Ritterturnier zu Wickrath
Das Ritterturnier In Schloss Wickrath - eine Rezension

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Am 30.05. sowie am 01.06. und 02.06.2024 gab sich die Truppe der stuntpferde.de auf Schloss Wickrath die Ehre. Es war eine ganz hervorragende Show, die sie dort auf die Beine gestellt haben und was diese Shows so gut gemacht hat, aber auch der ein oder andere kleine Kritikpunkt, sind im folgenden Text zu lesen.

Der Plot der Show
Was ist Zeit? Zeit ist flüchtig, wie der Sand, der uns in den Händen verrinnt. So wird aus dem Leben Geschichte und Geschichte wird Legende und aus Legende wird Mythos. Dies ist die Geschichte, die erzählt wurde:
In den Grafschaften Rheydt und Wickrath, so erzählt ein weiser alter Kämpfer namens Ramirez (Michael Cornély), leben die Menschen einträchtig miteinander. Die beiden Grafen Heinrich/Reinhardt von Rheydt (Peter Luckau) und Otto von Wickrath (Dirk von Dhur) sind schon seit ihrer Jugend befreundet und haben ihre Ländereien einträchtig und in Frieden zur Blüte geführt. Nun möchten sie ihre Häuser noch enger verbinden und verloben daher ihre noch sehr jungen Kinder Johanna von Rheydt und Phillip von Wickrath miteinander. Zur Feier der Verlobung geben sie ein großes Fest für das gesamte Volk und messen sich in einem freundschaftlichen Turney miteinander.
Als dann aber die Verlobung der beiden Kinder, Johanna scheint davon nur sehr mittelmäßig begeistert zu sein, im Angesicht des Volkes durch Bruder Benedikt gesegnet wird, und die Grafen zum Zeichen ihrer Verbundenheit als Mitgift die Schwerter ihrer Häuser tauschen, stürmt Friedrich Graf von Isenburg (Andreas Wolter), der die Ländereien begehrt, mit seinen Hasardeuren das Fest. Der Graf von Rheydt versucht zu retten, was zu retten ist und befielt den Kindern, in den Wäldern Schutz zu suchen, während der Graf von Wickrath die Männer zu den Waffen ruft. Aber das hilft nichts und Isenburg und seine Männer zünden die Behausungen an und erschlagen die Leute. Dann befiehlt er, sich die Grafen bringen zu lassen und lässt darüber abstimmen, ob sie leben oder sterben sollen, doch das ist natürlich nur ein Vorwand und er ermordet beide. Dann verlässt er das Feld der Toten.
Die Geflohenen kehren zurück, um ihre Toten zu betrauern und ein alter Spielmann spielt eine Totenklage. Doch das Lied erinnert Johanna von Rheydt an eine alte Sage. Dort, wo in den Ländereien nur noch ein trockenes Flussbett zurückgeblieben ist, floss in längst vergangenen Zeiten ein Fluss, die Niers. Diese wurde einst von einer Fee gehütet und so beschwört Johanna in ihrer Not die Herrin der Niers und bittet um ihren Beistand. Die Herrin des Flusses (Nina Wolter) zeigt sich auch tatsächlich und spricht Johanna und dem ebenfalls überlebenden Phillip Mut zu. Zwar vermag sie die Väter nicht zurück ins Leben zu holen noch das Land zu heilen, doch wollen sie und ihr alter Freund Ramirez, der sich nun ebenfalls zu den dreien gesellt, den Kindern helfen. Dazu schenkt sie ihnen Oriflamme, ein magisches Ross. Um sie vor Isenburg zu schützen, trennen sie die beiden und versprechen ihnen jeweils, sie alles zu lehren, was sie vermögen. Phillip kann sich kaum von Johanna trennen und gibt ihr schließlich eine Blume, die sie an ihn erinnern soll, bevor sie beide mit ihren Mentoren von dannen ziehen. Ramirez aber weist das überlebende Volk an, wieder aufzubauen, was zerstört wurde und die Hoffnung nicht zu verlieren. Er verspricht, dass sie dereinst zurückkehren werden.
Zehn Jahre sind ins Land gegangen, da der Herold Alexander von Utrecht (Alexander Schmidt) auf den Ländereien von Wickrath ein Turnier abhalten lässt und dazu die besten Ritter Europas einlädt. Das ist zum ersten Alessandro di Verona (Karel Hajek), in schwarz und in gelb, ein Ritter ohne Furcht und Tadel, der ein Jahr alleine auf einem Berg verbrachte, um der Stille zu lauschen. Als nächstes der ominöse Ritter des Lichtes in blau-weiß, dessen Gesichts niemand bisher jemals ansichtig wurde und zuletzt in grün und weiß der Sieger der Turniere von Rom, Paris und Mailand, der Hüter der italienischen Jungfräulichkeit, der mittlerweile erwachsene Phillip von Wickrath (Christian Papke) höchstpersönlich.
Diese drei wollen sich in vier Exerzitien miteinander messen, doch haben sie kaum das erste hinter sich gebracht, als, wie immer uneingeladen und unwillkommen, Friedrich von Isenburg auf dem Plan erscheint und sich darüber entrüstet, dass auf seinem Grund und Boden ein Turnier abgehalten würde und er außerdem nicht eingeladen sei. Weiterhin nimmt er Anstoß daran, dass die Teilnehmer sich hinter ihren Helmen verstecken und ihm nicht offen ins Antlitz blicken. Zuerst ent-helmt sich Alessandro di Verona, der von Isenburg nur verächtlich als „alter Mann“ abgetan wird. Als nächstes öffnet Phillip von Wickrath das Visier, doch Isenburg erkennt den inzwischen zum Manne gereiften nicht. Erst Ramirez, der seinen Schützling augenscheinlich begleitet hat, fragt Isenburg reichlich spitz, ob er, der den Tod von so vielen verschuldete, den Überblick verloren habe, wie viele Kinder er vaterlos zurückließ und erklärt dem finsteren Grafen, wen er dort vor sich hat. Schließlich aber wendet sich Isenburg auch dem dritten Reiter zu, den er als Jüngling betitelt und ihn fragt, ob er denn so hässlich sei, dass er sein Gesicht verbergen müsse. Doch dieser Jüngling ist mitnichten hässlich, denn als SIE ihren Helm abnimmt, entpuppt sich der Ritter des Lichtes als keine andere als Johanna von Rheydt (Sani Strietz). Sie klärt die Anwesenden darüber auf, dass die Herrin der Niers ihr auch das Kämpfen beigebracht habe. Phillip von Wickrath entfährt darauf nur ein völlig entgeistertes „Johanna“ und sie versichert ihm, dass kein Tag vergangen sei, da sie nicht an ihn gedacht habe.
Endlich aber geht das Turney, nun mit Friedrich von Isenburg als viertem Partizipanten weiter. Die Exerzitien bringen keine Entscheidung, es wird dann zur Entscheidung erst der Massentjost geritten, bei dem Johanna ausscheidet. Dann gehen Alessandro di Verona und Phillip von Wickrath jeweils ins Einzelgestech mit Isenburg, beziehungsweise hinterher in den Zweikampf am Boden.
Alessandro di Verona wird von Isenburg in hohem Bogen aus dem Sattel befördert und fordert den Zweikampf mit Axt und Schild. Auch dort unterliegt er, doch bevor Isenburg den tödlichen Schlag ausführen kann, fährt Alexander von Utrecht wie ein Gewitter drein und weist Isenburg in die Schranken. So bleibt nur noch Phillip von Wickrath übrig. Diesem schließlich gelingt es, Isenburg im Schwertduell zu besiegen und er kann nun endlich seine Johanna in die Arme schließen. Diese erzählt dann, dass ihre Väter dereinst von einer besseren Welt träumten, die nur von Menschen mit reinem Herzen geschaffen werden kann. Außerdem zieht sie jene Blume hervor, die Phillip ihr damals zum Abschied gab und die sie seither immer bei sich getragen hatte, als Zeichen der Hoffnung. So beginnt denn ein neues Kapitel in der Geschichte der Häuser von Rheydt und Wickrath, die nun endlich vereint sind und deren Volk dort wieder in Frieden leben kann.
