DRK-Präsident zur Ersten Hilfe am Unfallort: "Richtig helfen kann nur jeder Dritte!"

DRK-Präsident dr. Rudolf Seiters präsentierte die Ergebnisse der Studie von ADAC und DRK zur Ersten Hilfe
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Im vergangenen Jahr starben auf deutschen Straßen 3.606 Menschen. Und obwohl der Trend in den letzten Jahrzehnten glücklicherweise rückläufig ist, bleibt ein erschreckendes Faktum: Von diesen Menschen könnten etwa zehn Prozent - also 360 Männer, Frauen, Jugendliche und Kinder - noch leben, wenn in den ersten Minuten nach dem Unfall jemand Erste Hilfe geleistet hätte. Wir wissen aus anderen Studien, dass bei rund 60 Prozent der Unfälle am Unfallort gar keine Erste Hilfe geleistet wird. Das ist erschreckend, denn wenn das erste Glied der sogenannten Rettungskette, der Ersthelfer, fehlt – dann steht es in der Regel schlecht um die Überlebenschancen der Opfer. Rund 50 Prozent der Verkehrsunfallopfer sterben nach wenigen Minuten am Unfallort oder auf dem Transport ins Krankenhaus.

Das Deutsche Rote Kreuz bildet jedes Jahr mit rund 14.000 ehrenamtlichen Lehrkräften rund 1,3 Millionen Menschen in Erster Hilfe aus – und ist damit der größte Anbieter in Deutschland. Wir verfolgen damit keine Gewinn-Absichten (die Erste-Hilfe-Ausbildung trägt sich in der Regel gerade selbst). Vielmehr verfolgen wir ein wichtiges Ziel der weltweiten Rotkreuz- und Rothalbmond-bewegung: Die Nothilfefähigkeit der Menschen kontinuierlich zu verbessern, um weltweit Leid zu verhüten und das Leben und die Gesundheit zu schützen. Deshalb appellieren wir seit langem an die Menschen, ihre Erste Hilfe-Kenntnisse regelmäßig aufzufrischen, allerdings muss man sagen, bisher ohne großen Erfolg. Einen Kurs besucht in der Regel nur, wer aus beruflichen Gründen oder wegen des Führerscheinerwerbs dazu verpflichtet ist (EuroTest-Studie: 62 Prozent wg. Führerschein, 26 Prozent aus beruflichen Gründen, 16 Prozent aus Eigeninteresse).

Deshalb sind wir – gemeinsam mit unseren Rotkreuz-Schwestergesellschaften in Europa – gern als Partner eingestiegen, als der ADAC uns im vergangenen Jahr die Idee einer gemeinsam durchgeführten europaweiten Erste-Hilfe-Umfrage vorstellte. Die Umfrage ist zwar wissenschaftlich nicht repräsentativ - und wir müssen auch davon ausgehen, dass die Menschen in einer Befragung anders reagieren, als im echten Leben. Aber sie zeigt uns wichtige Trends auf,
aus denen wir lernen können.

Die Umfrage zeigt: Die theoretische Bereitschaft zur Hilfe ist besser als wir erwartet haben. Und im europäischen Vergleich schneiden die Deutschen noch recht gut ab. 73 Prozent trauen sich zu, Erste Hilfe leisten zu können (Europa: 66 Prozent). 91 Prozent kennen die europaweit gültige Notrufnummer 112 (Europa: 58 Prozent). Das ist – mit Blick auf Deutschland – zunächst ermutigend.

Nachdenklich stimmen allerdings die praktischen Fähigkeiten: Weniger als die Hälfte (46 Prozent in Deutschland, 37 Prozent in Europa) beherrschen die Stabile Seitenlage – sie ist elementar wichtig, um zu verhindern, dass ein Bewusstloser zum Beispiel an Erbrochenem erstickt. Nur 41 Prozent (Europa: 29 Prozent) wissen bei einem Atemstillstand zu helfen. Nur 31 Prozent (Europa: 25 Prozent) wissen, wie man eine starke Blutung versorgt. Und, das bedenklichste Ergebnis
ist: Nur die Wenigsten (20 Prozent in Deutschland und Europa) können eine Herz-Lungen-Wiederbelebung richtig durchführen. Das ist DIE überlebenswichtige Maßnahme beim Aussetzen der Atmung und der Herzfunktion. Die Selbsteinschätzung der Teilnehmer weicht also deutlich von der tatsächlichen Hilfefähigkeit ab.

Als Ursache für diese schwachen Ergebnisse sehen wir an, dass bei knapp 40 Prozent der Teilnehmer der letzte Erste-Hilfe-Kurs mehr als 10 Jahre zurückliegt (hier ist der europäische Schnitt sogar besser: 22 Prozent). Man braucht kein Pädagoge sein um sich vorstellen zu können, wie viel praktisches Wissen nach 5 oder 10 Jahren von so einem Kurs noch übrig ist: Sie erraten es, so gut wie nichts.

