Täglich ins Schreibbüro

Vor 100 Jahren (am 4. April) wurde die Schriftstellerin Marguerite Duras geboren

Ihre Produktivität war schon beinahe beängstigend. Seit Anfang der 1940er Jahre hatte Marguerite Duras über 50 Bücher der unterschiedlichsten Genres vorgelegt. Bis 1985 war allerdings nur der Roman „Hiroshima mon amour“ in deutscher Übersetzung erhältlich, den Alain Resnais 1958 für die Leinwand inszeniert hatte.

Dann löste der Erfolg des mit dem Prix Goncourt ausgezeichneten Romans „Der Liebhaber“ Mitte der 1980er Jahre eine wahre Duras-Euphorie auf dem deutschsprachigen Buchmarkt aus. Ihre eigene Vita hätte reichlich Stoff für einen Roman hergegeben. Marguerite Duras, die am 4. April 1914 als Tochter eines Mathematikprofessors in Saigon geboren wurde, kam als 18-jährige nach Paris, wo sie Jura, Mathematik und politische Wissenschaften studierte. Ehe sie sich ganz der Literatur widmete, arbeitete sie einige Zeit im französischen Kolonialministerium und danach als Journalistin beim „Observateur“. Die frühen Werke der 40er Jahre (beispielsweise „Les impudents“ und „La vie tranquille“) standen noch unter dem deutlichen Einfluss von Julien Green. Im Gegensatz zu ihrem damaligen Lebensgefährten und zu vielen Freunden konnte sich Marguerite Duras, die sich im französischen Widerstand engagierte, der Verhaftung durch die deutschen Besatzer entziehen.
Der erste Nachkriegsroman, „Un barrage contre le pacifique“ (erst 2008 verfilmt worden, trug eine deutlich eigene kompositorische Handschrift. Es blieb ihr einzig wirklich autobiografische Roman. Nach ihrem Durchbruch in Frankreich (Ende der 50er Jahre) hat Marguerite Duras geschrieben, „wie jemand, der in ein Büro geht. Täglich. Routiniert.“ Das weltweit erfolgreiche Theaterstück „La musica“ hat sie binnen drei Wochen fertig gestellt. Aus diesem Grunde räumte die Autorin später ein, dass sie „vieles nicht mehr wieder erkennt“. Die vorrangigen Sujets im gewaltigen Oeuvre waren die Liebe, verbunden mit den daraus resultierenden kleinen und großen Katastrophen, und ihr engagierter Kampf für die Gleichstellung der Frau.
Ihr großer Erfolg in Frankreich beruht vor allem darauf, dass die Liebe stets ein geachtetes Thema für die anspruchsvolle Literatur war. Anders als in ihren Weltbestsellern „Emily L.“, „Der Liebhaber“ und „Der Schmerz“ hat die Liebe in einem ihrer letzten Werke „Sommerregen“ eine tiefere Dimension. Er spielt abseits vom Glanz der Weltmetropole im heruntergekommenen Pariser Vorort Vitry. Soziale Underdogs (eine Ausländerfamilie mit sieben Kindern) sind die Hauptfiguren. Dieser bereits 1985 unter dem Titel „Die Kinder“ verfilmte Roman zeigt die Duras als sozial engagierte Autorin mit einem scharfen Blick für die Perspektive der ausgegrenzten Menschen am Rand unserer Gesellschaft.
Zu ihrem 80. Geburtstag war im renommierten Pariser Verlag Gallimard ein (bis dahin noch nicht übersetzter) Essayband unter dem Titel „ecrire“ erschienen, der private Monologe und Reflexionen über ihr langes Autorenleben enthielt. Ein Werk, das postum den deutschen Lesern noch einmal einen tiefen Einblick in das Innere der Erfolgsautorin Marguerite Duras gewährte. Obwohl sie es zu stattlichem Reichtum gebracht hatte, viele Jahre ein Haus in Neauphle (am Südwestrand von Paris gelegen) und ein Apartment in der Normandie besaß und sich schon in den 1950er Jahren vom dogmatischen Kommunismus losgesagt hatte, fühlte sich Marguerite Duras doch stets einer idealistisch-emanzipatorischen sozialistischen Idee verpflichtet.
Am 3. März 1996 ist Marguerite Duras, die leidenschaftliche und kompromisslose Vielschreiberin, dieser kaum zu bändigende künstlerische Wasserfall, in Paris kurz vor ihrem 82. Geburtstag gestorben. Ihre wichtigsten erzählerischen Werke liegen als Suhrkamp-Taschenbücher vor.

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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