Chor „takt.los“: Singend zurück ins Leben
„And I will try to fix you“ – so erschallte es im Chorgesang unter der Woche hinter der Türe im dritten Stock der Psychiatrie des Martin-Luther-Krankenhauses.
Unter den Chormitgliedern, die den Coldplay-Klassiker schmetterten, sind Frauen und Männer, die stationär oder ambulant Patienten in diesem Haus waren. Jetzt sangen sie aus voller Kehle und ganzem Herzen für ehemalige Therapeuten, Patienten und vor allem für sich selbst. Es war der Höhepunkt eines Projekts mit Modellcharakter.
In Zusammenarbeit mit „Die Brücke e.V. – Freunde und Förderer psychisch Behinderter“ und der Musikschule Bochum wurde vor etwa drei Jahren ein Projekt ins Leben gerufen: Es sollte und soll Menschen mit psychischer Erkrankung die Möglichkeit geben, durch Gesang in kreativer Weise zurück in einen strukturierten Lebensalltag zu finden. Im Chor „Takt.los“ erfahren ehemalige Patienten der Psychiatrie Wertschätzung für ihre Leistung und haben vor allem eins: Spaß am Singen.
„Die Stimme ist das intimste Musikinstrument des Menschen. Den Mut zu haben, sich so zu öffnen und sein Innerstes so preiszugeben, ist für viele eine Hürde – besonders für Menschen mit psychischer Erkrankung“, sagt Maik Horstmann, Chorleiter und Lehrer an der Musikschule Bochum.
Mut zur eigenen Stimme
Seit 2013 kommt der elfköpfige Chor wöchentlich zusammen und probt in zwangloser Atmosphäre – Fehler sind erlaubt und das „Unperfekte“ stets erwünscht. Das Projekt ist einzigartig in Bochum und erfolgversprechend. „Es hat leise und verschüchtert angefangen. Durch regelmäßige, spielerische Proben konnten wir nach und nach das Extrovertierte aus jedem Einzelnen herauskitzeln. Und heute stehen sie hier und singen wie selbstverständlich vor knapp 130 Menschen“, so Horstmann weiter.
Claudia Fett, Sozialpädagogin in der Psychiatrie des MLK, hat den Großteil des Chores in den letzten Jahren therapeutisch begleitet: „Es ist schön, die Entwicklung der Menschen zu sehen, die wir in den vergangenen Jahren als Patienten kennengelernt und durch Phasen begleitet haben, in denen es ihnen schlecht ging. Mich beeindruckt der Werdegang jedes Einzelnen. Sie stehen, nach oft harten persönlichen Niederlagen als Folge von Erkrankung, jetzt als selbstbewusste Sängerinnen und Sänger vor uns. Behandlung findet halt nicht nur im Krankenhaus statt. Daher gilt unser Dank auch Dr. Höffler, unserem Chefarzt in der Psychiatrie, der die Idee dieses Konzerts von Beginn an unterstützt hat.“
Angelika Koch, Leiterin von Die Brücke e.V. in Wattenscheid und Initiatorin des Projekts, singt mit einem weiteren Mitarbeiter des Vereins als Nicht-Patientin im Chor mit: „Es geht allen in erster Linie um den Spaß am Singen. Schaut man sich die Geschichten der Chormitglieder genauer an, ist es mehr als das. Es geht um Selbstverwirklichung und Aufbau von Selbstbewusstsein. Der Name „Takt.los“ soll dabei als Aufforderung verstanden werden – ein ‚Los!‘ zurück ins Leben.“
Autor:Lauke Baston aus Wattenscheid |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.