Cannabis Club Wattenscheid
Warten auf die Teil-Legalisierung
Seit das Thema Cannabis-Legalisierung wieder auf der politischen Agenda steht, ist auch im Postfach des Cannabis Clubs Wattenscheid jede Menge los: Fünf bis zehn Bewerbungen für eine Vereinsmitgliedschaft flattern täglich rein.
Deutlich dreistellig seien die Bewerberzahlen inzwischen, sagt Devran. Er ist Pressesprecher des Clubs, möchte aber aufgrund seines Arbeitgebers nicht mit vollem Namen in der Zeitung stehen. Und schon sind wir mittendrin im Thema. Devran stört die Stigmatisierung und die strafrechtliche Verfolgung, die mit dem Konsum von Cannabis einhergeht. Und das, obwohl er selbst nicht konsumiert.
Ladenlokal in Wattenscheid angemietet
Dennoch macht er sich mit seinen Freunden stark für die Legalisierung. Sie haben nicht nur einen Verein gegründet, sondern auch ein Ladenlokal an der Hochstraße in Wattenscheid angemietet. Aber bevor der Gesetzgeber nicht alles klar geregelt hat und die Mitglieder wissen, welche Anforderungen und Auflagen auf den Club zukommen, halten sie sich noch zurück mit Investitionen. "Es ist enttäuschend", bewertet Devran das Ringen um die Regeln in der Politik. Morgen soll der Bundesrat der Teil-Legalisierung ab 1. April zustimmen. Im Vorfeld meldeten sich mehr und mehr Bedenkenträger, so dass es immer unwahrscheinlicher wird, dass das Gesetz in neun Tagen greift. +++Update+++ Das Gesetz hat am Freitag den Bundesrat passiert, ab 1.4.24 tritt es in Kraft.+++
Wer bewirbt sich um die Club-Mitgliedschaft?
Dessen ungeachtet bereiten sich die Club-Mitglieder aktuell rechtlich auf die Teil-Legalisierung vor. Und erste Bewerber auf Mitgliedschaft wurden eingeladen. "Wir schätzen es sehr, wenn unsere Mitglieder einen Beitrag zum Clubleben leisten und aktiv daran teilnehmen. Jeder Einzelne hat die Möglichkeit, durch Engagement und Mitwirkung einen wertvollen Beitrag zu unserem Verein zu leisten. Es geht uns darum, eine lebendige Gemeinschaft zu fördern, in der sich alle einbringen und gegenseitig unterstützen. Alle anderen sind auch willkommen", sagt Devran. Der Großteil der Bewerber seien Deutsche; Alter zwischen 19 und 72 Jahre; etwa 40 Prozent weiblich.
Veranstaltungen zur Aufklärung geplant
Im Club sind Veranstaltungen zur Aufklärung geplant - "ohne dabei Cannabis in den Himmel zu loben", betont Devran. Aber natürlich stehen die Vereinsmitglieder der Thematik grundsätzlich positiv gegenüber. Der Pressesprecher hat in seinem Umfeld Personen, die aus medizinischen Gründen Cannabis konsumieren, aber von ihren Ärzten kein Rezept erhalten. "Die müssen sich bei einem Dealer das Zeug besorgen, ohne zu wissen, was drin ist." Aber auch, wer "nur" seinen Führerschein verliert, weil er ein paar Tage zuvor einen Joint geraucht hat, ist für Devran ein Opfer einer aus seiner Sicht zu strengen Gesetzgebung. "Diese Kriminalisierung kann Existenzen zerstören, das habe ich schon erlebt."
Gemeinnützige Genossenschaft
Devran habe selbst gesehen, wie der Konsum schwer kranken Menschen ein bisschen Lebensqualität zurückgeben konnte. "Cannabis erzielt bei Krankheiten wie Alzheimer oder Tourette gute Erfolge", sagt Devran. Diese, aber auch andere Menschen, die Cannabis als Genussmittel konsumieren, will der Cannabis Club Wattenscheid bedienen - in Form einer gemeinnützigen Genossenschaft, wie das Gesetz es vorsieht. In Vorträgen sollen die Einsatzmöglichkeiten von Cannabis vorgestellt werden, etwa in Form von Hanfsamenöl oder Kleidung. Dazu seien die Mitglieder bereits in Kontakt mit Experten zum Beispiel der Ortsgruppe Bochum des Deutschen Hanfverbands. Auch eine enge Zusammenarbeit mit der Bochumer Suchtberatungsstelle sei geplant.
