Ritterturnier in Walbeck
Das Ritterturnier beim Mittelaltermarkt 2024 in Walbeck - eine Rezension
Die vier Shows der stuntpferde.de auf Schloss Walbeck waren sowohl aufgrund ihrer Stärken als auch ihrer Schwächen bemerkenswert. Immerhin führte das allerdings dazu, dass ich einiges zu kommentieren hatte.
Der Plot:
Die Geschichte der ersten drei Shows setzt 1288 an, nachdem der Graf Otto von Geldern bei der Schlacht von Worringen sein Leben gelassen hat. Er hinterließ keinen männlichen Erben, aber zwei Töchter, Beatrice von Burgund (Nina Wolter), die mit Graf Friedrich von Isenburg (Andreas Wolter auf Apollo) verheiratet ist, und Johanna von Geldern (Sani Strietz auf Balito).
Man trifft sich in Walbeck, um die Vermählung von Johanna mit Phillip von Wasserburg (Christian Papke auf ?) zu besiegeln, die augenscheinlich noch vom Vater ausgehandelt wurde. Jener erscheint dann auch sogleich, seine Braut in Empfang zu nehmen.
Da Beatrice ihrer Schwester und deren zukünftigem Gemahl das Erbe nicht gönnt und die Beiden auch nicht wirklich für voll nimmt, heißt sie ihren Gatten hinzuzukommen. Ihn begleitet sein treuer Gefolgsmann, Heinrich von Braunschweig (Karel Hajek auf Flash). Der Graf von Isenburg will die Ländereien für sich beanspruchen, laut seiner Aussage auf Geheiß des Kaisers selbst. Das aber will Johanna nicht gelten lassen und weist Isenburg in die Schranken. Der anwesende Herold, Alexander von Utrecht (Alexander Schmidt), will daraufhin die Fehde im Turnier ausfechten lassen. Das allerdings lehnt Isenburg ab, da es zu einem Turnier vier Ritter braucht, aber nur drei anwesend seien. Daraufhin erklärt Johanna, dass sie selbst ebenfalls antreten wird und damit die benötigte Anzahl gegeben ist.
Also werden die fünf Exerzitien der Geschicklichkeit geritten:
Der Ritt auf die Kränze, der Ritt auf die Kelche, das Werfen mit dem Wurfstern auf die Scheibe, der Ritt auf den Mann am Boden und der Tjost.
Beim Tjost scheiden von Braunschweig und Johanna in ihren Anritten direkt aus und so kommt es zum Zweikampf zwischen von Isenburg und von Wasserburg, bei dem Isenburg unterliegt. So können Johanna von Geldern und Phillip von Wasserburg endlich miteinander und mit ihrem Erbe glücklich werden. Wie es nach seinem Versagen allerdings um die Ehe zwischen Friedrich von Isenburg und Beatrice von Burgund bestellt ist… das möchte man vielleicht auch einfach nicht wissen.
Der Kommentar:
Man erwartet in den Shows in Walbeck nicht die gleiche Art großartiger Geschichten wie zum Beispiel in Broich, Ebernburg und, dieses Jahr neu dazugekommen, auch in Wickrath. Dennoch war dieses Sammelsurium an Versatzstücken mitunter schwer erträglich. Man stolperte von Logikloch zu Logikloch und war mitunter froh, dass besonders bei den ersten drei Shows das Turniergeschehen wesentlich mehr der Zeit beanspruchte als das, was man sehr wohlwollend als Rahmenhandlung bezeichnen mag. Denn diese Rahmenhandlung war wirklich finsterstes Mittelalter. Die Shows in Walbeck haben üblicherweise eine eher schlichte Handlung, aber die diesjährige war so lieblos, als hätte man geschaut, welche Texte die einzelnen Akteure noch parat haben und diese am Vorabend schnell zu einer Geschichte zusammengestrickt. Das war nicht wohl getan.
Es ging um die Töchter des Grafen Otto von Geldern. Die eine mit dem Namen Johanna von Geldern, soweit so gut. Warum aber trug die andere den Namen Beatrice von Burgund? Wo kam Burgund ins Spiel, zumal sie mit dem Grafen von Isenburg verheiratet war? Mir ist natürlich bewusst, dass die Namen entweder erfunden oder der Historie selbst entlehnt sind, aber es ergäbe doch Sinn, wenn sie wenigstens halbwegs im Zusammenhang miteinander stünden, ganz besonders dann, wenn sie persönliche Bindungen von Figuren zueinander verdeutlichen könnten oder im besten Falle sollten.
