Obdachlosigkeit in Deutschland
Nachtlager in einem Essener Parkhaus
"Den Menschen in Deutschland ging es noch nie so gut wie im Augenblick", verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel stolz in der Haushaltsdebatte 2017.
Damit waren wohl kaum die mehr als 52.000 Obdachlosen in Deutschland gemeint. Dabei handelt es sich um geschätzte Zahlen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungshilfe aus dem Jahr 2016. Das wäre rund ein Drittel mehr als 2014, damals waren 39.000 Personen betroffen. Noch weitaus dramatischer wären die Zahlen, wenn die gesamte Wohnungslosigkeit berücksichtigt würde.
Offizielle Statistiken zu Obdachlosen existieren in Deutschland nicht. Mir scheint, als ob es den staatlichen Stellen peinlich ist, dass es eine solche Form der Armut überhaupt gibt.
Obdachlosigkeit, das passt doch nicht ins Bild. Wachstum, Wachstum, heißt die Devise! Die deutsche Wirtschaft boomt, das Bruttoinlandsprodukt steigt, die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordtief - es scheint, als gäbe es kein Halten.
Obdachlos - ach was! Der Armutsbericht der Bundesregierung, der alle vier Jahre veröffentlicht wird, zeigt doch, dass die Deutschen heute deutlich komfortabler leben als noch vor 20 Jahren. Damals wohnten Alleinlebende auf 54 Quadratmeter. Heute sind es 63 Quadratmeter. Sehr wichtige Feststellung!
Doch jetzt eine Kehrtwende? Man höre und staune, die Bundesregierung hat nunmehr einen Gesetzentwurf zur statistischen Erfassung von Obdach-/Wohnungslosen verabschiedet. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das Statistische Bundesamt ab 2022 eine jährliche Statistik über wohnungslose Menschen, die Leistungen zur Unterbringung in Anspruch nehmen, vorlegt. Darüber hinaus soll -mindestens- alle zwei Jahre ein Bericht über die Obdachlosigkeit verfasst werden. Ziel ist es diese bis 2030 komplett zu beseitigen, so der Armutsexperte der Grünenfraktion Wolfgang Strengmann-Kuhn.
Nur warum erst 2022 und nicht sofort?
Was passiert in der Zwischenzeit? Vielleicht würde der Bürger sich auch über eine Statistik freuen, die den Erfolg oder Misserfolg der Politik der letzten zehn Jahre dokumentiert. Am besten gleich mit Verkehrs-, Schul- und Verteidigungspolitik anfangen!
Ich bin der Meinung, die jetzt beschlossene statistische Erhebung ist nur ein weiteres Mittel der Verschleppung des Problems, dass uns in Zukunft überrollen wird. In Ländern wie Frankreich und Amerika hat man doch schon kapituliert - in Detroit, LA, New York usw. gehören Zelte und notdürftig zusammengeschusterte Behausungen doch schon zum "normalen" Straßenbild. Aber auch in deutschen Städten wie z.B. Berlin oder Hamburg bahnen sich ähnliche Zustände bereits an.
Anstatt gegen das Problem der Obdachlosigkeit vorzugehen, zählen wir lieber. Irgendwie hat man aber auch nichts anderes erwartet. Fast hätte ich gesagt: "Man sitzt es aus"!
Aber das war ja einmal - oder?
Foto: ©Rainer Bresslein
Autor:Rainer Bresslein aus Wattenscheid |
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