Im Club konsumieren ist verboten
Natürlich gab und gibt es auch Bedenkenträger und Kritiker, beispielsweise einige wenige Nachbarn des Clubs. Sie werfen den Betreibern vor, dass sie bald den Gestank aushalten müssten und eine Vermüllung befürchten. "Wir versuchen mit ihnen ins Gespräch zu kommen und aufzuklären", sagt der Pressesprecher. Das habe in den meisten Fällen auch funktioniert. So sieht das Gesetz vor, dass in den Clubs gar nicht konsumiert werden darf. "Das war ursprünglich von Seiten der Politik anders geplant, das wissen viele noch nicht", sagt Devran.
Vom Schwarzmarkt in die Clubs
Was entgegnet er besorgten Eltern, die Angst haben, dass ihre Kinder bald auf dem Schulhof mit Cannabis versorgt werden? "Ich glaube schon, dass der Konsum mit der Legalisierung erstmal ansteigt", sagt Devran. Er hofft, dass drakonische Strafen junge Erwachsene vom Dealen abhalten und ist überzeugt, dass der Schwarzmarkt sich durch die Teil-Legalisierung verlagern wird. "Schon heute bekommt man ein Gramm Haschisch für sieben bis zehn Euro auf der Straße. Angesichts der angekündigten hohen Strafen lohnt sich Dealen dann nicht mehr", ist Devran überzeugt.
HINTERGRUND
- Der Deutsche Bundestag hat am 23. Februar 2024 das Cannabisgesetz beschlossen. Morgen, 22. März, berät der Bundesrat das Gesetz.
- Mit dem Cannabisgesetz wird der private Eigenanbau durch Erwachsene zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau von Cannabis in Anbauvereinigungen legalisiert (Säule 1). Ob das Gesetz zum 1. April in Kraft tritt oder der Bundesrat es durch Einsetzen des Vermittlungsausschusses verzögert, entscheidet sich am Freitag.
- Im nächsten Schritt sind regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vorgesehen (Säule 2).
- Die Idee dahinter: Nach Ansicht der Bundesregierung stößt die bisherige Drogenpolitik an Grenzen. Der Konsum habe in den vergangenen Jahren zugenommen. Cannabis, welches vom Schwarzmarkt bezogen wird, sei häufig mit einem erhöhten Gesundheitsrisiko verbunden, da der THC-Gehalt unbekannt ist und giftige Beimengungen, Verunreinigungen sowie synthetische Cannabinoide enthalten sein können. Das Gesetz ziele darauf ab, zu einem verbesserten Gesundheitsschutz beizutragen, die Aufklärung und Prävention zu stärken, die organisierte Drogenkriminalität einzudämmen sowie den Kinder- und Jugendschutz zu stärken.
Was steht im Gesetz?
- Erwachsenen ist der private Eigenanbau von bis zu drei Cannabis-Pflanzen zum Eigenkonsum sowie der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Eigenanbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen bzw. Genossenschaften erlaubt.
- Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis ist künftig straffrei.
- Die Abgabegrenze für Clubmitglieder liegt bei 50 Gramm pro Monat und 25 Gramm pro Tag (für 18- und 21-Jährige 30 Gramm pro Monat mit geringerem THC-Gehalt).
- Für Jugendliche unter 18 Jahren bleibt sowohl der Konsum wie auch der Anbau, Erwerb und Besitz verboten.
- Konsumverbot von Cannabis in einer Schutzzone von 100 Metern Abstand zu Anbauvereinigungen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Spielplätzen sowie öffentlich zugänglichen Sportstätten.
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