Daher lautet unser dringender Appell: Jeder Autofahrer sollte seine Erste Hilfe-Kenntnisse regelmäßig auffrischen – und zwar spätestens alle fünf Jahre, sonst ist das Wissen wieder weg. Weil nur wenige Menschen so einen Kurs in Eigeninitiative besuchen, wünschen wir uns von der Politik in Bund und Ländern dringend bessere Unterstützung bei der Aufklärungsarbeit – zum Beispiel durch eine bundesweite Kampagne für die Erste-Hilfe-Ausbildung.

Der Appell richtet sich aber nicht nur an die Autofahrer. Denn bei häuslichen Unfällen sterben jedes Jahr etwa doppelt so viele Menschen wie im Straßen-verkehr. Jeder kann in die Situation kommen, einem engen Angehörigen bei einem Schlaganfall oder Herzinfarkt, bei einer Vergiftung, einem Sport und Freizeitunfall oder einem schweren Sturz zuhause bei der Heimarbeit helfen zu müssen. Und auch hier schaffen regelmäßig aufgefrischte Kenntnisse die Grundlage dafür, dies souverän und erfolgreich tun zu können.

Gemeinsam mit dem ADAC haben wir uns eine Sonderaktion ausgedacht, mit der wir in diesem Sommer die Menschen für die Erste Hilfe begeistern wollen. Im Mai und Juni bieten wir gemeinsam 90-minütige Auffrischungskurse an. Mitglieder von DRK und ADAC können diese Kurse zu einem Sondertarif buchen: für 10 Euro statt 12,50 Euro. Wir hoffen, damit viele der 18 Millionen ADAC-Mitglieder und auch der 4 Millionen Mitglieder des DRK zu erreichen. Auch Nicht-Mitglieder sind natürlich herzlich eingeladen.

Aus der Umfrage leiten wir aber auch Impulse für unsere eigenen Ausbildungs-konzepte ab. Wir wissen aus Stichproben, dass Angst vor Fehlern, Ekel oder Berührungsängste häufig genannte Gründe für die unterlassene Hilfe sind. Deshalb werden wir den Themen „Angst“ und „Stressbewältigung“ einen höheren Stellenwert bei der Ausbildung einräumen. Gleichzeitig wollen wir die Erste-Hilfe-Ausbildung aktueller und kompakter gestalten. Deshalb entwickeln wir neue interaktive und spielerische Lernmedien, binden zunehmend Neue Medien ein und schaffen Möglichkeiten des E-Learnings. Unsere Jugend-organisation, das Jugendrotkreuz, startet 2013 eine Initiative zur Verankerung der Ersten Hilfe in den Lehrplänen von Grundschulen.

Ich fasse noch einmal zusammen: In Deutschland sind Erste-Hilfe-Kenntnisse für Autofahrer verpflichtend – und trotzdem können 80 Prozent der Deutschen keine Reanimation durchführen. Daran ist abzulesen: Ein Erste-Hilfe-Kurs im Leben ist viel zu wenig. Meine Generation musste zum Führerscheinerwerb noch gar keinen Erste- Hilfe-Kurs absolvieren. Das wurde erst 1968 Pflicht. Und in der Hälfte der EU-Staaten ist das bis heute nicht der Fall. Aber selbst wer einen Kurs besucht hat, vergisst das Gelernte schnell wieder – und steht im Notfall hilflos da. Das hat fatale Folgen, denn die wenigen Minuten zwischen dem Unfall und dem Eintreffen des Rettungsdienstes entscheiden häufig über Leben und Tod. Deshalb sagen wir: Alle fünf Jahre müssen Erste-Hilfe-Kenntnisse aufgefrischt werden. Das geht schnell, ist günstig – und macht Spaß. Und es gibt das gute Gefühl, beim nächsten Notfall ein Anpacker, statt ein Hilfloser sein zu können.

Als sichtbares Zeichen für diese Botschaft veranstaltet das DRK am kommenden Samstag (23. März, in Wattenscheid auf dem Alten Markt von 10-14 Uhr) bundesweit einen „Aktionstag Erste Hilfe“. In über 150 Orten in ganz Deutschland können die Bürger ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse gratis auffrischen, mit unseren Experten sprechen und einen bunten Tag mit dem Roten Kreuz erleben.

Text der Rede von Dr. Rudolf Seiters bei der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studienergebnisse durch ADAC uund DRK in Berlin vom 19.03.2013

Autor:

Christian Lange aus Wattenscheid

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