Bilanz des Unwetters in Wickede
Bürgermeister ist dankbar für Unterstützung
WICKEDE (RUHR). Die Gemeinde Wickede (Ruhr) hat die gefährliche Hochwasserlage an der Ruhr am gestrigen Donnerstag dank des Großeinsatzes zahlreicher Hilfskräfte, der reibungslos funktioniert hat, und mit Glück glimpflich überstanden. Das ist das vorläufige Fazit aus den Lagebesprechungen, die Bürgermeister Martin Michalzik nach seinem Urlaubsabbruch im Rathaus mit den Führungskräften der Gemeindeverwaltung und mit Einsatzleiter Sascha Seidel von der Feuerwehr Wickede (Ruhr) zog: ,,Mit großer Anteilnahme blicken wir zugleich auf die besonders schwer betroffenen anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz und trauern mit ihnen um die verlorenen Menschenleben. Zugleich sind wir unendlich dankbar für die zahlreichen Helferinnen und Helfer, die im Ehrenamt aus unserer Feuerwehr und aus anderen Verbänden von Feuerwehr und THW hier zur Stelle waren. Zugleich bewährte sich unsere neue Feuerwehrführung von Marcel Horn, Sascha Seidel und Marc Ptacek in der Krisensituation. Dabei lag die operative Einsatzleitung beim stv. Wehrführer Sascha Seidel“.
In Wickede (Ruhr) waren sämtliche verfügbaren Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr Wickede (Ruhr) im Einsatz, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gemeindebauhofes sowie Feuerwehreinheiten aus Soest, aus Geseke, Werl und Welver und Einheiten des Technischen Hilfswerkes mit Spezialgeräten aus Soest, Lippstadt und Paderborn. Die Zusammenarbeit hat an allen Stellen reibungslos geklappt. Diese Einschätzung von Verwaltung und Wehrleitung teilte der Bürgermeister diesen Freitagmittag auch NRW-Heimatministerin Scharrenbach mit, die sich nach dem Stand der Dinge in Wickede und Hilfebedarf erkundigte.
Überflutungen ab Mittwoch
Bereits am Mittwochnachmittag hatte mit Überflutungen auf der Ruhrstraße in Echthausen der Feuerwehreinsatz begonnen. Insbesondere rund um Schloss und Nebengebäude drohten Wassermengen Wohngebäude zu fluten. Mit zahlreichen Helfern wurden Sandsackbarrieren herangeschafft, die wirksam waren. Auch an anderen Stellen im Ortsteil waren Einsätze nötig. Am späten Abend dann wurden die Anwohner im Bereich der Erlenstraße durch Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung auf die Gefahr einer drohenden Überflutung hingewiesen. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag begannen in den besonders nah zur Ruhr gelegenen Betriebsstätten des Wickeder Profile-Werkes und von MBT Polytapes Sicherungsmaßnahmen. Dazu gehörte insbesondere, Gefahrstoffe zu verlagern, die bei einer Überflutung der Betriebsgelände und –gebäude zu einer kritischen Verunreinigung der Ruhr hätten führen können, zum Beispiel durch Chemikalien. Ähnliche Vorsorgemaßnahmen wurden im weiteren Verlauf auch in der Firma Humpert getroffen.
Pegel stieg stündlich 9 Zentimeter
Zugleich unternehmen die Feuerwehrkräfte erhebliche Anstrengungen, zwei Wohnhäuser, die in stets hochwassersensibler Lage auf dem südlichen Ruhrufer am Abzweig der alten Ruhr liegen, zu sichern. Bei einem um neun Zentimeter stündlich steigendem Pegelstand stellte sich aber schließlich in den frühen Morgenstunden heraus, dass reale Gefahren für Leib und Leben von Anwohnerinnen und Anwohner und Einsätzkräften drohte. Hier waren auch die tragischen Todesfälle ertrunkener Retter in anderen Landesteilen eine Warnung. Daher fiel schließlich die Entscheidung, die Sicherungsmaßnahmen einzustellen, zumal bereits massive Steinbarrieren durchlässig wurden. Für die Bewohnerinnen und Bewohner der beiden Wohngebäude ist dies besonders bitter, da sie zuletzt im Jahr 2007 schwer von einer Hochflut der Ruhr betroffen waren. Für sie war eine Betreuung durch die Notfallseelsorge des Kreises Soest vor Ort.
