegegnung.
16. Angesichts der großen Zahl an Corona-Todesfällen wurde vielfach menschliche Kernfragen zum Sinn des Lebens und dem Wert der Gesundheit thematisiert, aber auch die Frage des Sterbens und des Todes bewegt, die ansonsten verdrängt werden.
Entlang dieser und weiterer Punkte sollte sich nun auch die Nachhaltigkeitsstrategie nach Corona bewegen – bloß kein „Zurück zur vorherigen Normalität“ und auch kein „Weiter so“!
Eine absurde Debatte: Keine Bewegungsfreiheit für die Geimpften?
Wenn jetzt noch die absurde Debatte überwunden wird, ob die bereits Geimpften nicht mehr Bewegungsfreiheit erhalten dürfen als die noch Wartenden, dann bewegen wir uns ein weiteres Stück vorwärts.
Was ist richtig verstandene und was falsch verstandene Solidarität? Warum wollen wir den Geimpften „Solidarität“ dergestalt abverlangen, dass sie gefälligst auf den Letztgeimpften warten und solange in Geduld verharren bei den Ausgehbeschränkungen, auch wenn von ihnen vielleicht keine Gefahr mehr ausgeht?
Sollen vielleicht in der globalen Solidaritätsgemeinschaft die Australier und Chinesen trotz dort nahezu überwundener Pandemie aus Solidarität mit uns weiterhin in der Quarantäne verharren, bis die Europäer und Deutschen endlich auch so weit sind? Was haben wir davon, außer, dass es niemandem besser gehen soll als uns selber?
Wenn Reisende auf dem überfüllten Bahnsteig stehen und nicht alle in den abfahrenden Zug passen, warten dann die Eingestiegenen auch solange mit der Abfahrt, bis nach Stunden auch die noch Wartenden endlich in einen Ersatzzug einsteigen konnten? Das wäre ein nutzlose Warterei.
Das wäre ebenso unsinnig wie in einer Warteschlange vor dem Geschäft, bei der die ersten ganz vorne nicht eher ihre Ware ausgehändigt bekommen sollen, bis diejenigen am Ende der Schlange ebenfalls dran sind. Was wäre das für eine endlose und nutzlose Warterei, statt die Vordern mit ihrer Ware ziehen zu lassen und Platz zu schaffen für die danach Kommenden?.
Oder kam etwa beim Elbhochwasser oder bei der Hamburger Sturmflut jemand auf die Idee, von den Bewohnern der nicht betroffenen Regionen zu verlangen, dass sie aus Solidarität auch solange in ihren Wohnungen verharren, bis das Hochwasser da oben im Norden abgelaufen ist und die dortigen Bewohner auch wieder auf die Straße können? Oder hat sogar schon jemand mit einem im Gefängnis gelandeten Gestrauchelten Solidarität gezeigt und ist solange in seiner Wohnung eingesperrt geblieben, bis der Straftäter auch wieder in Freiheit ist? Oder bleiben die Reichen in ihrem Urlaub aus Solidarität mit den Schwachen so lange auf dem Balkon, bis sich auch die Armen mal einen Urlaub außerhalb ihres Balkons leisten können?
Die echte Solidarität der Zukunft
Verquere Beispiele? Die Diskussion erinnert jedenfalls an eine erlebte Diskussion nach einer gewerkschaftlichen Tarifrunde (mit mühsam errungenen Kompromissen), bei der nicht für alle Beschäftigtengruppen, aber für gut die Hälfte eine Verbesserung erreicht werden konnte und für die anderen leider nicht. Da sagten diejenigen, die leer ausgingen, man solle dann den anderen auch keine Lohnerhöhung geben. Lieber gönnte man das den Kollegen dann auch nicht, bevor man selber erst bei der nächsten Tarifrunde mit dabei sei.
Das Ganze mündet somit in eine bloße Neiddebatte, ohne die eigene Situation dadurch auch nur einen Deut zu verbessern. Bitte darüber nachdenken mit etwas mehr Gönnerhaftigkeit in Bezug auf diejenigen, die etwas eher dran sind mit der Corona-Impfung. Wir kommen doch früher oder später alle dran und reden hier über einige Wochen oder Monate „Bevorteilung“ oder „Benachteiligung“.
Besser wäre es, wir würden dazu beitragen dass infolge der Corona-Krise nicht die Schwachen auf der Strecke bleiben und die Starken gewinnen.
Wenn wir das zu unserem Verhaltensziel machen, dann hat uns Corona auch wahre Solidarität für die Zukunft gelehrt und damit noch einen 17. Pluspunkt hinzugefügt.
Danke, Corona!
Wilhelm Neurohr
Autor:Wilhelm Neurohr aus Haltern | |
Webseite von Wilhelm Neurohr |
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