Doch die Geschichte von Isenburg ist erst einmal zu Ende und er bekommt seine gerechte Strafe. Er wird auf Geheiß Alexander von Utrechts aufgegriffen und in das hinterletzte Schweigekloster am Ende der Welt verbannt.

Der Kommentar
Diese Show wartete mit einer der in sich schlüssigsten und am stimmungsvollsten umgesetzten Geschichten auf, die ich bisher bei einem Turnier gesehen habe. Der Aufbau der Geschichte war sehr generisch, wie er auch in anderen Medien und in diversen Genres auftaucht, was aber an sich nicht schlimm ist. Der Schurke bringt die vom Volk geliebten, wohlmeinenden Herrscher um, deren verwaiste Kinder werden bei mächtigen Mentoren versteckt, wachsen unentdeckt heran, machen sich in der Fremde einen Namen, kehren zurück, um ihre Familien zu rächen, besiegen den Schurken, verlieben sich dabei ineinander und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Gerade Rittershows leben üblicherweise von solch einer recht klar definierten Gut-Böse-Struktur und arbeiten naturgemäß dadurch auch mit Klischees. Hier aber wurde die Geschichte so geschickt in Szene gesetzt, dass es ein Vergnügen war, zuzuschauen.
Auch haben diese Shows wieder einmal bewiesen, dass solange die Akteure strikt in ihren Rollen bleiben, das Publikum ebenfalls maximal engagiert bleibt.
Manche Elemente und einzelne Szenen haben sich von Show zu Show immer wieder etwas geändert, sodass es auch nicht langweilig wurde, wenn man die Show mehrfach sah. Allerdings waren besagte Änderungen nicht immer hundertprozentig glücklich gewählt.
Das fing schon bei der Einleitung an, denn davon gab es zwei Varianten. Beiden ist gemeinsam, dass sie einen Anfang in Latein haben, dann eine Paraphrasierung in Deutsch und dann die Erklärung wann und wie man als Publikum zu applaudieren und zu buhen habe. Die allseits bekannte Einleitung begrüßt in Latein das Volk („…sidete aut stabate, audite et videte spectaculum vos presentatum in hoc loco“ also „…sitzt oder steht, hört zu und seht das Spektakel, welches euch an diesem Orte geboten wird“), die deutsche ist dabei deutlich humoristisch angelegt. Das beinhaltet natürlich wie immer auch das erste Versagen des Publikums, das zuerst eher applaudierte, als stünde ein kniehoher Ritter auf einem Pferd mit drei Beinen vor einem, was allerdings zwischendurch ersetzt wurde durch einen einarmigen Gaukler, der darob nicht vernünftig jonglieren kann. Bei der Übung des Ausbuhens wechselte das Bild zwischen dem allseits bekannten „stellt euch einfach eure Schwiegermutter vor“ und dem wesentlich stimmungsvolleren, wenn auch nicht so sehr für Amüsement sorgenden, Bild einer brennenden Kugel des Hasses, des Zorns und des Haders. Beide Varianten haben sicherlich ihre Berechtigung, aber da Feuer ein wiederkehrendes Element in der Show war, fand ich die zweite Variante hier aufgrund des Foreshadowings deutlich interessanter. Das ist zwar an sich ein ganz wunderbarer Text und ich liebe es nach wie vor, dass die Show mit einer Einleitung in Latein beginnt, aber sie ist auch vollkommen generisch und universell einsetzbar.
Bei der für diese Show individuellen Einleitung, die nur bei wenigen Shows zum Einsatz kam, hat der Erzähler aber im Lateinischen wie im Deutschen das Zeitmotiv angesprochen. Das Thema „Zeit“ würde ich als unterschwelligen thematischen roten Faden der Show charakterisieren, und hatte in leider zu wenigen Shows hier bereits den Ausgangspunkt. In der zweiten Variante sagte der Erzähler: „Tempus fugit. Mundus transit…et nos mutantus…“ (paraprasiert: Die Zeit vergeht. Die Welt wandelt sich… und wir verändern uns…) und dann im Deutschen Text „Was ist Zeit? Zeit ist flüchtig, wie der Sand, der uns in den Händen verrinnt. … So wird aus Leben Geschichte und Geschichte wird Legende und aus Legende wird Mythos.“ Das passte einfach wesentlich besser in die Kontinuität der Erzählung und erzeugte auch von Anfang an schon eine ganz andere Grundstimmung. Der Teil mit der Erklärung für das Volk blieb hier zwar gleich, trotzdem setzte diese Einleitung von Vornherein schon wesentlich schönere Akzente für die nachfolgende Show. Die ideale Kombination wäre hier für mein Empfinden eine Verknüpfung aus dem „Zeit“-Element und der „brennenden Kugel des Hasses“ gewesen.

Zu Beginn der Erzählung ging es nämlich direkt mit dem Element „Zeit“ weiter. Das Volk zu Wickrath und zu Rheydt lebte in einer Zeit des Friedens und des Wohlstands, die beiden Grafen waren seit ihrer Kindheit, also offensichtlich schon eine lange Zeit, befreundet und um die Zukunft ihrer Grafschaften zu sichern, wollen sie nun ihre Kinder verloben. Sowohl spielerisch als auch von der Inszenierung her war dieser Einstieg in die Show unglaublich gut umgesetzt.
Denn dieser Passus wurde nicht nur erzählt, sondern auch dramaturgisch dargestellt. Lagergruppen stellten die Bevölkerung der beiden Grafschaften. Der Ort, das Dorf, wurde minimalistisch, aber für die Vorstellungskraft vollkommen ausreichend, durch einen Pavillon und einen Baum symbolisiert und das Fest durch einen kleinen Tjost der Grafen von Rheydt und Wickrath, einen Spielmann und einen Tanz um den Dorfbaum. Auch die Verlobungsszene war schön realisiert. Sie hatte diesen wirklich amüsanten Augenblick, der jedes Mal ganz hervorragend beim Publikum ankam, als der Graf von Rheydt seine Tochter fragte, ob sie sich denn auch freue, mit Phillip verlobt zu werden und diese ihrem Vater daraufhin einen mehr als unfreundlichen Blick zuwarf, den er nur mimisch wie körpersprachlich großartig gespielt kommentierte. Ich glaube aber die Segnung selbst wirkte vor allem durch ihre Schlichtheit und Symmetrie. Die Grafen knieten rechts und links, flankiert von je einem ihrer Leute, die jeweils das Schwert des Hauses hochhielten. Die beiden Kinder standen vor dem Priester in ihrer Mitte und das Volk kniete im Halbkreis um diesen Mittelpunkt herum. Einfach als Bild, als visueller Eindruck, war das mit einer der stärksten Augenblicke der Show. Ein weiteres dazu tat der Umstand, dass die Charaktere in der Szene selbst nicht sprachen, sondern das ganze als Voiceover vom Erzähler aus dem Off kommentiert wurde.
Doch dann kam Isenburg und zerstörte dieses friedliche Bild und beendete die guten Zeiten.
Er und seine Hasardeure jagten mit Feuer und Schwert in den Kreis der Versammelten und brachen damit auf ausnehmend bedrohliche Art und Weise Ruhe von vorher. Hier bekamen die beiden Grafen dann auch ein wenig eigene Charakterzüge, denn der Graf von Rheydt hieß zuerst die Kinder, sich zu verstecken und versuchte dadurch, die Zukunft zu retten, während der Graf von Wickrath in die Konfrontation ging und die Männer zu den Waffen rief, was natürlich seinen Freund unterstützte, aber inhärent auch das Risiko des eigenen Todes und des Todes der Leute barg. Isenburg machte allerdings kurzen Prozess mit diesem aufflammenden Widerstand. Er brannte die Hütte nieder und ließ die Leute niedermetzeln, bis nur noch die beiden Grafen am Leben waren.