Der nächste Punkt ist der Tod des Grafen, der laut Herold keinen Erben hinterließ. Er hinterließ keinen männlichen Erben, das mag sein, aber eben zwei Töchter, die sehr wohl erben, wenn auch nicht zwingend regieren, können. Selbst wenn der Besitz an den jeweiligen Ehegatten fällt, geschieht das ja trotzdem, weil dessen Gemahlin ihn geerbt hat. Dieses Logikloch war umso schlimmer, als dass die ganze Geschichte eben den Erbstreit der beiden Töchter als Aufhänger hatte.
Dann die Frage, was genau der Zweck des Besuchs des Herrn von Wasserburg war. Kam er, um seine Verlobung zu besiegeln oder seine Vermählung zu feiern? Und wie genau kommt der Charakter überhaupt in die Geschichte? Der Herold sagte bei der Einführung der beiden Gelderner Schwestern, dass man zusammentraf, um die Vermählung Johannas zu besiegeln und bei der Einführung des Verlobten, Phillip von Wasserburg, dass seine Verlobung mit eben jener bekannt gegeben werden solle. Das ist im Heiratsprozess schließlich nicht unbedingt der gleiche Schritt. Man kann zwar argumentieren, dass das auf lange Sicht auf das Gleiche hinausläuft, aber es war zwischendurch recht irritierend, wenn sich das in der Einleitung mischte. Apropos Einleitung, man konnte aus dem Dialog der beiden Schwestern zwar erahnen, dass das Verlöbnis vom Vater noch zu seinen Lebzeiten arrangiert worden war, aber es kam nur in einem abfälligen Nebensatz Beatrices zur Sprache. Hier wäre eine schönere Einführung des Charakters Phillip von Wasserburgs durchaus von Vorteil gewesen, und zwar vorzugsweise durch den Herold, den es wenig gekostet hätte. Anstatt nur zu sagen, dass Wasserburg der Sieger von internationalen Turnieren war, wäre es hier deutlich besser für den Zusammenhang gewesen, wenn er etwas gesagt hätte in die Richtung, dass Wasserburg eben ein gestandener Ritter und Sieger vieler Turniere sei und daher vom Vater als Gatten für seine Tochter gewählt worden war. Folglich käme Wasserburg nach dessen Tod jetzt, der Tochter beizustehen und sein Versprechen zu halten. Das gäbe auch direkt die Möglichkeit, den Kontrast des Helden gegenüber seinen späteren Widersachern auf kurze Art schon einmal zu illustrieren.
Der folgende Knackpunkt war die Rede Johannas, die aus der Broicher Show stammte. Die Rede an sich ist gut und auch durchaus berührend, aber wenn sie hier von ihrem König spricht, ist man doch recht verwirrt. Sie erweiterte das zwar hinterher auf ihren Vater, der aber ja kein König war, sondern Graf, wie man nur Minuten zuvor gelernt hatte. Hätte sie nur von ihrem Vater gesprochen, wäre der Text innerhalb dieser Show wesentlich schlüssiger gewesen. Beatrice spricht später von ihrem Königreich, das es ja nicht war, wenn der Vater „nur“ Graf war, und Johanna nannte ihren Vater später noch einmal den König. Das ergab alles einfach überhaupt keinen Sinn, da hätte man sich schon darauf einigen sollen, welchen Titel man dem Verstorbenen denn nun verleiht. Außerdem stand man ein wenig irritiert unter diesem Kübel an Pathos, der sich sehr unvermittelt über die Zuschauer ergoss.
