Jakob Augsteins Roman „Die Farbe des Feuers“
Zwischen Humor und Weltpolitik
"Ich habe immer schon geglaubt, dass die Vorstellung, dass wir Herr dessen sind, was wir tun, eine notwendige Vorstellung und ein Irrtum ist. Wir müssen das glauben, sonst bricht alles zusammen. Aber ich glaube, das ist Quark", bekannte kürzlich Jakob Augstein.
Der 56-jährige Augstein, Miteigentümer des Spiegel-Verlags, Verleger und Chefredakteur der linken Wochenzeitung „Freitag“, gehört zu den schillerndsten Figuren in der deutschen Medienlandschaft. Er wuchs als Sohn des renommierten Spiegel-Gründers auf und erfuhr erst mit Mitte Dreißig, dass Romancier Martin Walser sein leiblicher Vater ist. Vor zwei Jahren debütierte er als Schriftsteller mit dem Roman „Strömung“ (2022), in den er Aufstieg und Fall eines reichlich klischeehaft geratenen Politikers nachzeichnete.
Nun erzählt er auf humorvolle und unterhaltsame Weise vom Leben im Umkreis einer vermögenden Unternehmerfamilie aus Schwaben und deren Eskapaden am luxuriösen Zweitwohnsitz auf dem Landsitz La Garrigue im Dunstkreis von Montpellier.
Rebecca, die Tochter des Unternehmers Heinz Bächle, trifft dort nach vielen Jahren auf ihre Freundin Swann, eine ehemalige Fernsehjournalistin. Beide sind Ende dreißig und auf eine herrlich schräge Art glücklich-unglücklich. Rebecca, die kunstbeflissene, ehemalige Internatsschülerin, will heiraten – sehr zum Leidwesen des Gärtners Sami, der offensichtlich schon seit langer Zeit unsterblich (aber auch unausgesprochen) in Rebecca verliebt ist. „Nun würde Rebecca einen anderen Mann heiraten, und es würde für ihn keine Erlösung mehr geben.“
Verletzte Gefühle und gezielte Vertuschungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Handlung. Familienpatriarch Heinz Bächle hat sich sein Anwesen in Südfrankreich vor allem als Fluchtort vor seiner Frau eingerichtet, Gabriel (Rebeccas egoistischer Bräutigam) wartet mit einem Geflecht von Lügengeschichten auf, und es stellt sich auch die Frage, ob Rebecca und Swann mehr als nur gute Freundinnen sind/waren.
Und dann tummelt sich dort eben auch noch der verschmähte Gärtner Sami, der auf der zweiten Handlungsebene, die sich in den Köpfen der Figuren um die Omnipräsenz der Betroffenheit nach dem Brand von Notre Dame im April 2019 dreht, eine zentrale Rolle spielt.
Augstein beschreibt den Alltag der Super-Reichen detailliert, mit feiner Ironie und spürbarer Freude. Da ist ein exaltierter Starkoch, der keinem seiner Gäste in die Augen schauen kann und mit Vorliebe Singvögel in Armagnac kredenzt, da wird kurzerhand ein sündhaft teurer Konzertflügel im weitläufigen Grün des Anwesens platziert, und Bräutigam Gabriel träumt davon, eine „moderne Synthese des Orpheus-Mythos mit Dantes Göttlicher Komödie und Mozarts Zauberflöte“ zu komponieren.
Diese Passagen zielen humorvoll, aber auch durchaus tiefsinnig auf den Egoismus der reichen Erben, ihren leicht dekadenten Lebenswandel und ihrer vergeblichen Suche nach dem „wirklichen“ Lebensglück – nach einem konfliktfreien Alltag in Zweisamkeit.
War die zweite, geradezu nach politisch-gesellschaftlicher Relevanz lechzende Handlungsebene für diesen Roman nötig? Jedenfalls soll Sami, der muslimische Gärtner, vor dem Brand von Notre Dame seinen Zwillingsbruder als Gerüstarbeiter bei der Restauration der Kathedrale ersetzt haben. Das von Jakob Augstein hier ziemlich plakativ arrangierte Spiel mit Klischees und vagen Andeutungen wirkt an den Haaren herbei gezogen und soll dem Roman offensichtlich einen politischen Anstrich verleihen. Dieser künstlich konstruierte bedeutungsschwangere Überbau nimmt der übrigen Handlung die humorvolle Leichtigkeit. Offensichtlich hat Jakob Augstein mehr als nur einen unterhaltsam-ironischen, mit anmutigen Landschaftsbildern versehenen Roman im Sinn gehabt. „Die Farbe des Feuers“ ist aus diesem Grund leider gescheitert. Weniger wäre hier deutlich mehr gewesen.
Jakob Augstein: Die Farbe des Feuers. Roman. Aufbau Verlag, Berlin 2023, 350 Seiten, 24 Euro
Autor:Peter Mohr aus Wattenscheid |
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