Blinde Menschen
Das Dunkelkaufhaus in Wetzlar
Vor einigen Jahren besuchte ich mit meinem Mann und meiner Enkelin das
Dunkelkaufhaus in Wetzlar.
Es ist kein Kaufhaus im üblichen Sinn. Man kann dort nichts kaufen.
Dort wird einem das Leben blinder Menschen näher gebracht.
Es war eine eindrucksvolle Erfahrung für uns.
Als wir dort ankamen, begrüßte uns ein Mann, der von Geburt an blind war.
Man merkte es ihm aber nicht an, nur seine Augen bewegten sich unkontrolliert.
Er erklärte uns, was uns erwartete.
Er öffnete dann eine Tür und sagte, wir sollten uns alle hintereinander immer an der linken Wand entlang tasten.
Dann ging die Tür zu. Es war stockfinster. Sofort kam bei mir ein beklemmendes Gefühl auf.
Aber der Blinde beruhigte uns sofort, redete dauernd. Nach einer Weile verschwand das beklemmende Gefühl.
Es entwickelte sich zwischen dem Blinden und uns eine rege Unterhaltung, die uns vergessen ließen, dass dieser Mann blind war.
Dieser Mann führte uns so sicher durch das stockfinstere Labyrinth, das man glauben konnte
er sei der Einzige, der sehen konnte, und wir wären die Blinden.
Er forderte uns z.B auf: "Drehen sich bitte rechts rum und machen Sie zwei Schritte nach vorn. Dann stehen Sie vor einem Tisch mit einigen Gegenständen,
fassen Sie sie an und sagen Sie, was sie erkennen"
Wir erfühlten dann so Alltagsgegenstände, wie Bürste, Besen , Teller, Kanne.Auch berufsspezifische Sachen wie Maurerkelle, Hammer, Schraubenzieher waren darunter.
Unter anderem mussten wir auch einen Satz lesen, bzw. erfühlen, der in der Wand eingemeißelt war. Überraschenderweise habe ich ihn fast genaus so schnell erfühlt, als hätte ich ihn mit sehenden Augen gelesen.
Zum Schluss führte er uns an einem Tisch und servierte uns Kaffee und Kuchen. Er machte alles alleine und hatte auch keine sehenden Helfer.
Wir mußten erraten, welchen Kuchen wir aßen. Es war ein Apfelstreuselkuchen.
Das Essen mit der Kuchengabel erwies sich für mich als schwierig.
Kurzerhand nahm ich meine Finger. Es sah ja doch niemand. :-.)).
Die Führung dauerte eineinhalb Stunden. Als wir dann wieder draußen waren, blendete uns das Licht und die Augen taten uns weh. Am Ende waren wir doch froh, wieder unter den Sehenden zu sein.
Es war ein einmaliges Erlebnis, das ich nie vergessen werde.
Dieser blinde Mann war so lebensfroh und optimistisch. Natürlich würde er gern sehen können. Er sagte aber auch,.mit einem gehörlosen Menschen
würde er nicht tauschen wollen, dann ist er. lieber blind.
Autor:Barbara Steffen (Ebsdorfergrund) aus Bochum |
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