Dass kurz danach Johanna den nicht gerade sympathisch wirkenden Isenburg in die Schranken wies, kaum dass er auf dem Plan erschienen war, hätte an sich durchaus eine schöne Szene sein können. Auch dieser Text stammte zwar aus anderen Shows, in die er wesentlich besser eingebunden war, hätte aber auch hier durchaus seine Wirkung entfaltet, ganz besonders wenn sie ihn hieß, sich an jeder Tür und an jedem Tor für seine Missetaten zu entschuldigen. Da aber besagter Herr bis zu jenem Zeitpunkt kaum drei Zeilen gesprochen hatte, die zwar allenthalben vorzüglich beleidigend waren, aber eben trotz der groben Unhöflichkeit nicht eben eine derartig vehemente Haltung Johannas rechtfertigten, hatte man als Zuschauer die ein oder andere Frage. Schließlich, wenn jeder Mensch, der sich daneben benimmt, durchs Land ziehen und sich entschuldigen müsste, wären wir ein Nomadenvolk. Folglich wusste man nicht so ganz, warum er das denn nun tun sollte. In der dritten Show wurde immerhin bei seiner Vorstellung erwähnt, dass er mit harter Hand über sein Königreich (wiederum, der gute ist Graf, wieso ist das ein Königreich?) herrsche, aber was das nun konkret bedeutete, ließ sehr viel Interpretationsspielraum. Hart kann von kalt und streng, was aber nicht zwingend schlimm ist, bis hin zu grausam und ausbeuterisch so ziemlich alles bedeuten. So kurz nach dem Auftritt der Figur wusste man zwar als Zuschauer, dass dieser Satz einem sagen sollte, es handele sich hier wohl um den Bösewicht, aber der Charakter hatte zu wenig Zeit, diese Darstellung entweder über die Erzählung oder im Zusammenspiel deutlich zu machen. Das beraubte die Weisung Johannas leider so ziemlich aller Wirkung. Denn bis zu diesem Zeitpunkt war er eben nichts anderes als ein ziemlich unhöflicher Adliger, der vom Kaiser befohlen die Herrschaft über die Ländereien übernehmen sollte. Wenn man also wirklich böse sein wollte, setzte sich hier die offensichtliche Heldin sogar durch ihre Weigerung selbst ins Unrecht.
Als letzter Punkt steht dann noch die Abschlussrede von Johanna aus Broich und Wickrath im Raum, wo sie davon spricht, dass ihr Vater sich eine bessere, gerechtere Welt gewünscht hatte. Zwar passte sie halbwegs vom Zusammenhang, aber generell war es auch hier wesentlich mehr Pathos, als es diese, vom Grundton her eher leichte und humorvolle, Show vertragen konnte.
Nach diesem Reigen der Logiklöcher ging die Show dann in den Turnierteil über, was man nach den ganzen vorangegangenen Widersprüchlichkeiten schon alleine aufgrund der vorgegebenen Struktur deutlich begrüßen mochte. Es ersparte einem in jedem Fall weitere Kopfschmerzen, wie man sie noch bei dem Versuch, die Bruchstücke der Rahmenhandlung in irgendeinen halbwegs stringenten Zusammenhang bringen zu wollen, intensiv verspürte. Und ich weiß, wovon ich schreibe, denn ich habe das eingangs in diesem Text schließlich versucht. Abschließend lässt sich über die Handlung nur sagen, dass sie eine der unzulänglichsten war, die ich je von der Gruppe gesehen habe. Sie wirkte lieblos und schluderig und auch wenn das keine der „großen“ Shows waren, haben die ersten drei zumindest deutlich besseres verdient als das, was ihnen als Geschichte gegeben wurde.
Ab dem Zeitpunkt des Turniers allerdings schwangen sich die Shows wieder zu der Form auf, die ich ganz besonders mit Walbeck in Verbindung bringe. Denn was diese vor allem auszeichnet ist, dass sie den Akteuren Raum lassen, mit ihren Charakteren zu spielen, dem Witz die Zügel schießen zu lassen, auch einmal Blödsinn zu machen und generell einfach ihren ganz eigenen Charme auszuspielen. Egal ob verbaler Schlagabtausch, der sich mit dem Schwertduell nicht nur messen kann, sondern es an Treffern oft deutlich überbietet oder einzelne beißend spöttisch-sarkastische Bemerkungen, irgendwelcher Blödsinn, wie letztes Jahr das Tanzduell, oder einfach nur die Gesichtskirmes mancher Akteure - das ist es, was die Shows in Walbeck so gut macht. Und davon bekam man reichlich geboten.
Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die dritte Show, denn hier hatte die Truppe wieder einmal etwas Einzigartiges und am Ende auch sehr Witziges gemacht. Nachdem die Exerzitien nicht so ausgegangen waren, wie der Herr von Isenburg das für wünschenswert erachtete, hat er sich von hinter den Kulissen (s)ein Kind ausgeborgt, um Druck auf die andern auszuüben und ihnen zu drohen. Dieser Zwerg, der vor Isenburg hoch zu Ross auf dem Sattel thronte, stolz wie Oskar, war ein ausnehmend niedlicher Anblick, der selbst durch Isenburgs Anwesenheit nur minimal getrübt wurde. Als er das Kind dann mit dem Kommentar freigab, es hätte sich wohl in die Hosen gemacht, lieferte von Utrecht eine Retourkutsche, wie sie schöner nicht hätte sein können, als er sagte: „Es hat euch was geschissen.“ Man vertraute dann den Knaben den Persevanten an und er durfte das Turnier von der Seite des Planes aus verfolgen. Als es dann nach dem Tjost zum Zweikampf zwischen Wasserburg und Isenburg kam, war es eben jenes Kind, dass Isenburg das Schwert zum Duell überreichen durfte. Wohlgemerkt, das Schwert war gut doppelt so groß, wie der Knirps. Und als am Ende Isenburg geschlagen darniederlag und seine liebreizende Gemahlin darob mit ihm sehr unglücklich war, hatte Beatrice von Burgund für Isenburg keinen weiteren Blick übrig, sondern nahm das Kind in die Arme. Sie gab auf die Verwunderung, des Herolds, dass sie ja doch ein Herz habe, nur zur Antwort: „ja aber nur für diesen Kleinen“.
Das Kind so einzubauen war einfach der Knaller, und der Putzigkeitsfaktor schoss durch die Decke. So spontane Elemente sind der Grund, warum Shows in Walbeck einfach unglaublich sehenswert sind.
Nina Wolter als Beatrice von Burgund hatte meist zwar nichts weiter zu tun, als am Rande des Plans zu stehen und den Vorgängen zuzuschauen, aber alleine was die Dame mimisch zum Unterhaltungswert der Show beitrug, war sagenhaft. Ich kann mich nicht erinnern, wie oft ich an diesem Wochenende meiner Begleitung unter Lachen sagte, sie solle sich Ninas Reaktion anschauen, es sei großartig. Dutzende Male sicherlich. Wenn sie dann noch gelegentlich einen bissigen Kommentar dazwischenwarf oder sich ein Wortgefecht gönnte, bekam man gerne auch einmal Schnappatmung vor Lachen. Sie allerdings am Ende einer Show ebenfalls, als ein Mikro nicht so wollte wie es sollte, und sie einen Lachanfall erster Güte bekam und ihre Kollegen mit hineinzog. Es sind solche (ungescripteten) Augenblicke, die Walbeck zu Walbeck machen. Ihre bösen Charaktere sind immer noch ganz wunderbar und sie spielte die herrische und kratzbürstige Ehefrau mit Bravour. Das fand offensichtlich auch das Kind in der Reihe hinter mir, denn als Johanna ihre Schwester fragte, wie sie denn nur so widerlich sein könne sagte selbiges folgerichtig: „Sie trägt das schwarze Kleid, das muss so sein.“
Andreas Wolter als Friedrich von Isenburg und Christian Papke als Phillip von Wasserburg, letzterer musste sich in der ersten Show kurz warmlaufen und stand danach aber seinen Kollegen in nichts nach, waren im Wortgefecht mitunter fast beeindruckender als in ihren anderen Exerzitien. Ganz besonders ihr Louis-de Funès-Moment hatte die Lachmuskeln, zumindest für alle, die die Anspielung erkannten, doch reichlich strapaziert. Auch dass Wasserburg, dessen Hauptfarbe grün war, als Grünschnabel bezeichnet wurde, hatte seinen Charme. Man sollte aber besonders den Herrn von Isenburg einmal darauf hinweisen, dass wenn er von den Weibern an der Stätte fordert, sie mögen doch ihre Männer ins Turnier schicken, was hätten sie schon dabei zu verlieren, er sich damit böse ein Eigentor schießt, wurde er doch kurz zuvor von seiner höchsteigenen Gemahlin ins Turnier geschickt.
Und auch einer der Persevanten hat in dieser Art deutlich mitgemischt. Hatte Peter Luckau noch in Broich und in Wickrath am Anfang beider Geschichten als tragische Heldenfigur in rotem Wappenrock jeweils für eine dramatische Todesszene zu sorgen, frei nach dem Motto „ich bin, spricht jener, zu sterben bereit“, musste er in den Walbecker Shows, wiewohl auch hier in Rot gewandet, nicht das Redshirt geben und sein Leben aushauchen, sondern durfte mit spöttischen Zwischenbemerkungen seinen Teil zur Unterhaltung beitragen.