Das nächste Element bedurfte dann der Publikumsbeteiligung, was an sich eine ganz großartige Idee war, wenn denn alle Beteiligten so mitgespielt hätten, wie gedacht. Denn Isenburg stellte zur Wahl, ob die Grafen leben oder sterben sollten, je nachdem ob das Volk, also das Publikum, für sie aufstand oder eben nicht. Das hatte natürlich zuerst einmal die Hoffnung erzeugt, und damit das Publikum bei seinen Gefühlen gepackt, man könne die Geschichte noch zum Guten wenden und Isenburg eins auswischen. Dass diese Hoffnung in der Folge recht brutal zerstört wurde, und man das Gefühl hatte, nicht zu Unrecht übrigens, wie das Schicksal der beiden Grafen lehrte, der Willkür des Herrn von Isenburg ausgeliefert zu sein, rief dann auch sowohl ein unterschwelliges Gefühl von Hilflosigkeit als auch der moralischen Entrüstung hervor, die sich vehement gegen Isenburg richtete. Hier stieg nun zum ersten Mal auch so richtig deutlich die eingangs beschworene brennende Kugel das Hasses im Zuschauer auf. Dieser ganze Passus sorgte neben vehementer Abneigung aber auch dafür, Isenburg möglichst bedrohlich erscheinen zu lassen.
Der Graf von Rheydt war der Erste, der vorgeführt wurde. Dieser nahm in den ersten beiden Shows noch rege am Geschehen teil, insofern, als dass er, und Minenspiel ist etwas, was der Akteur beherrscht wie kein Zweiter, mit hoffnungsvoll hochgezogenen Brauen und gekonnt mitleidheischendem Dackelblick das Publikum animierte, sich für ihn zu verwenden, was hier auch noch ziemlich erfolgreich verlief. In den restlichen vier Shows tat er das nicht mehr, sondern harrte regungs- wie emotionslos seines tödlichen Schicksals, was natürlich auch nicht gerade Regung beim Publikum erzeugte. Das ging sogar so weit, dass sich in einer Show einmal, soweit ich das überblicken konnte, niemand für ihn erhob. Selbiges ist natürlich sehr schade, zum einen, weil es den Verhaltenskontrast zwischen ihm und dem Grafen von Wickrath vollkommen zunichtemachte und zum andern, weil der Akteur hier selbst erwiesenerweise nicht nur hinter seinen Möglichkeiten blieb, sondern diese schlicht nicht ausspielte. Sollte das eine Regieanweisung gewesen sein, war es in jedem Fall keine gute, und wenn es die Wahl des Akteurs selbst war, hätte er sie vielleicht besser noch einmal überdacht.
Ganz anders dagegen der Graf von Wickrath, der als zweiter sein Urteil vernehmen musste. Während der Graf von Rheydt noch auf Rettung hoffte und hoffen konnte, wusste der Graf von Wickrath, dass es um ihn geschehen war, ganz gleich wie das Volk, beziehungsweise eben das Publikum, entscheiden würde. Und er spielte diese Erkenntnis unsagbar gut. Mit dem Gesichtsausdruck tiefer Verzweiflung und Resignation versuchte er das Publikum mit beredten Gesten dazu zu bewegen, Platz zu behalten, und sich nicht in die Gefahr zu begeben, die so ausnehmend liebenswürdige Aufmerksamkeit des Herrn von Isenburg auf sich zu ziehen und damit das gleiche Schicksal zu erleiden, wie ihre toten Genossen auf dem Plan. Hier sah man durch alle Shows hinweg sichtbar mehr Solidarität für den Grafen von Wickrath, als sie sein mimisch deutlich minder-beteiligter Kollege zu wecken vermocht hatte. Auch wenn sein Schicksal unabänderlich war, der Graf von Wickrath hatte durch alle Shows hindurch mehr Unterstützer, und die Dankbarkeit, die zumindest für den Versuch auf seinem Gesicht abzulesen war, entschädigte einen als Zuschauer deutlich für die geschichtsinduzierte Hilflosigkeit. Aber am Ende musste auch er sterben.
Beiden gemein war allerdings, dass sie Isenburg, der von weit hergekommen war, um sie zu ärgern, gezeigt haben, wie echte Grafen zu sterben wissen und das Ganze im Übrigen höchst dramatisch. Auch wenn natürlich vollkommen absehbar war, dass beide so oder so für die Geschichte sterben mussten, war dieses Element der trügerischen Hoffnung wie auch der impliziten Verantwortung für das Geschick der beiden Grafen ein hervorragender Schachzug, um das Publikum emotional an die Geschichte zu binden und eine moralische Entrüstung gegenüber Isenburg zu erzeugen.

Nachdem sich der Graf von Isenburg und seine Schergen dann wieder von dannen gemacht hatten, kehrten die Kinder und auch die Frauen zurück zu den Gefallenen und betrauerten diese. An dieser Szene war besonders schön dargestellt, dass kein Gefallener allein blieb, sondern bei jedem eine andere Person kniete. Das Element des einsamen Spielmanns, der für die Gefallenen die Totenklage spielte, wirkte unglaublich berührend. Man merkte, wie still es in diesem Augenblick in der Halle wurde. Die Reithalle wandelte sich hier in diesem Bildnis stiller Trauer gleichermaßen zu einer Trauerhalle.
Auch hier kam der Erzähltext wieder aus dem Off, was insgesamt in der ganzen Show immer wieder vorkam, und den großen Vorteil hatte, dass man sich auf das Geschehen im Plan konzentrieren konnte, ohne von der Anwesenheit des Erzählers abgelenkt zu sein. Und zwar galt das sowohl für die allgemeine Erzählung als auch für die Beschwörung der Herrin der Niers, die von der Akteurin der erwachsenen Johanna gesprochen wurde.
Generell war die Beschwörungsszene sehr schön, zumal sie in diesen Shows auch ausreichend Zeit, Hintergrunderklärung und Inszenierung bekam. Es war nicht nur ein Fall von „da existiert ein mächtiger Wassergeist, wir rufen die mal und platsch ist sie da“, sondern sie haben sich wirklich, wirklich Zeit und Ruhe gelassen, die musikalische Untermalung war mystisch, geheimnisvoll und bedeutungsschwanger, und die junge Johanna hatte lange Gelegenheit, das Wasser über dem vertrockneten Flussbett zu verteilen, um die Beschwörung zu vollziehen. Außerdem war der Beschwörungstext selbst unsagbar stimmungsvoll und auch hier wurde das Element Feuer zumindest im Sinne der Flamme des Lebens, die zum Verlöschen gebracht wurde und als Flamme der Reinheit, die das Feld des Todes reinigen und die Herzen erleuchten sollte, ebenfalls angesprochen.
Dies war tatsächlich auch das erste Mal, dass mich diese Variante der Reiterin auf dem Tuch so richtig abholte. Das Element kam schon 2023 in Broich und Ebernburg zum Einsatz, wo es mich beide Male eigentlich überhaupt nicht berührt hat. Ich glaube, im Vergleich betrachtet, hatte es mich in Broich 2023 wegen der an sich schon eher schwachen Geschichte und der Detailüberfrachtung der Darstellung selbst (Tuch, Kleid mit Applikationen, Stirnreif, usw.) und in Ebernburg 2023 wegen der visuellen-Ton-in-Ton-Langweiligkeit (Blaues Kleid auf blauem Tuch) und der relativen Irrelevanz für die Geschichte nicht so mitgenommen. Hier aber wurde sehr gezielt dramaturgisch auf diesen Augenblick hingearbeitet und so konnte sich die Wirkung zum ersten Mal vollständig und eindrücklich entfalten.
Die Herrin der Niers tauchte in einem weißen Tüllkleid und einem weißen Tüllumhang, der sich von ihren Schultern bis über die Kruppe ihres ebenfalls weißen Pferdes ergoss, aus Nebelschwaden auf ihrem Gewässer auf, dargestellt eben durch ein blaues Tuch.