In Sicherheit gebracht werden konnten später eine Herde Schafe und Pferde. Eine Zuspitzung der Lage ereignete sich schließlich im Mittag, als sich abzeichnete, dass das Stauwehr an der Gemeindegrenze zu Ense auf dem Betriebsgelände der Gelsenwasser AG entlastet werden musste, da sich davor eine erhebliche Menge Schwemmholz angestaut hatte. Es war nicht abschätzbar, wie hoch die damit einhergehende zusätzliche Flutwelle sein würde, Schätzungen reichten zwischen 20 cm und 1 Meter zusätzlichem Wasserpegel. Daher galt es, zeitnah zusätzliche Sicherungsmaßnahmen zu treffen. So wurden durch den zentralen Katastrophenalarm auch mit der NINA-Warnapp die Anwohnerinnen und Anwohner entlang der Hauptstraße über eine möglicherweise drohende Überflutung gewarnt.
Stromversorgung gesichert
Weiterhin waren die für die Stromversorgung der Gemeinde Wickede (Ruhr) wichtigen Trafo-Stationen am Hessenweg und am Trommelwehr vorsorglich zu sichern, ohne deren Betrieb Teile der Gemeinde ohne Strom dagestanden hätten. Mitarbeiter der Stadtwerke Fröndenberg Wickede GmbH kümmerten sich ebenfalls um die Absicherung der Gasleitungen des eigenen Netzes und des Ferngasnetzes der Thyssen AG. Während sich Bürgermeister während seiner Heimreise vom Urlaubsort über die Lage informieren ließ, verschaffte sich Landrätin Eva Irrgang am Vormittag ein eigenes Bild.
Zwischen 11.30 und 16 Uhr am Donnerstag lag die Einsatzleitung bei einem dreiköpfigen Stab, der als Unterstützung von der Kreisleitstelle des Kreises Soest nach Wickede verlegt worden war.
Dabei zeigte sich, dass es nicht machbar war, durch den Einsatz von großen Geräten auf dem Gelände der Gelsenwasser AG das Treibholz – darunter schwere Baumstämme – beseitigen zu lassen. Dabei wurde an einen Bundeswehrkran oder Spezialgreifer eines Forstbetriebes gedacht. Der Einsatzleitung war wichtig, eine Entscheidung nicht in in den Abend zu vertagen, da eventuelle Evakuierungen oder technische Hilfseinsätze bei einbrechender Dunkelheit sich ungleich schwerer hätten organisieren lassen. Insofern kam es gegen 14 Uhr zur kontrollierten Öffnung des Wehres, nachdem alle sicherheitsrelevanten Stellen entlang des erwarteten Flutverlaufes durch Einsatzkräfte abgesichert worden waren. Die weitere Erhöhung des Pegelstandes betrug schließlich nur rd. 20 cm, was sich mit den bereits eingesetzten technischen Hilfsmitteln als beherrschbar erwies. Daher konnte die technische Gefahrenabwehr im Laufe des Nachmittags schrittweise zurückgefahren werden. Gegen 20 Uhr schließlich stellte Einsatzleiter Sascha Seidel das offizielle Einsatzende fest.
Pumpen nur ganz vorsichtig
In der Erlenstraße kamen - wie zuvor in einzelnen Gebäuden in Echthausen - in zahlreichen Kellern Pumpen zum Einsatz, um eingedrungenes Wasser zu beseitigen. „Dabei ist zu beachten, dass ein unmittelbares Abpumpen größere Schäden anrichten kann, als das eingedrungene Wasser selbst“, so Bürgermeister Dr. Michalzik: „Der gleichzeitig deutlich zunehmende Druck aus dem steigenden Grundwasserspiegel kann dann dazu führen, dass eine Bodenplatte von unten her zerbricht. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn etwa der Estrich durch Styropor verstärkt ist, der für zusätzlichen Auftrieb sorgt.“ So seien manche Gebäude in Hochwassergebieten extra so konzipiert, dass die Keller gezielt geflutet werden, um diesen Effekt auszuschließen.
Auch wenn das Hauptgeschehen der Einsätze mit insgesamt 250 Kräften sich an der Ruhr konzentrierte, waren auch andere Teile der Gemeinde von den Starkregenfolgen betroffen. Dies zeigte sich beispielsweise im Strullbachtal zwischen Wiehagen und dem Sportplatz in Wickede. Hier wirkt sich immer der Zulauf aus den Regenmengen aus, die aus der Westerhaar abgeführt werden. Sie werden zunächst im Rückhaltebecken an den Kleingärten gepuffert und fließen dann weiter durch den Ortsteil Wiehagen und dem Strullbach später in Höhe der Kläranlage in die Ruhr. Zugleich war erneut festzustellen, dass erhebliche Mengen Erde von den Feldern abfließen, die entlang des Baches zwischen dem Fischhof Baumüller und den Parkplätzen am Sportplatz liegen.