Alexander Schmidt als Herold zu sehen ist immer wieder ein Vergnügen und er hat mittlerweile deutlich bewiesen, dass er den Vergleich mit seinem Vorgänger nicht mehr zu scheuen braucht. Zeitweise kam er allerdings mitunter mit den Namen durcheinander, und nannte Johanna von Geldern zwischendurch auch schon einmal Johanna von Walbeck. Ein großer Kritikpunkt wäre jedoch, dass er in der Vorstellung der Akteure nur selten, wenn überhaupt, die Namen der Pferde nennt. Da die Pferde genauso wichtig sind wie die zweibeinigen Akteure wäre es doch wünschenswert, dass diese ebenso alle namentlich genannt würden.
Karel Hajek hatte als Heinrich von Braunschweig aka der Hilfsbösewicht nichts zu sagen und auch nicht sonderlich viel zu tun. Gerade er hat aber stets eine so sympathisch-fröhliche Ausstrahlung, dass er vielleicht nicht der wirkungsvollste Böse aller Zeiten ist. Er hat sich aber zumindest durch kleine Unfreundlichkeiten hervorgetan, wie die Exerzitien für die anderen zu stören und dabei auch schonmal die Schranken umzureiten, was ein Kind zu der Bemerkung veranlasste: „Bekommt der jetzt eine rote Karte?“
Sani Strietz lieferte zwar als die gute Schwester eine solide Leistung ab, an die Schlagfertigkeit ihrer Kollegen kam sie aber beileibe nicht heran und wirkte daher, trotz ihrer Heldinnenrolle und ihres Monolog-Anteils ähnlich wie Braunschweig fast schon eher wie eine Nebenrolle. Man freut sich als Zuschauerin, für die Exerzitien eine Ritterin in der Runde zu haben. Gerade und auch weil der Kinderanteil unter den Zuschauenden doch recht hoch ist, bin ich sehr dafür, dass es weibliche Rollen gibt, die mehr tun, als nur die Klischee-Jungfer-in-Nöten zu sein.
Das Fazit:
Abschließend lässt sich zu den ersten drei Shows folgendes sagen: Leider ist es nicht möglich, die ganze Situationskomik so zu beschreiben, dass sie ihren Witz behält, wie das eben Situationskomik nun einmal zu eigen ist. Daher kann ich nur unzureichend deutlich machen, wie heftig die Shows die Lachmuskeln tatsächlich beanspruchten. So wenig die Rahmenhandlung dieser ersten drei Shows überzeugen konnte, so hervorragend waren sie in dem Spiel der Akteure miteinander und alleine der inhärente Humor hat sehenswert gemacht.
Bonus:
Doch nun kommen wir zu der letzten der vier Shows an dem Wochenende, die sich merkbar von ihren Vorgängern unterschied. Zum einen erfreulicherweise durch eine in Teilen wesentlich bessere Geschichte, zum anderen aber leider durch das völlige Fehlen des Walbeck so eigenen Charmes.
Die Einleitung blieb bis zum Auftritt Phillip von Wasserburgs einschließlich vollständig gleich, mit allen oben bereits ausführlich erläuterten Problemen. Dann aber, als Beatrice von Burgund sich ihrer Schwester und deren Verlobten in den Weg stellt, änderte sich die Geschichte. Denn hier ist ihr Gatte nicht mehr Friedrich von Isenburg, sondern Heinrich von Braunschweig, während die Rolle des Isenburg komplett wegfällt. Statt Isenburg spielt Andreas Wolter einen Inquisitor aus Rom, den Erzbischof von Trier. Dieser informiert die Anwesenden darüber, dass Johanna von Geldern und Phillip von Wasserburg der Ketzerei beschuldigt seien. Sie sollen sich in Rom verantworten, währenddessen Heinrich von Braunschweig über die Ländereien herrschen solle. Man hat hier schon deutlich das Gefühl, dass Beatrice die Anklage inszeniert hatte, auch wenn dazu nichts explizit gesagt wurde. Schon alleine daran merkte man meiner Meinung nach, dass diese Variante deutlich besser war, als die der vorangegangenen drei Shows.
Phillip von Wasserburg will sich nicht ergeben und fordert ein Gottesurteil in Form eines Turniers. Wenn sie es allerdings verlieren, so weist der Inquisitor darauf hin, wären sie noch an Ort und Stelle des Todes.