Auch hier tauchte wieder das Element der „Zeit“ auf, als die Herrin der Niers der jungen Johanna und dem jungen Phillip, der sich zu seiner Verlobten hinzugesellt hatte, erklärte, dass sie nicht die Macht habe, deren Väter zurückzuholen, also in gewisser Weise weder in die Zeit eingreifen beziehungsweise die Zeit zurückdrehen könnte. Außerdem erfuhr man, dass Ramirez, zuvor nur als Erzähler in Erscheinung getreten, ein offensichtlich wahrlich alter Freund des Wassergeistes zu sein schien, da die beiden erst einmal darüber philosophierten, dass sie sich schon arg lang nicht mehr gesehen hatten, aber die Welt und die Menschen seither kein Stück besser geworden seien. Dass sie dann die Kinder trennten, und die Herrin der Niers sich der Tochter annahm, gab dem Charakter noch einmal etwas mehr zu tun, eben nicht nur durch den hübschen Auftritt und indem sie ein magisches Geschenk, das Pferd Oriflamme, machte, sondern auch aktiv das Geschick für die Zukunft beeinflusste, was auch wieder ein Beispiel für „Zeit“ war.
Hier gab es auch dann auch ein weiteres Zeit-Element, in diesem Fall für die Zukunft, was jedes Mal für gerührtes Aufseufzen im Publikum sorgte. Denn als alle schon im Gehen begriffen waren, Phillip eben mit Ramirez und Johanna mit der Herrin der Niers, lief Phillip noch einmal zu Johanna und gab ihr eine Blume, die sie immer an ihn erinnern sollte. Und auch Ramirez‘ Versprechen, dass sie dereinst zurückkehren werden, gab einen Ausblick und eine Hoffnung auf die Zukunft.
Generell war dieser ganze Teil unglaublich stimmungsvoll, dicht und mitreißend, obwohl es bis auf das Gefecht mit Isenburg insgesamt ein eher ruhiger Passus der Show mit gar nicht viel Action war. Aber als quasi Hintergrund beziehungsweise Vorgeschichte hatte es unendlich Stimmung erzeugt und man war als Publikum am Ende so gefesselt, emotional in das Geschick Johannas und Phillips involviert und gespannt, wie sich die Geschichte auflösen würde, dass man kaum erwarten konnte, wie es denn weitergehen würde. Das war unfassbar gut gemacht.

Als nächstes gab es dann einen Zeitsprung von zehn Jahren, die Kinder waren zu jungen Erwachsenen herangereift und es wurde in Wickrath ein Turney veranstaltet. Dabei erfuhr man, dass Phillip von Wickrath von Ramirez offensichtlich zum Ritter ausgebildet worden war.
Das erste Exerzitium hatte dann wieder einmal mit dem zweiten wiederkehrenden Thema, nämlich Feuer, zu tun, denn man musste zwei brennende Klötze schlagen. Als dann, in seiner üblichen unnachahmlichen Liebenswürdigkeit und vollkommen unwillkommen, Friedrich von Isenburg auf dem Plan erschien und sein Missfallen darüber kundtat, dass man auf seinen (unrechtmäßig an sich gebrachten) Ländereien ein Turney abhielte, wurde der Herr standesgemäß begrüßt, will sagen, er wurde mit einigem Enthusiasmus ausgebuht und das flächendeckend über alle Shows hinweg. Die Ritter bekamen je nach Tagesform unterschiedlich viel Beifall, der Herr von Isenburg aber immer amtlich sein Fett weg.
Nachdem er den Rittern befohlen hatte, die Helme abzulegen, tat er di Verona in allen Shows einfach ab, die Reaktion auf Phillip von Wickrath wurde in den späteren Shows besser. Wo er ihn in den ersten Shows direkt wiedererkannte, was natürlich reichlich unlogisch ist, wenn er ihn zuletzt als Kind sah und seither zehn Jahre vergangen waren, erklärte ihm in den späteren Shows Ramirez, der seinen Schützling offensichtlich immer noch begleitete, wen er da vor sich hatte. Von diesem Passus gab es, wie gesagt, mehrere Varianten. Schön waren Elemente wie jenes, dass Isenburg den zugegeben reichlich bunten Phillip fragte, wer er denn sei, so geschmückt wie ein Pfau, was aber nur einmal vorkam. Auch wenn Ramirez Isenburg ausnehmend spitz vorhielt, dass man ja nicht von ihm verlangen könne, die Kinder all jener zu erkennen die er erschlagen habe, erinnerte das noch einmal deutlich an die Ermordung der beiden Grafen und packte die Zuschauenden bei ihrer moralischen Entrüstung. Auch schön war Isenburgs kalte Erwiderung, dass er einst den Vater getötet habe und nun auch ihn besiegen werde, allerdings erfolgt darauf kaum eine Reaktion seitens Philips. Man sollte doch annehmen, dem Mörder seines Vaters gegenüberzustehen, weckte einiges an Emotionen. Da hätte man sich ein wenig mehr gewünscht.
Dann schließlich aber kam der Augenblick, der mit Fug und Recht als Highlight einfach jeder Show gelten muss und der so fundamental spektakulär wirkte. Denn auf Isenburgs so unvermindert freundliche Anfrage, ob denn der Ritter des Lichtes so hässlich sei, dass er sein Gesicht verstecken müsste, entpuppte sich jener in einer Enthüllungsszene, die nicht unähnlich jener von Eowyn gegenüber dem Hexenkönig im Herrn der Ringe wirkte, als Johanna von Rheydt. Das gab nicht nur in absolut jeder Show ein entgeistertes wie beeindrucktes Aufatmen im Publikum und tosenden Applaus, sondern zog auch in meiner Hörweite Bemerkungen nach sich wie: „oh mein Gott“, oder ein völlig entgeistertes “Neeein?!” Dieser Moment war so unglaublich episch, dass man es kaum angemessen beschreiben kann, und ich bin von diesem Element mehr als nur restlos begeistert.
In der zweiten Show entgegnete Johanna dann zuerst einmal Isenburg reichlich süffisant, dass „Hässlich“ wohl Ansichtssache sei und er vielleicht einfach die falschen Spiegel zu Hause habe. Das fand ich besser, als die Bemerkung unkommentiert zu lassen.
Als Johanna dann noch erklärte, sie habe von der Herrin der Niers auch kämpfen gelernt, fühlte ich mich an eine Heldin meiner Jugend erinnert. Denn in der Filmserie Prinzessin Fantaghirò lernt eben die titelgebende Hauptfigur bei der Weißen Hexe das Kämpfen, was ich damals schon maximal großartig fand und bis heute immer noch finde. Ich nehme an das ist für die meisten Leute eine eher obskure Referenz, aber mich persönlich hat es noch mehr sowohl für Johanna eingenommen als auch rückwirkend noch einmal für die Herrin der Niers selbst.
Dass Phillip von Wickrath dann ebenfalls ein reichlich überraschtes „Johanna?!“ entfuhr, war nur zu verständlich, war er doch genauso bass erstaunt wie alle anderen Menschen an der Stätte. Auch hier wurde die Szene in den späteren Shows besser, denn wo Johanna in den ersten beiden Shows darauf nichts erwiderte, entgegnete sie ab der dritten Show, also am zweiten Tag, diesem Ausruf mit den Worten, dass kein Tag vergangen sei, an dem sie nicht an ihn gedacht habe. Das greift nicht nur wieder einmal das Zeit-Thema auf, sondern wirkt auch deutlich stärker hinsichtlich der Verbindung der beiden Charaktere.