Auch auf dem sogenannten Breiten Stück, den Wiesenflächen zwischen Kommunalfriedhof und Prozessionsweg, machten sich die Regenmengen erneut bemerkbar, die dann talwärts ins Wiehagener Wasser mündeten. Oberhalb des Neubaugebietes an der Chaussee und entlang des Verbindungsweges vom Bauhof Richtung Prozessionsweg blieb die Lage dieses Mal entspannt.
Alle Pumpstationen der Gemeinde liefen unter ständiger Aufsicht von Bauamt und Bauhof auf Hochtouren. Kurzzeitige Überlastungen blieben ohne Folgen. Die vor wenigen Jahren neu eingerichtete Pumpstation an der Eisenbahnbrücke, durch die die Abwässer Echthausens in Richtung Kläranlage abgeleitet werden, blieb mit ihren Entlüftungsrohren knapp unterhalb der kritischen Hochwassergrenze.
Ruhrtalradweg gesperrt
Die Straße Am Ruhrufer sowie weite Teile der Ruhrpromenade und der Ruhrtalradweg bleiben bis auf Weiteres gesperrt. Das geschieht aus Gründen der Verkehrssicherheit, weil die Wege teilweise stark verschlammt und aufgeweicht sind. Daher werden erst im Laufe der kommenden Woche dort die Voraussetzungen gegeben sein, mit Säuberungsarbeiten zu beginnen.
Die Gemeinde bedankt sich für die große Hilfsbereitschaft, auf die sie bei vielen Bürgerinnen und Bürgern sowie bei örtlichen Unternehmen gestoßen ist. Freiwillige Helfer hatten ihren Einsatz angeboten, sollte er nötig werden, auch erste Sachspenden wurden bereits in Aussicht gestellt, sofern Bedarf besteht. Die Bäckerei Niehaves, die Fleischerei Hackethal sowie der Getränkehändler Keggenhoff und Willi Stahlhoff sowie für die heutige Einsatznachbesprechung der Feuerwehr das Waltringer Unternehmen Dinkel waren mit Verpflegungsleistungen spontan zur Stelle.
Hochwasserschutz optimieren
Die Lagebesprechungen im Rathaus nahmen erste Auswertungen als Vorbereitung auf künftige, vergleichbare Gefahrenlagen gezogen, die kommende Woche vor. Drohnenaufnahmen der Überflutung werden herangezogen, um die Pläne für Renaturierung der Ruhr zwischen Trommelwehr und Stadtgrenze Fröndenberg und den geplante Hochwasserschutz entlang der Straße Am Ruhrufer nötigenfalls zu optimieren.
Bürgermeister Dr. Michalzik verschaffte sich heute in Telefonaten mit den betroffenen Unternehmen ein Bild der Situation in den Betrieben und über die Kommunikation zwischen Kommune und Geschäftsführungen. „Wir können nur ein großes Lob an alle Einsatzkräfte aussprechen“, schätzte für MBT Polytapes Geschäftsführer Christian Bünte rückblickend ein. Durch die gute Abstimmung sei es gelungen, rechtzeitig. Der Produktionsausfall sei daher auf einen Tag beschränkt. Welche Hilfen die Anwohner der betroffenen Wohnhäuser Am Graben jetzt unmittelbar brauchen, ist nach Auskunft der Gemeindeverwaltung noch mit den Betroffenen zu klären. Dies kann unter dem unmittelbaren Schock der Überflutung (noch) nicht Gegenstand öffentlicher Berichterstattung sein.
Rückmeldungen aus der Bevölkerung zeigten, dass sich auch mit den Sirenensignalen - sie rufen zum Abruf der NINA-Warnapp und zum Einschalten des Lokalradios auf - manche Einwohnerinnen und Einwohner nicht vertraut sind. Auch in der Versorgung der sozialen Netzwerke und Medien traten - insbesondere auch durch das Zusammentreffen von Urlauben und Einsatzanforderungen - Lücken auf, die es künftig nicht mehr geben soll.
Autor:Lokalkompass Menden-Fröndenberg-Balve-Wickede aus Menden (Sauerland) |
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