„LieLa“: Neues Konzept zum Spracherwerb startet
Tausende Menschen haben in den vergangenen zwei Jahren, vor allem auf der Flucht vor dem Krieg in Syrien, in Bochum und anderen deutschen Städten Schutz gesucht und Obdach gefunden. Während dabei anfangs die Frage der Unterkunft vorrangig war, rückt 2017 angesichts deutlich gesunkener Zuweisungszahlen verstärkt die Integration der Geflüchteten als große Aufgabe in den Mittelpunkt.
Den Kommunen kommt dabei eine besondere Rolle zu. „Weil Integration immer lokal stattfindet und sich hier entscheidet, ob und wie sie gelingt“, so Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch. Bochum hat sich daher, um das Gelingen zu fördern, für einen zusätzlichen Ansatz entschieden: die „Liechtenstein Languages“ – kurz „LieLa“.
„Mit der Methode ,Neues Lernen‘ gelingt der Einstieg in eine neue Sprache – und für viele in eine neue Lebensumgebung – besonders gut und motiviert“, schildert Prinz Stefan von und zu Liechtenstein, Botschafter des Fürstentums in Berlin. „Es freut uns, dass diese Unterrichtsmethode, die der Fürst und die Regierung von Liechtenstein seit vielen Jahren unterstützen, nun so fruchtbringend eingesetzt werden kann.“ Das Konzept ermöglicht auch Menschen, die nicht oder in einer anderen Schriftsprache alphabetisiert sind, innerhalb von zwei bis vier Wochen eine erste Sprechfähigkeit zu erwerben und sich so schneller in ihrem neuen Umfeld orientieren zu können. Dabei kommt „LieLa“ ganz ohne Tafel und Tische aus.
Alltagstauglich und praxisorientiert
In entspannter Gesprächssituation und praxisorientierten Rollenspielen eignen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Grundbegriffe, Redewendungen, einfache Sätze und Fragen aus Themenfeldern an, die sie am häufigsten in ihrem neuen Alltag in Deutschland benötigen. Dazu zählen grundsätzliche Kenntnisse über wichtige Gepflogenheiten des neuen Kulturkreises, Umgangsformen des gesellschaftlichen Zusammenlebens, die lokale Umgebung inklusive der wichtigen Behörden und Regelungen der medizinischen Versorgung. Die Methode setzt damit an erster Stelle auf eine verbale Kommunikation und auf eine zügige erste Sprechfähigkeit; sie bildet so eine gute Basis für schon bestehende Integrationskurse aus dem Bereich „Deutsch als Fremd- bzw. Zweitsprache“, die die ebenfalls notwendige Rechtschreibung und Grammatik vermitteln. „Es ist eine Sprache, die man alltäglich wirklich braucht“, verdeutlicht Eric Weik, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet, der den Anstoß zu „LieLa“ in Bochum gegeben hat. „Eine Sprache, mit der man sich mit jenen verständigen kann, die man zunächst braucht, um in Deutschland anzukommen.“
In Bochum startet auf Initiative der IHK Mittleres Ruhrgebiet und im Schulterschluss mit der Stadtverwaltung und der Bezirksregierung Arnsberg ein erster „Train-the-Trainer-Kurs“, in dem ab Montag, 30. Januar, 16 Lehrerinnen und Lehrer als Multiplikatoren für Berufs- und weiterführende Schulen ausgebildet werden. 25.000 Euro stellt die Stadt Bochum dafür bereit. Bis 10. Februar trainieren die Pädagoginnen und Pädagogen ganztägig „LieLa“ am Klaus-Steilmann-Berufskolleg – theoretisch wie praktisch. Dafür hat Schulleiter Andreas Zimmermann aus den drei internationalen einjährigen Förderklassen seines Kollegs, die den Erwerb des Hauptschulabschlusses und damit den Zugang zu weiteren Bildungsabschlüssen ermöglichen, insgesamt 16 motivierte Schülerinnen und Schüler ausgewählt. Die 16- bis 19-jährigen unbegleiteten Flüchtlinge stammen vorwiegend aus Syrien und Afghanistan, aber auch aus Afrika und dem Irak. „Das ist eine sehr gute Chance für unsere Jugendlichen“, findet Andreas Zimmermann, „Sprache ist das A und O – je schneller sie unsere erwerben, desto besser.“
Umgang mit Behörden erleichtern
Die dadurch sich eröffnenden Möglichkeiten für die Zugewanderten erkannte die Bezirksregierung Arnsberg. „Durch das Projekt lernen die geflüchteten Menschen nicht nur die Sprache unseres Landes, sondern erhalten zudem Alltagskompetenzen vor allem im Umgang mit Behörden“, begrüßt Regierungspräsidentin Diana Ewert das in Bochum neue didaktische Projekt, „deshalb ist der Ansatz der Liechtenstein Languages, umfassende Kompetenzen zu vermitteln, von großer Bedeutung. Als Präsidentin einer großen Behörde kann ich ein solches Projekt daher nur unterstützen.“
Die ausgebildeten Multiplikatorinnen und Multiplikatoren sollen „LieLa“ künftig als vorgeschalteten vierwöchigen Kurs geben und dann mit ihren bestehenden Sprach- und Schriftkursen anschließen. Für diese Module gibt es vier Starttermine im Jahr. Nach und nach sollen die Lehrerinnen und Lehrer aus dem „Train-the-Trainer-Kurs“ Kolleginnen und Kollegen in „LieLa“ ausbilden, damit großflächig nach dem Ansatz unterrichtet werden kann.
Monika Nienaber-Willaredt, die als Abteilungsleiterin unter anderem für schulische und kulturelle Bildung sowie Weiterbildung bei der Bezirksregierung Arnsberg die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für den „Train-the-Trainer-Kurs“ ermittelt hat, findet: „Das Projekt ist sinnvoll, weil es ein weiterer Baustein für unser Qualifizierungskonzept für Lehrerinnen und Lehrer ist. Sie können dadurch die schnellstmögliche Integration von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen in den Schulen und Regelklassen besser umsetzen.“
Autor:Lauke Baston aus Wattenscheid |
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