Die nächsten drei Exerzitien - Ringstechen mit der Lanze, in späteren Shows durch einen Meisterring mit kleinerem Durchmesser erschwert, der Wurf mit einem Speer oder Wurfstern auf eine Zielscheibe und das Stechen zweier Ballons mit einem brennenden Speer, siehe Feuerthema – kommen in den Shows häufiger vor und bedürfen keiner besonderen Erwähnung an sich. Hier gab es aber zwischendurch dann Spiel zwischen den Charakteren untereinander oder den Charakteren und Publikum, wenn etwas entweder besonders gut oder besonders schlecht lief. Ob sich Isenburg beim Ringstechen als des Zählens nicht mächtig erwies, trotz acht Jahren Dorfschule wo er jedes Jahr zweimal machte, und dafür ordentlich ausgebuht wurde, ob Alessandro di Verona deutlich gefeiert wurde, weil er bei zwei Shows perfekt in die Mitte der Zielscheibe traf, ob Isenburg, dem genau das nicht gelang sich dann beschwerte, dass sich die Scheibe bewegt habe, worauf der Herold ihn darauf hinwies, dass das schon einmal vorkommen könne, wenn man denn die ganze Nacht in der Taverne durchgezecht habe, ob Isenburg den Herold bedrohte, damit dieser ihn (leider verdienterweise) zum Sieger erklärte, ob wiederum Isenburg das Publikum bedrohte und sich darunter schon einmal seinen neuen Hofnarren erwählte, all diese Elemente haben diesen Teil des Turniers spannungsmäßig wie humoristisch ein wenig aufgelockert, ohne aber der insgesamt doch eher ernsthaften Geschichte zu schaden, oder dabei das Publikum zu verlieren. Diesen Interaktionen war außerdem gemein, dass sie, soweit sie Isenburg betrafen, das Bedrohungslevel des Charakters sehr schön illustriert, beziehungsweise aufrechterhalten, haben. Auch wenn er sich in einzelnen Augenblicken der Lächerlichkeit preisgab, so war doch dem Zuschauenden immer durchgehend deutlich bewusst, dass dafür die Rache auf dem Fuße folgen konnte, was nur beweist, wie gut Isenburgs Bedrohungseffekt wirkte.
Der Ritt durch die Flammenwand, über die genaue Bezeichnung konnten sich Isenburg und Ramirez nicht so ganz einigen, war dann das folgende Exerzitium, zumindest in den ersten drei Shows. Hier gab es jedes Mal einen schönen Disput zwischen Ramirez und Isenburg, denn Isenburg forderte passend zum Charakter das brennende Tor zur Hölle, während Ramirez es jedes Mal als Tor des Phönix umdeutete, dessen reine Flamme das Böse verbrennen würde. Oder so. Zwar schwächte es die Position des Herolds, der ja der Herr und Meister über das Turnier war, wenn hier Ramirez übernahm, aber die Szene, zumal er sie jedes Mal aus der Mitte des Publikums heraus spielte, ließ einen das verzeihen. Dadurch, dass er mitten unter den Zuschauenden stand, gab er damit diesen in gewisser Weise eine Stimme und beteiligte sie somit an dem Geschehen, was natürlich eine wunderbare Wirkung hatte. Und auch der Disput mit Isenburg als solches hinterließ, auch wenn sich der Text immer leicht änderte, in jeder Variante seinen Eindruck. Ich möchte an dieser Stelle aber noch kurz zu bedenken geben, dass „die reine, helle, läuternde Flamme, die wie ein Phönix aus unseren Herzen aufsteigt“ auch ein wenig kitschig ist. Es klingt gut, und hat viel Pathos, keine Frage, aber hat doch auch schon Anklänge von Rosamunde Pilcher. Und da der Erzähler in Broich noch bemerkte, man könne die Hölle an Texten von eben dieser Schriftstellerin erkennen, mag man wohl geneigt sein, nach dieser Beschreibung es doch für ein Tor zur Hölle zu halten.
Hervorzuheben wären auch die Reaktionen von Isenburg. Dieser Herr neigt schon einmal dazu mehr zu sagen, als der Szene unbedingt gutgetan hätte, aber hier konnte und durfte er die Gelegenheit nutzen, noch einmal ordentlich am Bösewicht-Regler zu schrauben und mit Sätzen kontern wie: „Die Schatten werden eure Flamme des Lichts schlucken. Sie werden sie fressen und danach wird das Land brennen.“ Das wirkte richtig gut und wurde auch entsprechend vom Publikum mit ordentlichem Ausbuhen quittiert.
Da allerdings bei der ersten Show des zweiten Tages das glimmende Stroh des Tores mit den verschiedenen Namen ein Nebelarmageddon der Hölle in der Halle erzeugte, hatte die Truppe in den folgenden Shows das Element leicht abgewandelt. Die Ritter sind hier gegen mit Schilden bewehrte Männer am Boden geritten, die brennbare Ballons auf eben jenen Schilden hatten, die entsprechend dann mit einer wunderbaren Stichflamme, aber eben deutlich weniger Rauchentwicklung auch sehr episch Effekt erzeugten. Das wurde in meinem Umkreis mit „richtig cool“ bewertet. Außerdem ist es durchaus beeindruckend, dass die Truppe ein Element, das aufgrund der Gegebenheiten nicht oder nicht gut umsetzbar ist, einfach kurzerhand durch ein anderes zu ersetzen vermag.
In der letzten Show wurde eines der Exerzitien allerdings durch eine reichlich unmotiviert wirkende, nicht recht zur bisherigen Geschichte passen wollende und ehrlich gesagt weder sonderlich sinnbringende noch beeindruckende Schlacht der Truppen Isenburgs und Wickraths gegeneinander ersetzt. Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum das so gemacht wurde, fand es aber ausnehmend überflüssig, zumal es eben diese Schlacht ja quasi schon einmal, nämlich bei Isenburgs erstem Auftritt gab und sie hier der Geschichte wirklich gar nichts sinnvolles hinzufügen konnte, sondern sie eher geschwächt hat. Das hätte man sich sparen können, frei nach dem Motto des Patriziers in der Scheibenwelt: Wenn es nicht kaputt ist, reparier es nicht.
Jedenfalls kam wie immer dann nach diesen Exerzitien der Höhepunkt eines jeden Turniers, nämlich der Lanzengang mit anschließenden Einzelduellen der Herren gegeneinander.
Die Überleitung zu diesem letzten Teil begann mit einem Aufritt aller Teilnehmer, in dem Isenburg seinen drei Gegnern deutlich machte, dass dies ihre letzte Chance sei, sich ihm zu unterwerfen, was die drei logischerweise dankend ablehnten. Hier sprach er in zwei Varianten die Drei auf der guten Seite direkt an, entweder indem er sie verunglimpfte, sie als Milchbart, als dicken alten Mann und als Weib titulierte, oder indem er ihre Namen nannte. Letzteres wirkte besser, weil es deutlich persönlicher war, als sie einfach nur großflächig als Narren zu bezeichnen. Auch fiel er einmal dem Herold ins Wort, wodurch er bedrohlicher, weil respektloser vor dem Schiedsrichter im Turnier erschien, was wiederum der Wirkung der Rolle guttat. In jedem Fall aber hieß er sie dann, abzusteigen, die Häupter zu senken und die Knie zu beugen, vor eben ihm, dem Herrn von Isenburg. Hier lag für mich in der Formulierung eine deutliche Problematik, denn in manchen Shows beließ er es bei einem „senkt euer Haupt und beugt euer Knie vor…mir“, mit schöner Kunstpause vor dem „mir“, während er in anderen das Ganze noch mit „vor der Exekutive des Allmächtigen“ garnierte. Dies störte hier für mich allerdings extrem das Bild, denn Isenburg hatte über die komplette Show hinweg bis zu diesem Zeitpunkt deutlich gemacht, dass er sich selbst, beziehungsweise die Kraft der eigenen Stärke und Autorität, als die einzige höhere Macht ansah und sich um solche Dinge wie Ritterlichkeit, den Herold, den Kaiser oder auch alles andere wahrlich gar nicht scherte. Warum also ist er nun die Exekutive des Allmächtigen? Welches Allmächtigen? Das ergab hier wenig Sinn, zumal auch nicht so ganz deutlich wurde, wer hier der Allmächtige sein sollte. War der Allmächtige hier der Kaiser von Gottes Gnaden, der sein Lehnsherr ist, oder Gott selbst, auf dessen Gebote er sichtbar spuckte? Dieser ganze Passus ist eine leere Worthülse, die ganz besonders in dieser Show in etwa mit so viel Leben gefüllt war, wie die Herren von Rheydt und Wickrath zu dem Zeitpunkt es noch waren und wurde damit vor allem eines, nämlich sagenhaft überflüssig und damit langweilig. Isenburg war hier die treibende Kraft und wirkte durch sein eigenes Verhalten als Bedrohung, die keiner weiteren Verstärkung bedurfte, was man schon daran erkannte, dass er bei seinem Auftritt ordentlich ausgebuht wurde. Wenn er die „Exekutive des Allmächtigen“ wegließ und das ganze noch mit einem „oder ihr seid, ehe die Nacht den Tag berührt, Futter für die Raben und die Schatten werden über das Licht kommen… und dieses Wickrath, es wird brennen, es wird fallen und es wird nur ein Haufen Asche übrig sein“ erweiterte, wirkte es nicht nur signifikant drohender, weil man sich als Publikum noch lebhaft an Isenburgs ersten Versuch in diese Richtung erinnerte, sondern half auch noch einmal merkbar, eben aufgrund dieser Tatsache, die Spannung zu erhöhen. Außerdem sorgte es für deutlich mehr Empörung seitens des Publikums. Dieser ganze Teil war ein Augenblick, wo mehr Text tatsächlich besser war. Auch Johannas Rede, die Isenburg in die Schranken wies, ihn hieß, sich für seine Missetaten zu entschuldigen und dorthin zurückzukriechen, wo er hergekommen sei, denn an diesem Ort gäbe es keinen Platz für ihn, wurde dann auch seitens des Volkes, also des Publikums, mit reichlich Zustimmung quittiert.
