Das eigene Leben als Dokumentarfilm
„Was für ein Leben!“ heißt ein bundesweiter Biografie-Wettbewerb, bei dem sich Menschen mit besonderen Lebensläufen bewerben konnten, und wer die Lebensgeschichte von Ema Dzinic kennt, die sie von Jugoslawien nach Deutschland und in die USA führte, wird sich nicht wundern, warum sie als Preisträgerin ausgewählt wurde.
1971 geboren in Jugolawien und aufgewachsen bei den Großeltern, zieht Hazema, genannt Ema, Dzinic mit sechs Jahren als sogenanntes Gastarbeiterkind nach Wattenscheid. Als der Großvater in Rente geht, will er zurück, und da Ema erst 15 Jahre alt ist, muss sie gegen ihren Willen mitgehen.
Anfang der 90er Jahre kommen sie, ihr Mann Senad, den sie in Jugoslawien kennengelernt und geheiratet hat, zu Besuch nach Wattenscheid. Dann bricht der Bosnien aus, 1992 wird Sohn Elvis geboren, und die Dzinics bleiben hier. Ema arbeitet in einem Imbiss, während Senad als Eismacher im Eiscafé Dörnenburg tätig ist. 1996 wird Tochter Elvisa geboten.
Die ganze Zeit über sind die Dzinics hier nur geduldet und haben keine Aufenthaltsgenehmigung. Alle sechs bis zwölf Monate müssen sie Anträge stellen, und als Ende der 90er Jahre die Balkanflüchtlinge in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden, gelten die Verlängerungen nur noch für zwei, drei Monate. „Es war eine Qual“, erinnert sich Ema Dzinic. „Immer war da die Ungewissheit, was nun passieren würde. Vor allem für unsere Kinder war es schlimm.“
Eine Rückkehr nach Bosnien ist ausgeschlossen, und da Ehemann Senad Verwandte in den USA hat, gelingt es ihnen, im Jahr 2000 nach Utica im Bundesstaat New York auszuwandern. Zehn Jahre leben sie dort, lassen sich zu Croupiers ausbilden, arbeiten in einem Casino und kaufen sich, wie in den USA üblich, ein Haus. Schließlich erhalten sie die US-Staatsbürgerschaft. „Es war eine schwierige Zeit, aber es war auch schön“, blickt Ema Dzinic zurück.
Aber der Gedanke an Wattenscheid lässt sie nicht los. Bei einem Besuch 2008 erfahren sie, dass der Besitzer das Eiscafé Dörnenburg aufgeben möchte, und sie beschließen, das Café zu übernehmen. 2010 ist es soweit. Doch für Sohn Elvis sind die USA zur neuen Heimat geworden. Er geht 2011 zurück, um zu studieren, und auch Tochter Elvisa, die hier die Schule besucht, plant, in die USA zurückzugehen.
Daher schließen auch Ema und Senad Dzinic eine Rückkehr in die USA nicht aus, aber erst einmal wollen sie in Wattenscheid bleiben. Und solange sie nachweisen können, dass sie Arbeit haben, dürfen sie auch bleiben – dank ihrer amerikanischen Staatsbürgerschaft, ist es ihnen nun nämlich möglich, eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen.
Bis dahin war es ein langer Weg. „Wir haben gekämpft“, sagt Ema Dzinic rückblickend. Sei es, als sie trotz Arbeit im Jahr 2000 kurz vor der Abschiebung standen, oder als sie in den USA erst Englisch lernen mussten, um sich dort ein Leben aufbauen zu können. Auch das haben sie geschafft. Daher macht es Ema Dzinic ein bisschen traurig, dass sie im Nachhinein feststellen musste, dass es viele Flüchtlinge gab, die doch in Deutschland bleiben durften. „Ich war so oft bei den Behörden und habe gefragt, was wir machen können, aber immer hieß es, dass es keinen Weg gebe.“
Als einer der drei Gewinner des Biografie-Wettbewerbs wird Ema Dzinic bald vor der Kamera stehen, um ihre Lebensgeschichte in einem Dokumentarfilm festzuhalten. Im Juni sind drei Drehtage in Bosnien und zwei weitere in Wattenscheid geplant, und im November hat der Film in Berlin Premiere. Dann wird Ema Dzinic natürlich dabei sein.
Aufmerksam auf den Wettbewerb wurde sie durch eine ihrer Kundinnen, Christiane Marks. Zusammen schrieben sie ihre Erlebnisse nieder und reichten schließlich rund 20 Seiten Text ein. Damit konnten sie die Jury überzeugen, die, wie es in ihrem Urteil heißt, beeindruckt war, „mit welchem Optimismus und Pragmatismus Ema Dzinic die vielen Ortswechsel, die ihr meist von anderen aufgezwungen werden, meistert.“
Autor:Vera Demuth aus Bochum |
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