Spalter und kein Integrierer

Zum 75. Geburtstag des langjährigen PEN-Präsidenten Johano Strasser am 1. Mai

„In Deutschland ist es nicht mehr so, dass, wenn ein Schriftsteller das Wort erhebt, die Öffentlichkeit be­sonders aufmerksam hinhört. Wenn ein Fußballer oder ein Formel 1-Rennfahrer sich meldet und politisch äussert, findet er in aller Regel mehr Gehör als wenn ein Schriftsteller dies tut“, beklagte Johano Strasser schon 2009.

Der Schriftsteller, Publizist und Politologe ist stets ein Querdenker gewesen, ein skeptischer Grübler, denn – so Strasser – der Intellek­tuelle sei nun einmal ein „Spalter und kein Integrierer“.
Als Chefideologe der Jungsozialisten in den 1970er-Jahren, als Mitglied der Grundwertekommission der SPD, als habilitierter Politologe an der Freien Univesi­tät Berlin, als Herausgeber und verantwortlicher Re­dakteur der 1988 eingestellten politisch-literarischen Zeitschrift „L‘80“ und auch als spät berufener Schrift­steller, der 1987 mit dem opulenten Roman „Der Klang der Fanfare“ fulminant debütierte, scheute Strasser den Mainstream wie der Teufel das Weih­wasser.
„Ich bin Friese und von Haus aus sehr stur“, erklärte der am 1. Mai 1939 im niederländischen Leeuwarden geborene Autor, der von 2002 bis 2013 dem deut­schen PEN-Zentrum als Präsident vorstand.
Viele Anfeindungen musste sich Strasser gefallen las­sen. Vom „Bayernkurier“ wurde er einst als „knallhar­ter Revolutionärstyp“ gegeißelt, und politische Wegge­fährten aus der unruhigen 68er-Bewegung rümpften die Nase, als Strasser in den 1980er-Jahren seine Berliner Altbauwohnung gegen ein Haus am Starnber­ger See eintauschte. Er gehöre eben zur „hedonisti­schen Linken“ und halte überhaupt nichts von einem „Sozialismus mit herunter gezogenem Mundwinkel“, verteidigte sich Strasser, den seit vielen Jahren eine enge Freundschaft mit Günter Grass verbindet.
Sein politisches Insiderwissen ließ er 1992 in die ebenso humorvolle wie realistisch anmutende Erzäh­lung „Dengelmanns Harfe“ einfließen, in der es um das rätselhafte Verschwinden eines hoffnungsvollen Nachwuchspolitikers geht.
Sein literarisch gelungenstes Werk ist der 1995 er­schienene Roman „Stille Jagd“, in dem sich die deut­sche Vergangenheit und zeitgenössische Fremden­feindlichkeit zu einem tödlichen Gemisch vereinen.
„Wo keine Geschichte gemacht wird, werden Ge­schichten erzählt, damit die Leute wissen, wer sie sind“, heißt es durchaus charakteristisch für Strassers gesamtes literarisches Werk an einer Stelle seines Romans „Bossa Nova“ von 2008. Zuletzt hatte er den Roman „Die schönste Zeit des Lebens“  vorgelegt, in dem er seinen Protagonisten, den heranwachsenden Robert – zwischen Zivildienst, zerstrittenen Eltern und einer Holocaust-Überlebenden – in  allerlei Turbulen­zen geraten lässt.
Neben den belletristischen Arbeiten und dem autobio­grafischen Erinnerungsbuch „Als wir noch Götter wa­ren im Mai“ hat Strasser unzählige wissenschaftliche Publikationen und Sachbücher zu politischen Themen vorgelegt, zuletzt „Gesellschaft in Angst. Zwischen Si­cherheitswahn und Freiheit“.
„Wir haben uns auf Weichenstellungen eingelassen, denen eine falsche Idee vom Menschen zugrunde liegt. Die Vorstellung des Menschen als eines rationa­len Nutzenmaximierers, der sich einen Überblick über die am Markt verfügbaren Alternativen verschafft“, kritisiert Querdenker Strasser das überwiegend öko­nomisch zentrierte zeitgenössische Denken.

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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