In jedem Fall forderte schließlich Phillip den Lanzengang und der Erzähler ergänzte aus dem off, und auch deshalb war hier die lange Variante von Isenburgs Text deutlich besser, dass so die Nacht auch voller Schatten sei, auf jede Nacht doch immer ein neuer Morgen und wieder ein Morgen folgen würde. Nichts würde die Streiter des Guten anfechten, weder Schatten noch Tod. Dies stärkte beide Texte, weil sie sich unglaublich gut ergänzten, viel mehr Kontinuität in der Erzählung aufbauten und hervorragend aufeinander Bezug nahmen. Außerdem hielt es den Spannungsbogen besser aufrecht. Auch band der Erzähler an dieser Stelle das Publikum noch einmal explizit ein, fragte, ob die Ritter den Tjost gegen Isenburg reiten, ob sie kämpfen sollten. Auch an dieser Stelle wirkte es wieder unglaublich gut, dass er diese Frage aus der Mitte des Publikums heraus stellte. Generell war die Art, wie der Erzähler aus dem Publikum heraus mit demselben interagierte, in diesen Shows sagenhaft gemacht.
Der Massentjost ging so aus wie es zu erwarten war, nämlich wie das Hornberger Schießen mit der Einschränkung, dass in jedem Fall Johanna von Rheydt jedes Mal dabei ausschied. Das war immer etwas schade, denn nachdem ihr Status als ebenbürtige Ritterin die ganze Zeit deutlich gemacht wurde und sie explizit darauf hinwies, von der Herrin vom See auch das Kämpfen gelernt zu haben, wäre es natürlich schön gewesen, sie ebenfalls im Duell mit Isenburg zu sehen. Den beiden Herren, sowohl Alessandro di Verona wie Phillip von Wickrath, war dies allerdings vergönnt, wobei logischerweise ersterer verlieren und letzterer gewinnen musste. Die Duelle beinhalteten dann noch einmal zwei sehr schöne Szenen. Da war zum einen der Augenblick, als Friedrich von Isenburg und Alessandro di Verona oder Phillip von Wickrath vor ihrem Kampf noch einmal um den Applaus des Publikums buhlten, sofern man selbiges denn in Isenburgs Fall so ausdrücken wollte. Denn in Isenburgs Fall marschierte er dazu mit mörderisch finsterem Blick und harscher Stimme, dem Publikum wahlweise Beleidigungen oder Drohungen an den Kopf werfend, durch die Reihen und versuchte den Applaus einzufordern. Alessandro di Verona und Phillip von Wickrath hatten da eine andere Herangehensweise, denn es genügte nur ein Lächeln und ein aufforderndes Waffe-in-die-Höhe-recken und das Publikum feierte die Herren ausgiebig.
Im Duell mit Alessandro di Verona gab es allerdings eine Logiklücke, denn als Isenburg diesen entwaffnet hatte und zum letzten tödlichen Schlag ansetzte, ging der Herold dazwischen und forderte Isenburg auf, sich auf seine Ritterlichkeit zu besinnen. Da dieser aber die ganze Zeit hindurch mehr als deutlich gemacht hatte, was diese ihm galt, nämlich genau nichts, ergab es überhaupt keinen Sinn, dass er sich in diesem Augenblick dann davon beeindrucken und di Verona gehen hatte lassen. Zumal er in dieser Szene jedes Mal betonte, dass er auf die Ritterlichkeit spucke, beziehungsweise diese Schwäche sei, er aber Stärke.
Die andere großartige Szene war als sich Phillip von Wickrath und Friedrich von Isenburg zu ihrem letzten Duell bereitmachten. Denn hier schritt der Erzähler noch einmal ein und hielt für einen Augenblick die Zeit an und alle auf dem Plan befindlichen Personen froren passend dazu in ihrer Bewegung ein. Das war ein unglaublich starkes Bild, wenn man es denn einfach als Bild stehen ließ. Dieses Triptychon von Isenburg und Wickrath in Angriffsstellung einander in die Augen blickend und zwischen ihnen der Herold mit ausgetreckter Hand. Solange der Erzähler aus dem Off sprach, hatte es unglaublich Wirkung, allerdings spazierte er öfters als nicht zwischen den Personen durch und das nahm diesem in der Theorie unfassbar starken Augenblick so ziemlich alles von dem Eindruck, den er hätte machen sollen. Das war mehr als schade, denn Bild und Text ergaben zusammen im Grunde die perfekte Einheit. Denn der Erzähler sagte paraphrasiert, dass die Zeit verrönne wie der Sand zwischen den Fingern, mal langsam und mal schnell, und ein Augenblick reiche aus, um das Geschick von Menschen oder auch von ganzen Landstrichen oder ganzen Völkern zu ändern, daher drehten wir noch einmal am Rad des Schicksals. Dann schnippte er mit den Fingern, um eben jenes Rad wieder in Gang zu setzen.
Der Endkampf zwischen Phillip von Wickrath und Isenburg lief dann natürlich höchst dramatisch ab. Denn Isenburg schlug den Herrn von Wickrath mehrfach nieder und zeigte somit noch einmal, was für ein gefährlicher und ernst zu nehmender Gegner er war. Da sich Isenburg so übermächtig zeigte, stürmte denn auch Johanna von Rheydt besorgt zu ihrem gefallenen Geliebten und richtete ihn wieder auf. Das war wieder einmal ein Moment, wo es wichtig war, wie die Charaktere vorher dargestellt und ihre Geschichten und Beziehungen aufgebaut waren. In vorherigen Shows war das quasi der erste Augenblick, wo die Liebesgeschichte zwischen Johanna von Rheydt und Phillip von Wickrath in Erscheinung trat und man fragte sich mitunter, wo denn diese so plötzlich herkam. Doch dadurch, dass ihre Beziehung von deren Beginn an eingeführt und begründet worden war, ergab hier ihre Sorge und Zuneigung, ihre Liebesgeschichte, tatsächlich wirklich einmal Sinn. Außerdem lieferte es die Basis für einen weiteren der wirklich großartigen Texte Isenburgs, der in unterschiedlichen Varianten daraufhin zu bemerken geruhte, dass er die Macht habe, die Liebenden auf ewig zu verbinden: im Tode. Aber natürlich wurde Isenburg am Ende geschlagen und Phillip von Wickrath konnte endlich seine Dame in die Arme schließen. Johanna erzählte dann, dass ihre Väter sich eine bessere Welt gewünscht hätten, in der das Licht über die Schatten triumphiere, wo nicht Ansehen, Stand oder Vermögen eine Rolle spielten und die nur von Menschen mit reinen Herzen geschaffen werden könne. Das schloss sehr schön den Kreis der Erzählung zu der Anfangsszene, wo die Herrschaften in Frieden miteinander existierten, die Menschen in Wohlstand lebten und glücklich waren, was die Väter der beiden durch die Heirat zu erhalten planten. Dann ging Johanna hin und zog unter dem Wams jene Blume hervor, die der junge Phillip ihr zum Abschied überreicht hatte, als sie sich als Kinder voneinander trennten und mit der er sie bat, ihn nicht zu vergessen. Sie sagte ihm, dass sie die Blume immer bei sich getragen habe, denn sie habe gewusst, dass er wiederkommen würde. Dieser Augenblick wurde jedes Mal vom Publikum mehr als begeistert aufgenommen und in diesen Details sah man deutlich, wie rund diese Geschichte erzählt wurde.