In dieser Szene war sehr schön gemacht, dass der Inquisitor Johanna explizit fragte, ob sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen will. Das gibt der Figur der Johanna eine schöne Gelegenheit, eigene Agenda aufzubauen. Auch dass er den Herold explizit als Vollstrecker und Gerichtsbarkeit nennt, gibt diesem Charakter mehr Relevanz, als nur durch das Turnier zu leiten und damit in Grunde eine Art besseres Nummerngirl zu sein.
Das Turnier beinhaltete dann die gleichen Exerzitien wie schon zuvor, diesmal allerdings natürlich nur mit drei Teilnehmern.
Hier fiel besonders auf, dass der Inquisitor zwar nicht unbedingt mit bissigen Zwischenbemerkungen geizte, am Ende aber trotzdem gerecht blieb. Dieser Charakter wanderte die ganze Zeit auf dem Grat zwischen echtem Bösewicht und hartem, aber fairem, Antagonisten. Auch wenn er nie sonderlich liebenswürdig war, war er aber eben aufgrund seines Verhaltens auch nie wirklich vollends unsympathisch. Das verdeutlichte auch nochmal, was ich weiter oben zu Isenburgs harter Herrschaft über seine Leute schrieb, nämlich dass ihn das alleine nicht zwingend böse macht.
Nachdem Johanna und Phillip die Exerzitien für sich entscheiden konnten, erklärt Beatrice, dass es genug mit den Kinderspielen sei und der Inquisitor das Gottesurteil verkünden solle. Hier wird dann auch explizit deutlich, dass sie die Anstifterin war, denn er wirft ihr vor, dass sie behauptet hätte, es würde einfach werden, seien ihre Gegner doch den Dreck unter den Fingernägeln nicht wert. Dann erkennt er Johanna und Phillip den Gewinn der Exerzitien zu und schlägt vor, dass das Urteil final im Tjost entschieden werden solle.
Schön fand ich tatsächlich die Korrektur, als er sagte: „Mann gegen Mann oder Reiter gegen Ritter,“ denn Johanna ist ja nun sehr offensichtlich weder Mann noch Ritter. Auch wenn er das nach Johannas Ritt gegen Braunschweig direkt wieder zunichtemachte, als er fragte, in welcher Welt ein Weib einen Mann besiegen könne.
Natürlich besiegt Phillip von Wasserburg Heinrich von Braunschweig am Ende und kann seine Johanna in die Arme schließen.
Und dann kam einer der am besten gemachten Plottwists überhaupt, der meiner Ansicht nach einen großen Applaus verdient hat.
Denn der Inquisitor befiehlt seinen Wachen, heranzutreten, denn das letzte Wort sei noch nicht gesprochen. Er fordert von Johanna und Phillip, das Haupt zu senken und zumindest etwas Demut zu zeigen. Dann fährt er fort mit: „Wache, nehmt sie fest.“ Man dachte zuerst, er spräche zu den beiden, an die er bis dahin das Wort gerichtet hatte, doch die Wachen umringten stattdessen Beatrice von Burgund und nahmen diese fest. Das war so verdammt gut gemacht, Hut ab. Dass Phillip von Wasserburg danach den Inquisitor fragte, ob er noch etwas vorhabe, denn man suche ja noch jemanden der die Trauung zwischen ihm und Johanna vollzöge, war dann das Sahnehäubchen auf diesem Torten-Augenblick. Allerdings lehnte der Inquisitor dankend ab, er habe sich schließlich um Beatrice von Burgund zu kümmern. Das fand ich fast ein bisschen schade, denn es wäre diesem Charakter vergönnt gewesen, am Ende vollständig auf die gute Seite der Macht zu wechseln. Allerdings blieb er so zumindest sehr stringent in der Rolle des gerechten Antagonisten.
Hier sollte ich vielleicht auch einmal anmerken, dass Andreas Wolter in keiner der Shows die von mir nicht gerade geliebte „Exekutive des Allmächtigen“ ausgepackt hatte und ironischerweise hätte sie im Falle des Inquisitors doch wenigstens einmal ins Bild gepasst.
In jedem Falle war diese Rahmenhandlung als in sich geschlossene, logische und auch durchaus etwas ausführlichere Geschichte wesentlich besser, als ihre drei Vorgänger. Aber leider fehlte ihr der Walbecksche Witz, den ich an diesen Shows besonders liebe. In einem anderen Setting aber wäre das sicher eine gute Basis für einen ganz hervorragenden Handlungsstrang.
Autor:Felicitas Zoch aus Gelsenkirchen |
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