Palästina-Informationen aus erster Hand
Er gehört mittlerweile zur Pestalozzi-Realschule wie die Aula und die Klassenräume: der alljährliche Schüleraustausch, der junge Leute aus Wattenscheid mit gleichaltrigen Israelis und Palästinensern zusammenbringt.
Die Gruppe, die im vergangenen Herbst im Nahen Osten unterwegs war, wird in wenigen Wochen erneut nach Israel fliegen. Die alten Freunde wiederzutreffen, das ist das Wichtigste. Immer wieder schauen auch hochrangige Politiker aus der Region bei den „Pestalozzis“ vorbei, um aus erster Hand über das Heilige Land, das meist als Krisenherd Schlagzeilen macht, zu berichten. Im Rahmen des Projektes „Herausforderung Zukunft“ von Eventmanager Sascha Hellen hat jetzt Salah Abdel-Shafi, der Generaldelegierte Palästinas in Deutschland, mit den Zehner-Klassen der Realschule diskutiert.
Es war am Dienstag, als es in Wattenscheid nur so geschüttet hat. „Das Wetter erinnert mich an Schweden“, sagt Salah Abdel-Shafi süffisant; bis zum Sommer letzten Jahres hat er Palästina in Stockholm vertreten – auch nicht gerade bekannt für ständigen Sonnenschein. Doch der Generaldelegierte ist nicht in unsere Stadt gekommen, um übers Wetter zu sprechen. Die Schüler, wie immer exzellent vorbereitet, stellen dem Palästinenser-Repräsentanten gut zwei Dutzend Fragen rund um den Nahost-Konflikt. Welchen Einfluss hat es auf den palästinensischen Gaza-Streifen, dass die ägyptische Regierung jetzt die Grenzen wieder geöffnet hat? Es sei eine Erleichterung, meint Abdel-Shafi. Allerdings gelte die Grenzöffnung ja zunächst einmal nur für Personen, nicht für Waren. Und wie werden sich die Revolutionen in diversen arabischen Ländern auf den israelisch-palästinensischen Konflikt auswirken? Hier bleibt Abdel-Shafi skeptisch. Das eine habe mit dem anderen erst einmal nicht viel zu tun. Doch Israel, meint er, sollte sich doch freuen über den Ausbruch der Demokratiebegeisterung in der Region. Die Ausführungen des Diplomaten drehen sich immer wieder um Israel, ganz klar.
„Man kann sich seine Nachbarn nicht aussuchen“, sagt Salah Abdel-Shafi in der Pestalozzi-Realschule. Und meint damit natürlich die Israelis. Er weiß, dass die Palästinenser mit ihren Nachbarn klarkommen müssen, wenn Frieden mehr sein soll als eine Vision: „Wir glauben fest daran, dass es irgendwann Frieden geben muss. Und das muss sehr bald passieren.“ Was für eine politische Ordnung er sich denn für Palästina vorstellt, wird Abdel-Shafi gefragt. Die Antwort – keine Überraschung: „Wir wollen Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte. Die Würde des Menschen muss in der Verfassung verankert sein, wie es in Deutschland in Artikel 1 des Grundgesetzes geschehen ist.“ Der Diplomat kennt aber auch die Schwierigkeiten und Stolpersteine: „Die israelischen Siedlungen auf Palästinensergebiet sind das größte Hindernis für den Frieden.“ Und was ist mit der radikal-islamischen Hamas, die im Gaza-Streifen das Sagen hat? „Wir setzen auf Verhandlungen und friedlichen Widerstand“, distanziert sich Abdel-Shafi von der Hamas. Doch er sagt auch: „Wir wollen eine Demokratie installieren. Solange sich Parteien dann im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewegen, müssen wir sie akzeptieren. In Deutschland dürfen ja auch Neonazis demonstrieren; und sie werden von der Polizei geschützt.“
Salah Abdel-Shafi, der exzellent Deutsch spricht, hat vor über 20 Jahren den Mauerfall in Deutschland miterlebt. Diese Erfahrung habe ihm gezeigt, dass in der Politik Wunder passieren können – wenn sich Menschen friedlich engagieren. Nun hofft er auf ein „Wunder“ in seiner Heimat – die Anerkennung eines eigenen Palästinenserstaates durch die Vereinten Nationen. Wenn es nach Präsident Mahmud Abbas geht, gibt die UN-Generalversammlung im September grünes Licht. Man sei bereit, meint Abdel-Shafi: „Wir haben alle Zutaten für einen eigenen Staat: eine Bevölkerung, ein Territorium, eine Regierung.“ Und er, er wäre gern nicht nur „Generaldelegierter“ seines Landes, sondern ein ganz normaler Botschafter.
Autor:Michael Ragsch aus Wattenscheid |
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