Aber auch Isenburg, der immer noch geschlagen auf dem Plan lag, wurde nicht vergessen. Scheuchte ihn in den ersten Shows noch der Herold persönlich vom Plan, bekam er hinterher eine Garde, die Isenburg abführte und zur Buße in ein Schweigekloster überantworten sollte. Das war sehr unterschiedlich gut dargestellt, je nachdem ob Isenburg sich ohne Gegenwehr ergab oder eben nicht. Dass er sein Urteil sang- und klanglos hinnahm, ergab nämlich für den Charakter so gar keinen Sinn, wenn er aber schwor, wiederzukommen und Rache zu üben, war der Charakter bis zuletzt großartig gespielt.

Michael Cornély als Ramirez gab in den Shows sowohl den Erzähler als auch die Figur des weisen Mentors für Phillip von Wickrath und beides tat er ganz vorzüglich. Es ist immer wieder spannend zu sehen beziehungsweise in diesem Fall vor allem zu hören, welche Präsenz Michael Cornély entwickelt, auch wenn man ihn nicht auf dem Plan sieht. Was er alleine durch Sprachmelodie, Wortwahl und Stimmnuancen transportieren kann, ist im besten Sinne bemerkenswert. Damit will ich nicht gesagt haben, dass er nicht auch als Schauspieler ganz hervorragende Arbeit leistet, aber er ist eben auch ohne die visuelle Komponente wahnsinnig gut in seiner Darstellung. Dass er dabei immer noch ab und an über das Ziel hinaus schießt und es manches Mal doch besser gewesen wäre, er hätte aus und mit dem Publikum gespielt, anstatt auf dem Plan im Vordergrund zu stehen, ist dabei tatsächlich einmal verzeihbar. In jedem Falle aber versteht er es das Publikum zu packen und mitzunehmen, wie er in diesen Shows wieder einmal eindrucksvoll bewiesen hat.
Dirk von Dhur (wahrscheinlich auf Vaquero) spielte den Grafen Otto von Wickrath, Vater von Phillip. Sein Auftritt war zwar nur relativ kurz, aber da ich ihn bisher nur als generischen Ritter gesehen hatte, der wenig in der Rolle zu tun bekam, außer brav seine Exerzitien zu reiten, hat es mich umso mehr gefreut, dass er hier endlich einmal einen eigenen Charakter mit eigenem Profil darstellen konnte. Das tat er dann auch ganz hervorragend. Auch wenn sich dies auf kaum mehr als zwei Zeilen Text beschränkte, konnte er spätestens bei seiner Hinrichtung zeigen, was in ihm steckte. Wie er nach dem unrühmlichen Ableben seines gräflichen Genossen das Publikum fast schon anbettelte, sich um seinetwillen nicht in Gefahr zu bringen, war einfach nur großartig. Und es mag dann auch niemanden mehr Wunder nehmen, dass man als Publikum dem Grafen von Wickrath trotzdem unterstützend beisprang.
Anders war es leider die meiste Zeit bei Peter Luckau, der (vermutlich auf Quinto) den Grafen von Rheydt, Heinrich oder Reinhardt, der Vorname wechselte gelegentlich, und Vater von Johanna verkörperte. Ich habe schon mehr als genug zu den Fähigkeiten geschrieben, die dieser auf den Plan beziehungsweise in die Truppe einbringt, sodass ich sie jetzt nicht alle wiederholen muss. Einen Teil davon hat er auch in diesen Shows in Wickrath gezeigt, als er seine Tochter nach ihrer Meinung hinsichtlich der Verlobung befragte, und deren ausnehmend unbegeisterte Reaktion mit mimischer Gesichtskirmes kommentierte. Dabei hatte er stets die Lacher des Publikums auf seiner Seite. Wenn es ihm aber ans Leben ging, und er das Publikum davon hätte überzeugen müssen, sich für ihn einzusetzen, war von eben dieser Fähigkeit, das Publikum nur mit Gesichtsrhetorik für sich einzunehmen, von Show zu Show immer weniger zu sehen. Er hat problemlos das Talent, die Leute von ihren Afterbeinen auf die Füße zu befördern, so er sich denn die Mühe macht. Das konnte man dort, wo es noch passierte, deutlich sehen. Dass er das später nicht mehr tat, ist nicht nur mehr als eine vertane Chance, sondern für den Zuschauer, der um dieses Talent weiß, auch maximal frustrierend, wie Peter Luckau hier so sagenhaft hinter seinen Möglichkeiten zurückblieb. Man kann nur hoffen, dass er sich bei zukünftigen Auftritten wieder auf diese Stärke besinnt. Immerhin starb er mit viel Pathos.
Lobend erwähnen möchte ich auch einmal besonders die beiden Kinder, die den jungen Phillip und die junge Johanna spielten. Als jemand der es hasst, vor Menschen zu stehen und zu sprechen oder zu performen und das von Kindesbeinen an, habe ich den größten Respekt vor der Leistung, die die beiden in den Shows gezeigt haben. Meine allergrößte Achtung, Chapeau.
Andreas Wolter gab sich wieder einmal als Friedrich (Karl) von Isenburg auf Apollo die Ehre. Wenn er strikt in seiner Rolle bleibt und die Bösewichtigkeit auf die Spitze treibt, dann wirkt er so himmelschreiend unsympathisch, dass er sich sicher sein kann, den Bösewicht-Applaus, will heißen das Ausbuhen des Publikums, konstant auf seiner Seite zu haben. Und wenn man sich ansieht, dass er konsequent, beim Abschluss jeder Show, für seine Darstellung den größten Applaus einheimste, dann gibt mir dieser Umstand mehr als recht in meiner Einschätzung, dass niemand so gut böse sein kann wie er.
Die Herrin der Niers, gespielt von Nina Wolter auf Keks, war wie immer ganz wunderbar. Besonders gut war aber in diesen Shows, verglichen mit Shows anderenorts, dass sie nicht nur einen kurzen, wenn auch dekorativen, Auftritt hatte und das jeweils benötigte magisch-mystische Geschenk an den jeweiligen Helden übergeben durfte, sei es nun Pferd oder Schwert. Hier durfte sie in die Geschicke der Heldenfiguren eingreifen und diese, wenn auch nicht sichtbar doch deutlich merkbar mitgestalten. Daher war dies mit Abstand die beste Variante der mächtigen magischen Figur, die sie bisher gespielt hat, mit Ausnahme der bösen Herrin der Finsternis in Broich. Das ist auch weiterhin mein absoluter Favorit. Aber Nina Wolter spielt ihre Rollen sowieso grundsätzlich fabelhaft, daher ist es immer schön zu sehen, wenn die Rolle ihr auch entsprechend viel Spielzeit einräumt.
Alexander Schmidt stand als Herold Alexander von Utrecht auf dem Plan. Er hat sich seit seinen Anfängen so unglaublich gut entwickelt und in diese Rolle gefunden, dass es ein großes Vergnügen ist, ihm zuzusehen. Auch wenn er als Herold hier nicht allzu viel zu tun hatte, außer gelegentlich den Herrn von Isenburg in die Schranken zu weisen, wortwörtlich wie sinngemäß, ist doch besonders der Schlagabtausch zwischen den beiden immer wieder ein Fest für die Zuschauenden. Über alle Maßen beeindruckt aber war ich von Alexander Schmidt in einer Szene, die keinen Text brauchte, denn es gelang ihm den Meister des finsteren Blickes, Isenburg höchstselbst, wiewohl der gut einen Kopf größer ist, derartig niederzustarren, dass man kurz Angst um das fortgesetzte Wohlergehen dieses Herrn bekam. Das war der Augenblick, wo absolut klar wurde, dass man es dem Herold gegenüber besser nicht an Respekt fehlen lassen sollte. Ganz fantastisch gespielt.
