Corona: Stadtspiegel-Interview mit dem Landtagsabgeordneten Serdar Yüksel
Ehrlichkeit und Transparenz

Das Coronavirus hat in den letzten Tagen immer stärker in unseren Alltag eingegriffen. Öffentliche Veranstaltungen (Konzerte, Sport, Theater, Kino) sind abgesagt worden, Schulen, Kindergärten und Tagesstätten sind geschlossen, der Öffentliche Nahverkehr ist in etlichen Nachbarstädten auch schon „herunter gefahren“ worden. Und ein Ende ist noch nicht in Sicht! Serdar Yüksel, Wattenscheider Landtagsabgeordneter und Gesundheitsexperte, stand im Stadtspiegel-Interview Rede und Antwort.

Beginnen wir ganz persönlich. Ein Politiker begegnet im Alltag ganz vielen Menschen. Wie hat sich Dein Alltag in den letzten Tagen/Wochen verändert?
Auch ich habe meine sozialen Kontakte auf ein Mindestmaß reduziert und versuche, soviel es geht per Telefon, Videocall, E-Mail und soziale Netzwerke zu regeln, um weiter ansprechbar zu sein. Wir alle müssen in den kommenden Wochen unsere sozialen Kontakte einfrieren. Das fällt den allermeisten Menschen nicht leicht, aber durch die digitalen Medien können wir heute immerhin miteinander in Kontakt bleiben und uns austauschen.

Ist die parlamentarische Arbeit in Düsseldorf anders geworden? Finden Sitzungen planmäßig statt, oder gibt es Alternativen wie Videokonferenzen?
In der letzten Woche kam der Landtag von Nordrhein-Westfalen zu seiner regulären Sitzungswoche zusammen. Dabei hatten wir als Abgeordnete Gelegenheit, gemeinsam mit der Landesregierung und Fachleuten Maßnahmen für die kommenden Wochen zu erarbeiten. Wir sind uns in Nordrhein-Westfalen einig, dass der Landtag nicht vom Netz gehen darf. Die eben erwähnten Kommunikationswege erleichtern es uns sehr, dass wir auch von Zuhause aus das politische Tagesgeschäft weiterführen können. Zudem haben wir uns geeinigt, dass wichtige Beschlüsse nach Fraktionsstärke abgestimmt werden, sodass es nicht auf das Votum des einzelnen Abgeordneten ankommt.

Du bist von Deiner beruflichen Ausbildung her mit dem Thema „Gesundheit“ vorbelastet. Man hört und liest wahnsinnig viel. Ich fürchte die Verunsicherung wird von Tag zu Tag bei den Bürgern größer. Was sollte man für den persönlichen Schutz tun, und was sollte man tunlichst unterlassen?
Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern reinen Wein einschenken und sagen, was auf uns als Gesellschaft zukommt. Ehrlichkeit, Offenheit und Transparenz sind das Gebot der Stunde. Es besteht kein Grund zur Panik, die Fachleute haben die Lage im Griff und wissen, was zu tun ist.

In den sozialen Medien kursieren etliche Horrorszenarien von Hamsterkäufen – untermalt mit Fotos von leeren Regalen (lassen wir einmal außer acht, dass etliches „gefaked“ sein kann. Hast Du davon konkret etwas mitbekommen? Siehst Du die Grundversorgung in irgendeiner Weise gefährdet?
Die Versorgungslage ist nicht gefährdet. Im Gespräch mit den großen Lebensmittelketten wurde mir versichert, dass die Versorgung mit Waren des alltäglichen Lebens gesichert ist und bleibt! Die Transportkapazitäten sind derzeit ein Problem, aber die großen Händler arbeiten auf Hochtouren daran, die Waren flächendeckend und zügig auszuliefern. Es gibt keinen Grund für Hamsterkäufe. Diese sind egoistisch und gefährden die Versorgung anderer Menschen.

Zum Thema Versorgung eine andere Facette. Sind unsere Krankenhäuser und unsere niedergelassenen Ärzte ausreichend gewappnet oder könnte unser Gesundheitssystem an seine Grenzen stoßen?
Der aktuellen Panikmache und Verbreitung von Angstszenarien müssen wir klar entgegentreten. Wir haben eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Die Medizinerinnen und Mediziner sind ebenso wie die Pflegekräfte hochengagiert und gut ausgebildet. Ihnen gilt mein besonderer Dank in dieser Situation! Nun ist es wichtig, die Infektionswellen abzumildern, damit die Krankenhäuser nicht an ihre Grenzen stoßen und nicht zu viele Notfälle zeitgleich behandeln müssen.

In etlichen europäischen Ländern ist noch viel stärker in den Alltag eingegriffen worden. Italien war Vorreiter, Spanien hat am Montag mit drastischen Maßnahmen (Ausgehverbot) nachgezogen. Drohen uns eventuell auch noch derart harte Einschränkungen?
Ja, ich bin der Ansicht, dass auch in Deutschland mehr Maßnahmen nötig sein könnten. Wir werden unseren Alltag massiv einschränken müssen, um Infektionsketten zu minimieren und zu unterbrechen.

Corona kann ein ganz großes gesamtgesellschaftliches Problem werden. Es geht längst auch um die Ökonomie, um einen drohenden Börsencrash, um massiven Arbeitsplatzabbau. Kann die Politik da in der nun gebotenen Eile überhaupt angemessen gegensteuern?
An dieser Stelle muss ich eine Lanze für die Große Koalition in Berlin brechen. In der letzten Woche hat die Bundesregierung in Windeseile ein Hilfspaket für betroffene Arbeitnehmer und Selbstständige beschlossen. Wir stehen ökologisch und ökonomisch gut dar und sind gut gewappnet, um die Krise gemeinsam zu bewältigen.

In Krisenzeiten steht eine Gesellschaft besonders auf dem Prüfstand. Die „Solidarität“ müsste eigentlich jetzt größer geschrieben werden denn je. Funktioniert das aus Deiner Sicht halbwegs?
In Krisenzeiten offenbart sich besonders deutlich der Charakter einer Gesellschaft. Die meisten Menschen handeln schon jetzt sehr verantwortungsvoll und umsichtig. In den sozialen Netzwerken etwa sind mir schon einige Menschen begegnet, die ehrenamtlich ihre Hilfe im Alltag anbieten. Mir ist es ein Herzensanliegen, dass wir mit offenen Augen durch unsere Nachbarschaft gehen und denjenigen Hilfe anbieten, die nicht allein einkaufen können bzw. zu den sog. Risikogruppen gehören. Unsere Solidarität und unser Zusammenhalt werden besonders den älteren und kranken Menschen helfen. Ein konkreter Tipp von mir lautet: Hängen Sie einen Zettel mit Ihrer Telefonnummer an die Tür Ihrer Nachbarn und bieten sie darauf Ihre Hilfe im Alltag an.

Wagst Du eine Prognose, wie lange die Einschränkungen noch dauern?
Ich halte mich dabei an die Fachmeinung der Wissenschaft, die davon ausgeht, dass wir umso schneller wieder zur Normalität übergehen werden, je früher und engagierter wir jetzt handeln. Dennoch sei gesagt, dass das Virus nicht in wenigen Wochen besiegt sein wird.

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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