Straßen im Wandel der Zeit (WAT Serie) Nr. 8
Die Gertrudisstraße:
Lange Zeit hieß die Gertrudisstraße vom Alten Markt bis zur Stadtgrenze nach Gelsenkirchen Nordstraße. Nach der Gründung der Mittelstadt Wattenscheid am 1. April 1926 wurde die Nordstraße in ihrer ganzen Länge Gertrudisstraße genannt. Als der Durchbruch der Friedrich-Ebert-Straße vollzogen war und die Verlagerung des Verkehrsstroms aus dem Kernbereich der Altstadt in den Jahren 1970 bis 1973 erfolgte, wurde eine Neubenennung nötig. So bekam die Straße von der Einmündung der Lyrenstraße bis zur Gelsenkirchener Stadtgrenze den Namen Hans-Böckler-Straße, nach der Eingemeindung Wattenscheids (1975 Anmerk. PS) nach Bochum wurde sie Ückendorfer Straße genannt. Das Teilstück von der Marienstraße bis Friedrich-Ebert-Straße erhielt den Namen Robert-Koch-Straße. Nach der Eingemeindung wurde es in die Straße Obertor umbenannt, weil die Straße auf der Stensporte im Norden der mittelalterlichen Palisadenumwallung der Freiheit führte. Nur das Reststück von der Polizeiwache bis zum Alten Markt behielt den Namen der Kirchen- und Stadtpatronin St. Gertrudis. Die Heilige lebte von 626 bis 659 und war die Ur-Ur-Großtante Karls des Großen. Als Tochter des fränkischen Hausmeiers Pippin des Älteren und seiner auch heiliggesprochene Frau Ida stammte Gertudis also aus dem königlichen Geschlecht der Karolinger. Ihre Mutter gründete um 645 in Nivelles, etwa 30 Kilometer südwestlich von Brüssel, ein Benediktinerinnenkloster, dem die Heilige Gertrudis als Äbtissin vorstand. Ihr Todestag, der 17. März, galt den Wattenscheider Ackerbürgern als Beginn der ländlichen Frühjahrsarbeit. Sie selbst wurde als Frühlingsbotin verehrt. Weil sie Brabant von einer Ratten- und Mäuseplage befreit haben soll, sind auf ihren Abbildungen im alten Wattenscheider Siegel, im Fenster des alten Rathauses und auf der Barockstatue in der Probsteikirche Mäuse abgebildet, die zudem noch den beginnenden Frühling symbolisieren sollen. Eine alte Bauernregel in Wattenscheid lautet: „Up Sünde Gertrud gedeiht de eiste Göhner (Gärtner) rut“. In der Zeit der Christianisierung durch die Franken nach ihrem Sieg über die Sachsen wurde St. Gertrudis Schutzpatronin der Wattenscheider Kirche, die zur Mutterkirche eines umfangreichen Kirchspiel von der Ruhr bis zur Emscher aufrückte und sitz eines weitläufigen Dekanates wurde. Nach der Verleihung der Freiheitsrechte wurde die Heilige auch in das Siegel und das Stadtwappen aufgenommen. Sie hält in der rechten Hand ein Schild mit der Clevenhaspel und dem märkischen Balken.
Quellennachweis: Wattenscheider Straßengeschichten
von Franz-Werner Bröker
Autor:Peter Siama aus Wattenscheid |
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