Einblicke in die NS-Zeit
Schulprojekt mit inklusiver Zusammenarbeit in Wetter (Ruhr)

Die Schüler*innen mit Vertreter*innen der beteiligten Schulen, von WetterWeltoffen, Stadtarchivarin Stephanie Pätzold und Bürgermeister Frank Hasenberg.  | Foto: Stadt Wetter (Ruhr)
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  • Die Schüler*innen mit Vertreter*innen der beteiligten Schulen, von WetterWeltoffen, Stadtarchivarin Stephanie Pätzold und Bürgermeister Frank Hasenberg.
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Schüler und Schülerinnen lesen Zeitungsartikel der Wetterschen Zeitung aus den Jahren 1933 und 1934, sehen sich NS-Propagandaplakate an, lauschen den Worten der Stadtarchivarin, recherchieren biographische Daten und diskutieren miteinander. Es geht um das sogenannte Erbgesundheitsgesetz im Dritten Reich und um Opfer der Euthanasie, also um Menschen, die in der nationalsozialistischen Diktatur aufgrund ihrer Behinderung ermordet wurden.

Basis für Zwangssterilisation und Mord

Das am 1. Januar 1934 in Kraft getretene „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ legte die Grundlage für Zwangssterilisierungen und die Ermordung von Menschen mit Behinderungen. Auch erzwungene Abtreibung, ein Ehe- und Berufsverbot gehörten zu den Grausamkeiten der Verfolgung. Tausende Kinder und Jugendliche wurden gezielt ausgehungert, mit Medikamenten zu Tode gespritzt oder vergast.

Ein Artikel der Wetterschen Zeitung vom 26. Juli 1933 berichtet über das geplante Gesetz: „Seit der nationalen Erhebung beschäftigt sich die Öffentlichkeit in zunehmenden Maße mit den Fragen der Bevölkerungspolitik und dem dauernd zunehmenden Geburtenrückgang.“ In heute kaum noch zu ertragenden Worten heißt es weiter: „Während die erbgesunden Familien größtenteils zum Ein- oder Keinkinder-System übergegangen sind, pflanzen sich unzählige Minderwertige und erblich Belastete hemmungslos fort, deren kranker und asozialer Nachwuchs der Gesamtheit zur Last fällt.“

Schulen kooperieren für
historische Recherche

Drei Schulen aus Wetter – das Werner Richard Berufskolleg, die Sekundarschule am See und das Geschwister-Scholl-Gymnasium – arbeiten bei diesem Projekt zusammen. Begleitet wird die Initiative von „WetterWeltoffen“ und der Stadtarchivarin Stephanie Pätzold, die die Schüler*innen mit historischem Material und Hintergrundinformationen unterstützt. Bürgermeister Frank Hasenberg lobte das Engagement der Jugendlichen: „Das ist gerade in einer Zeit umso wichtiger, in der Geschichtsvergessenheit und rechte Parolen immer mehr an Fahrt gewinnen. Ihr Engagement verdient viel Respekt.“

Biographische Forschung
zu NS-Opfern

Ein zentraler Bestandteil des Projekts ist die biographische Arbeit. Die Jugendlichen erforschen die Schicksale von Menschen, die in Wetter lebten und in der NS-Zeit Opfer der Euthanasie wurden. Darunter ist Wilhelm Wilke, geboren 1892 in Wetter, der 1941 in der Euthanasie-Anstalt Hadamar ermordet wurde. Auch die Geschichte von Elisabeth Kappenstein, die aufgrund einer Altersdemenz in die „Heil- und Pflegeanstalt“ Kaufbeuren-Irsee eingeliefert und dort getötet wurde, gehört zu den erschütternden Ergebnissen der Recherche.

„Es gibt erstaunlich viele Menschen aus Wetter, die Opfer der Euthanasie wurden“, erklärt Stadtarchivarin Pätzold. Dabei finden sich in den Archivakten auch persönliche Schreiben, wie die berührenden Briefe des Sohnes von Elisabeth Kappenstein, der sich nach dem Zustand seiner Mutter erkundigte.

Gedenkstätte Hadamar
als nächstes Ziel

Anfang Januar schließen die Schülerinnen und Schüler ihre Arbeit mit einer Tagesexkursion zur Gedenkstätte Hadamar ab, einer der zentralen Euthanasie-Tötungsanstalten des Deutschen Reichs. Das Projekt zeigt eindrücklich, wie wichtig die Auseinandersetzung mit den Verbrechen der Vergangenheit ist, um historische Verantwortung zu bewahren.

Autor:

Lokalkompass Hagen aus Hagen

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