Karel Hajek als Alessandro di Verona auf Flash brachte wieder einmal allen fröhlichen Charme mit, der ihm zu eigen ist und der die gelbe Knutschkugel immer wieder zu einem Liebling des Publikums macht. Auch wenn er sich hier gegen starke Sympathie- und Antipathieträger behaupten musste und in der Rolle nicht gerade viel zu tun bekam, außer eben die Riege der Ritter aufzufüllen, so war spätestens im Endkampf gegen Isenburg wieder einmal ersichtlich, wie großartig er nur durch enthusiastische Mimik das Publikum für sich einzunehmen weiß.
Der Ritter des Lichts/Johanna von Rheydt wurde von Sani Strietz auf Balito verkörpert. Abgesehen davon, dass man ihren Enthüllungsmoment gar nicht genug feiern kann, war dieser Charakter der Einzige, der in sich einige Logiklöcher hatte. Die Prämisse ist, dass sie von der Herrin der Niers kämpfen gelernt hat und zu den besten Rittern Europas zählt. Wie hat sie es dann geschafft, ihr Gesicht zu verbergen, denn die Duelle am Boden werden immer ohne Helm bestritten oder wenn sie, wie in diesen Shows auch, nie bis dahin kam, sondern immer vorher ausschied, wie wurde sie dann einer der besten Ritter Europas? Mir ist klar, dass das Jammern auf hohem Niveau ist, aber so hervorragend schlüssig die anderen Charaktere in diesen Shows waren, fällt es bei diesem leider umso mehr auf. Dafür kann natürlich aber Sani Strietz selbst nichts. Sie hat die Rolle, so wie sie war, ganz wunderbar und glaubwürdig gespielt und eine Ritterin zu haben ist in meinen Augen sowieso schon prinzipiell aus diversen Gründen eine Bereicherung. Ein schönes Detail war hier außerdem, dass der geheimnisvolle Ritter des Lichtes in einer Kuvertüre, nein nicht die Schokolade, sondern eine Pferdedecke, ritt, die am Saum die Aufschrift „Amor“ also „Liebe“ trug.
Der Prince Charming der Geschichte, Phillip von Wickrath, dargestellt von Christian Papke auf Zeus, tat genau das, was man von dieser Rolle erwarten durfte. Er war der strahlende Ritter mit dem reinen Herzen, der die Guten zum Sieg führen und natürlich die Dame gewinnen durfte. Diese Rolle steht ihm ganz wunderbar zu Gesicht. Auch wenn er mit Johanna eine starke Konkurrentin um die Gunst des Publikums an die Seite gestellt bekam, so hat er sich doch dagegen immer wieder tapfer zu behaupten gewusst.

Besondere Erwähnung verdient auch noch das ungewöhnliche Setup dieser Shows. Anders als bei den sonstigen Shows, wo der Plan offen auf einer Wiese steht und das Publikum ihn an drei Seiten umkränzt, wurde hier in Wickrath in einer Reithalle gespielt. Diese Halle zeichnete sich durch eine stufenartige Empore auf der Längsseite aus und wurde durch Bänke auf dem Hallenboden ergänzt, je nach Menge der Zuschauenden. Die Überdachung war natürlich prinzipiell schon einmal bei dem mitunter sehr regnerischen Wetter am Samstag deutlich von Vorteil. Der Aufbau hatte dabei außerdem den Vorteil, dass, aufgrund der recht breiten Gehwege und Emporenstufen, die Akteure tatsächlich ohne Schwierigkeiten durch das Publikum streifen konnten, so ihnen danach war, was sie auch reichlich ausnutzten. Während sonst das Publikum drei Seiten des Plans einnimmt und sich dadurch die Stimmung gegenseitig spiegeln und beeinflussen kann, war es in diesem Setup auf eine Seite beschränkt. Dadurch wurde es umso wichtiger, das Publikum dadurch abzuholen und einzubinden, dass sich die Akteure, allen voran der Erzähler, innerhalb ihrer Reihen bewegten. Das funktionierte aber ganz hervorragend und baute eine sehr dichte Stimmung auf. Es ist dann auch ausnehmend interessant, wenn ein Isenburg in Mörderstimmung an einem vorbeistapft und man merkt, wie die Sitznachbarn regelrecht zusammenzucken. Andererseits hatte das aber auch seine Tücken, denn wenn man nur oben auf der Empore saß, war es mitunter recht deutlich spürbar, wenn Stimmung sich nicht transportieren ließ. Das war besonders offensichtlich, als am Samstag die Bankreihen unten in der Halle, die zuvor noch bis an die Absperrung des Planes standen, was ja auch sonst bei Freiluftveranstaltungen üblich ist, abgebaut waren und erst auf der Mitte zwischen Absperrung des Planes und Empore anfingen. Wenn das Geschehen quasi wortwörtlich vor der Nase der Zuschauenden ablief, transportierte sich die Stimmung sauber durch die Reihen. Wenn aber die Bankreihen zu weit weg waren, wollte manches Mal eben so recht keine Stimmung aufkommen, weil das Geschehen dann doch ebenfalls deutlich zu weit weg war. Zumal aufgrund der geringen Besucherzahl, dem Regen geschuldet, die Bankreihen auch eher dünn besetzt waren. Generell ist diese Möglichkeit von innerhalb des Publikums zu spielen eine ganz großartige Sache, die aber leider bei allen anderen Settings schwer bis gar nicht umzusetzen sein dürfte.

Zwei weitere Anmerkungen habe ich noch zum Schluss. Zum einen wurde in den letzten beiden Shows die Verlobungsszene dadurch erweitert, dass der Graf von Rheydt als Geschenk an seinen Freund das „Wappentier von Wickrath“, einen Adler, in den Plan rief. Diese Kooperation mit der Falknerei hätte in der Theorie recht beeindruckend sein können. Hier aber ergaben sich mehrere Probleme. Zum ersten war der Herr von Wickrath in einen Wappenrock gewandet, der sehr deutlich einen heraldischen Löwen zeigte. Zum zweiten wollte der Adler nicht so wirklich über den Plan fliegen oder auf der Hand des Trägers sitzen bleiben, was kurz sogar das sonst wirklich sehr entspannte Pferd Flash zum Ausbrechen brachte. Zum dritten fügte es der Geschichte nicht nur nichts Sinnvolles hinzu, sondern zerstörte völlig den stillen Augenblick der Szene, der wie weiter oben beschrieben eben aufgrund dieses Ruhe-vor-dem-Sturm-Effektes so gut wirkte. Es hätte sicherlich alle möglichen Methoden gegeben, eine solche Szene einzusetzen, zum Beispiel indem man sie dem ersten Auftritt Phillip von Wickraths quasi als Vorbote voranstellt, aber so wie sie hier eingebaut war, hat sie eine vorher sehr gute Szene eher nachhaltig gestört.
Zum zweiten gab es eine weitere Logiklücke: die Herrin der Niers schenkte den beiden Kindern das magische Ross Oriflamme, auf dem schließlich die junge Johanna mit ihrer Mentorin davonritt. 10 Jahre später jedoch trägt besagtes Ross den erwachsenen Philipp zum Turnier. Man fragt sich, wie das Pferd von der Einen zu dem Anderen kam, wenn sich die beiden doch die ganze Zeit über nie gesehen haben. Das ist allerdings nur ein kleineres Detail und schadete der Erzählung nicht.

Das Fazit
Schrieb ich über die Shows in Broich von diesem Jahr noch, dass es die beste Show sei, die ich von der Truppe kenne, so freue ich mich sehr, das zurücknehmen zu können und diese Auszeichnung den Shows in Wickrath angedeihen zu lassen. Auch wenn manche Details und manche Veränderungen nicht so ganz erfolgreich waren, waren die Shows doch so gut durchdacht, dass mir langsam die Superlative ausgehen. Es gibt, das liegt in der Natur der Sache, immer Verbesserungspotential, aber hier ist so wenig Luft nach oben wie bisher noch nie. Daher kann ich wie so oft jedem nur wärmstens ans Herz legen, sich Shows dieser Truppe anzusehen.

Autor:

Felicitas Zoch aus Gelsenkirchen

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