Datenschutz Sturmlauf gegen neues Meldegesetz

Nahezu unbeachtet hatte das neue Meldegesetz am 28. Juni den Bundestag passiert. Deutschland schaute zu der Zeit EM - gegen Italien. Erst mit zeitlichem Abstand brach ein Sturm der Entrüstung los?
Warum ist das Gesetz plötzlich derart umstritten? Meldeämter dürften durch das neue Gesetz Daten wie Name und Anschrift an Unternehmen - Adresshändler, Werbefirmen, Inkassounternehmen, etc. - ohne jegliche Zustimmung der Bürger weitergeben. Man könnte die Weitergabe zwar, wie bisher schon möglich, per Widerspruch verhindern. Dies würde künftig aber nicht mehr greifen, wenn die Adresshändler vom Amt nur bereits vorhandene oder zerstückelte Daten bestätigen oder aktualisieren lassen wollen.
In der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs vom Herbst 2011 war noch eine sogenannte Einwilligungslösung als Voraussetzung der Daten-Weitergabe an Dritte vorgesehen. Der Verbraucher hätte also zustimmen können/müssen, dass die sensiblen Daten über ihn verkauft werden dürfen. Dass dieser Passus - auch nach Protesten der Direktmarketing-Lobby - jetzt wieder verschwunden ist, erhitzt die Gemüter.

Nach Informationen des unabhängigen Internetportals abgeordnetenwatch.de stammen die umstrittenen Änderungen von den Koalitionsabgeordneten Hans-Peter Uhl (CSU) und Gisela Piltz (FDP). Innenexperte Uhl verwies inzwischen darauf, dass die Änderungen auf Wunsch der Meldeämter eingefügt worden seien. Für die Behörden sei es unmöglich, bei jeder Anfrage die Betroffenen um Erlaubnis zu fragen. In einer Stadt wie München kämen pro Jahr rund 100.000 Fälle zusammen, sagte Uhl. Die meisten Anfragen kämen dabei zum Beispiel von Bürgern, die Adressen alter Schulfreunde suchen. Für die Adresshändler seien die Meldeämter keine lohnende Quelle, da jede Adressanfrage zehn Euro koste. "Jeder Adresshändler wäre pleite", sagte Uhl.
Durch die anvisierte Widerspruchs- statt Einwilligungslösung müsse der Bürger selbst die Initiative ergreifen und aktiv werden, was aus Petris Erfahrung nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz macht. Dadurch, dass die Werbewirtschaft die Befungnis bekomme, auch bei einem bestehenden Widerspruch vorhandene Daten zu aktualisieren, schlägt für Petri "dem Fass den Boden aus", wie er sagt. Dem Bürger werde ein Recht vorgespiegelt, dass dann "wieder entkernt" werde.
Datenweitergabe bereits jetzt Usus

Dass die persönlichen Daten der Bürger in den Meldeämtern nach dem derzeit geltenden Gesetz "top secret" sind, ist aber reine Utopie. Schon heute können zum Beispiel Unternehmen - meist für eine Gebühr - persönliche Daten aus dem öffentlichen Melderegister beim Amt erfragen und abgleichen, solange der Betroffene dem nicht explizit widersprochen hat. Die Meldeämter sind allerdings qua Gesetz verpflichtet, die Bürger bei der Anmeldung auf dieses Widerspruchsrecht aufmerksam zu machen.
Bislang war das Meldewesen auf Länderebene geregelt, nach einem Rahmengesetz des Bundes (Melderechtsrahmengesetz MRRG). Mit der Föderalismusreform 2006 ging das Melderecht allerdings auf den Bund über, das Gesetz soll die neuen Zuständigkeiten regeln. Konkreter Stein des Anstoßes ist der Paragraf 44 zur "einfachen Melderegisterauskunft", in dem die zunächst vorhandene Zustimmungs- in eine Widerspruchsregelung umgewandelt worden ist.
Wer darf was nachfragen?
Privatpersonen und nicht-öffentliche Einrichtungen dürfen generell Auskunft bekommen über: Familienname, Vorname, Doktortitel, aktuelle Anschrift und die Tatsache, dass die Person gestorben ist. Beim Meldeamt liegen noch viele weitere Angaben vor, zum Beispiel das Geschlecht, der Familienstand, die Staatsangehörigkeit oder die Religion. Diese Daten sind gegen die Weitergabe geschützt.
Im Herbst soll der Bundesrat über den Gesetzentwurf beraten. Die Oppositionsparteien haben angekündigt, mit ihren Stimmen die Vorlage in der Länderkammer zu stoppen. Dort hat Schwarz-Gelb anders als im Bundestag keine Mehrheit.
Nach der bisher gültigen Regelung können Betroffene oft gleich bei der An-/Ummeldung eine Widerspruchserklärung bei der Behörde ausfüllen. Bei vielen Verbraucherzentralen gibt es Musterbriefe, mit denen man auch direkt bei den Unternehmen der Datenverwendung zu Werbezwecken widersprechen kann. Außerdem sind die Meldeämter verpflichtet, den Bürgern darüber Auskunft zu erteilen, an wen welche Daten weitergegeben wurden. Ob sie nach einer Verabschiedung der Gesetzesnovelle zum Meldewesen weiterhin ausdrücklich über das Widerspruchsrecht der Verbraucher informieren müssten, ist noch unklar. Klar ist: Der Adress-Industrie stünden goldene Zeiten bevor.
Quelle:BR

Autor:

Peter Siama aus Wattenscheid

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